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„Das Tribunal“ ist ein Mischling aus Antikriegsfilm und Justizdrama, will in seiner „Hybridität“ aber auf ein Ziel hinaus, das sich von diesen beiden Genres unterscheidet. Das Experiment ist größtenteils gelungen: Es wird zwar in Klischees gerührt, im fertigen Film sind die aber fast nie sichtbar, weil etwas ganz Neues im Vordergrund steht, nämlich ein bislang in der Form einmaliges Kammerspiel vor der gewaltigen Kulisse des Zweiten Weltkriegs.

Dabei fängt alles schön konventionell an. Wir lernen Lieutenant Thomas Hart (Colin Farrell) kennen, einen Frischling voller Tatendrang, mit Moral und Ehre, aber auch einem einflussreichen Vater, der es Hart schwer macht, ernstgenommen zu werden. Bei einem Routinegang tappt er den Deutschen in die Falle, wird gefoltert und anschließend in ein Kriegsgefangenenlager gebracht.

In diesen ersten Minuten wird die Hollywood-Antikriegsfilm-Silhouette aus der Schublade geholt und eifrig abgepaust wie im Kindergarten. Was nicht heißen soll, dass es nicht spannend wäre. Das ist es schon, keine Frage, aber der Genrefan wird nichts Neues entdecken können, zumal sich der Brutalitätsgrad – von einer Szene abgesehen – immer im PG-13-Rahmen hält. Zumindest, was das Visuelle betrifft; das Verhör Harts ist zwar sehr kurz, geht aber zumindest angemessen an die Psyche.

Mit Harts Ankunft im Kriegsgefangenenlager schlägt der Film vollkommen um, und der Zuschauer, der einen Antikriegsfilm erwartet und sich bisher unterhalten gefühlt hatte, wird sich enttäuscht abwenden; wer jedoch genug hat von der ewig gleichen Klischeeanhäufung des Genres, wird diese Klischees über die gesamte Restlaufzeit hinweg zumindest gut verscharrt wiederfinden und mit einem alternativen Kammerspiel belohnt, das sich die Frage zum Ziel macht, was eigentlich Freiheit ist, und sich zum Erreichen dieses Ziels der Rassismusproblematik bedient.

So geht es hier weiter: Hart wird in das Lager eingeliefert und teilt sich ein Gebiet mit seinen Landsleuten, die insgesamt noch verhältnismäßig gut wegkommen, während die russischen Kriegsgefangenen auf der anderen Seite des Zauns von den Deutschen wie Hunde gehalten werden. Der Neuankömmling wird vom ranghöchsten US-Offizier im Lager, McNamara (Bruce Willis), in eine Baracke mit rangniederen Soldaten einquartiert. Kurz darauf gesellen sich auch noch zwei schwarze Flieger hohen Ranges dazu(Terrence Dashon Howard, Vicellous Reon Shannon), werden wegen ihrer Hautfarbe aber diskriminiert. Es kommt zum Eklat: einer der Schwarzen wird wegen angeblichen Waffenbesitzes vor die Baracke gezerrt und hingerichtet, ein Soldat, der seinen Rassismus besonders offen zu Tage gelegt hat (Cole Hauser) wird daraufhin ermordet aufgefunden. Sofort wird der andere Flieger verdächtigt. Auch er soll nun für seine mutmaßliche Tat hingerichtet werden, doch Hart setzt sich für einen Prozess ein, der vom amüsierten deutschen Kommandanten geduldet wird.

Im folgenden steht der Prozess im Vordergrund, mitsamt aller zuzüglichen Aktivitäten außerhalb des „Gerichtssaals“. Der junge Hart wird dem Angeklagten von McNamara als Verteidiger zugewiesen, obgleich der außer seiner Motivation nichts Behilfliches vorzuweisen hat. Soweit bewegen wir uns im Schema F des modernen Gerichtsthrillers. Gerade die Parallelen zur „Jury“ sind unverkennbar, denn auch hier steht ein Schwarzer unter Tatverdacht und damit die Rassenproblematik im Vordergrund, und auch hier wird dem Angeklagten ein unerfahrener Kerl zur Seite gestellt und damit verdeutlicht, wie egal der Justiz der schwarze Angeklagte ist. Aber in „Das Tribunal“ ist es doch anders, denn hier ist eben nicht die Rassenthematik das eigentliche Ziel, sondern nur das Instrument; des weiteren bewegen wir uns im Gegensatz zur moderneren Variante des Genres in einem ganz anderen Umfeld. Zur Verfügung steht nur ein Mikrokosmos im Vergleich zu der Welt aus Beton und Stahl, durch die sich der Regenmacher und Konsorten kämpfen müssen. Beinahe ist das Kriegsgefangenenlager mit all den Andeutungen von Krieg am Horizont und in der Luft wie ein Käfig mit weißen Mäusen, die den Tests eines wissbegierigen Wissenschaftlers ausgesetzt sind.
In der Rolle eines solchen Experimentalisten steht der deutsche Kommandant, dessen hedonistische Motivation im Film vielleicht etwas aus der Luft gegriffen sein mag – es kommt nicht besonders glaubwürdig herüber, dass er aus reinem Spaß an der Freude eine solch aufwändige Aktion gestattet, woran auch der Hinweis auf seine persönlichen Vorlieben mit der „Negermusik“ nichts ändert – doch in Bezug auf den weiteren Verlauf und die letztendlich durchaus zufriedenstellende symbolische Aussagekraft kann man darüber hinwegsehen.

Bezeichnend, und für den Zuschauer gleich ein Wink mit dem Zaunpfahl, ist der Ort des Prozesses, nämlich ein zum Gericht umgebauter Theater(!)saal. Schon hier wird deutlich, dass am Ende einer bluten muss und das ganze Geschehen nur Jux und Dollerei ist... jedenfalls für die Deutschen. Hart ist zu grün hinter den Ohren, um die wahren Dimensionen zu erkennen, sein Ehrgeiz in der Folge für den Zuschauer fast schon mitleiderregend. Der Schwarze erkennt die Lage besser und verströmt hoffnungslosen Pessimismus, der in seiner Situation gleichbedeutend mit Realismus ist. Während er also vor sich hinvegetiert und sich langsam mit seinem unvermeidlichen Schicksal abfindet, werden wir Zeuge von Manipulationen außerhalb der Gerichtstagungen und Szenenrekonstruktionen des Mordes innerhalb. Außer, dass sich Hart hier immer weiter in seine Aufgabe hineinsteigert und die Theorien von Anklage und Verteidigung interessant zu verfolgen sind (wie man es vom Genre gewöhnt ist), tut sich hier eigentlich nichts weiter.

Lediglich McNamara wird weiter portraitiert, stellt sich aber als äußerst schemenhaft heraus, bleiben seine Ziele und Absichten doch im Dunkeln. Gerade gegenüber Hart verhält er sich einmal unterstützend, dann wieder verschlossen oder in den Weg stellend. Es ist offensichtlich, dass er etwas verschweigt, und so ist es kaum verwunderlich, dass ein Plottwist ins Finale einleitet. Die Umsetzung dieses Plottwists jedoch ist verwunderlich, ganz so, wie es sein sollte, und obendrein bleibt es nicht bei einer einfachen Wendung, sondern das Geschehen dreht sich nun durchgehend.

Wie schon angesprochen wird eher der Aspekt der Freiheit thematisiert als der Rassismus. Die Thematisierung des letzteren wäre schon aus dem Grund problematisch, weil die Story vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs angesiedelt ist, was eine Übertragung in die heutige Zeit schwierig machen würde. Der Freiheitsaspekt hingegen ist nicht abhängig von einer bestimmten Ära, er fungiert als zeitloser Grundsatz. Die Pointe wird deswegen flüssig mit einer diesbezüglichen Aussage unterlegt und verfehlt ihre Wirkung nicht. Verstärkt wird diese durch die gesichtslose Masse der Russen, die sich im Hintergrund wie ein grauer Fluss bewegt und die Rassenuntergliederung verbildlicht, mit ihr dann auch das Bestimmen der einen „Rasse“ durch die andere, also die Einschränkung der Freiheit des einen durch den anderen.

All dies wird in vornehmlich ruhigen, dabei aber doch gräulich-melancholischen Bildern mit leichter Grobkörnung gezeigt, wobei Actionszenen Mangelware sind; lediglich der Abschuss eines Flugzeugs über dem Lager und die finale Sprengung des deutschen Werks setzen hier Akzente, können den ruhigen Grundtenor aber nicht verbergen. Die Schauspielleistungen sind durch die Bank annehmbar bis gut, wobei Colin Farrell noch etwas unsicher wirkt und Bruce Willis als tougher Gegenpol fungiert, der dem Zuschauer beinhart das bietet, was man von ihm erwartet.

An „Das Tribunal“ dürften sich die Geister scheiden. Falsche Erwartungen sind hier pures Gift; es besteht ein ganz ähnliches Verhältnis wie zwischen Shyamalans Mystery-Drama (nicht Thriller!) "The Village" und dessen Trailer. Fakt ist aber: Hat man einmal akzeptiert, keinen Antikriegsfilm vorgelegt zu bekommen, sondern stattdessen ein eher ruhiges Drama mit viel symbolischer Aussagekraft, angetrieben durch Klischees, sich aber zu einer gewissen Einzigartigkeit ausbauend, dann wird man einen Film zu sehen bekommen, der alles andere als Zeitverschwendung ist. „Das Tribunal“ schwächelt in seinem Ansatz, wo sich diverse Klischees aneinanderhäufen, glänzt dafür aber in der Ausarbeitung mit relativ spannenden Gerichtsszenen, schlüssiger Symbolik und vor allem einem gelungenen Ende mit vielen Wendungen, die Sinn machen. Nicht jedermanns Sache, aber unbedingt sehenswert.
7/10

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