Das der deutsche Film seine besten Tage nicht heutzutage, sondern in den frühen Filmjahren hatte, dürfte kein Geheimnis sein. Auch wenn dem heutigen deutschen Film größtenteils viel Unrecht getan wird, so konnte er früher doch, verhältnismäßig, einige Perlen mehr zu Stande bringen, als bei seinem heutigen Dasein. Neben den vielen Heinz Rühmann-Filmen sollte es vor allem ein Streifen sein, der die deutsche Filmlandschaft so prägt, wie kein anderer. Josef von Sternbergs Roman-Verfilmung "Der blaue Engel", nach Heinrich Manns Roman "Professor Unrat"! Ein grandioses Filmerlebnis, mit zwei unsterblichen Stars!
"Der blaue Engel" erzählt den tragischen Fall des hoch angesehenen Professors Dr. Rat, der sich, eher durch einen dummen Zufall, in die Welt des Showbiz verirrt und sich dort in die fesche aber falsche Lola, quasi seinem 100% Gegenbild, verliebt. Nach und nach gibt er sich, aus größter Hingabe zu ihr, voll und ganz in die Hände Lolas, bis aus ihm, nach und nach, nur noch eine Spottfigur übrig bleibt, die traurig und verlassen, am Platz ihres früheren Lebens, der Schule, verstirbt. Heinrich Manns tragische Geschichte über Macht und Verlangen, Begierde und Neid, verlorener Würde und dem Willen nach einem Leben, dass man nicht haben kann, ohne darin unterzugehen. Umgesetzt in einem grandiosen Drehbuch, vom damaligen Autoren-As Carl Zuckmayer.
Und dabei geht eigentlich alles noch recht fröhlich los. In den ersten Minuten wirkt der Film eher wie eine lustige Pennäler-Komödie, wie es sie damals zu Hauf gab. Einige Schüler spielen ihrem gestrengen Professoren ein paar Streiche und der Zuschauer muss über den erbosten Lehrer lachen und kann für ihn, trotz seiner Strenge, Sympathien aufbauen. Danach ertappt der Prof. seine Schüler, wie sie in das anrüchige Lokal "Der blaue Engel" gehen und folgt ihnen. Darin unterliegt er dann, nach einiger Zeit, dem Charme der feschen Lola und wieder gibt es einige angenehme Schmunzler, wenn der eigentlich gestrenge Professor ganz verschmitzt, auf die Streicheleinheiten Lolas reagiert. Erst als er sie gleich am nächsten Tag heiratet und nach und nach nur noch zum Spielball von Lola und ihren Partnern wird, bemerkt der Zuschauer die tiefe Dramatik, die eigentlich in dem ganzen Treiben steckt. Es ist schlicht und einfach schrecklich mit anzusehen, wie aus einem hohen angesehen Bürger, der sein Leben lang immer nach Recht und Ordnung strebte, im Laufe von nur wenigen Jahren, ein "dummer August" wird, dem sogar frische Eier an den Kopf geschlagen werden. Spätestens ab diesem Moment trauert man innerlich um den gefallenen Professor und verabscheut Lola, die zudem fremd geht, und Konsorten, für all ihre Bösartigkeiten. Selten gab es Filme zu betrachten, die solch einen Sinneswandel im Zuschauer auslösen. Erst begehrt man Lola, dann verachtet man sie, erst ist einem der gestrenge Professor, trotz Sympathien, eher ein wenig, na sagen wir mal, unheimlich, bevor man fast um ihn weinen möchte. Ich jedenfalls musste doch tüchtig mit mir kämpfen, nicht loszuheulen, als das bittere Ende über mich hereinströmte.
Zum phänomenalen Drehbuch gesellt sich dann auch noch eine wahrlich meisterhafte Inszenierung. Mit einem Budget von (damals) beachtlichen 2 Millionen Reichsmark, inszenierte der, damals recht angeschlagene, UFA-Konzern, 3 Monate lang ein gar pompöses Werk, sonders gleichen. Wunderbare Kostüme, genauso schillernde (Das Lokal) wie trostlose (Die Schule) Kulissen und der mächtige Aufwand den Film mit Ton zu drehen (damals war das noch bei weitem nicht so einfach wie heute), erschaffen dem Zuschauer eine gar meisterhafte Atmosphäre, in die er sich locker hineinversetzen kann. Dazu kommen dann noch die großartigen Musik-Kompositionen und hinreisende Melodien, die zwar heutzutage sicher jeden Hund vergraulen würden aber für damalige Zeiten einfach beachtlich und höchst stimmungsvoll waren. Allen voran natürlich "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt", mit dem Lola den Professor beziertst. Auch heute noch ein Evergreen!
Doch was wäre "Der blaue Engel" ohne seine brillanten Hauptdarsteller? Da wäre zum einen Emil Jannings, der seiner Figur, des beeinflussbaren Professors, wirklich mit absoluter Bravour bewältigt. Jannings schafft es, dass wirklich jeder Zuschauer mit ihm mitfühlen kann. Jannings ist übrigens auch der einzige Deutsche, der jemals mit einem Oscar in der Kategorie bester Hauptdarsteller gehrt wurde. Und zwar war das 1928 für "The Patriot" und "The last Command"! Und selbst wenn man diese beiden Filme nicht gesehen hat, so wird einem nach Ansicht des blauen Engels sofort klar, warum sich die damalige Oscar-Jury, so an ihm begeistert konnte.
Und dann natürlich noch Marlene Dietrich, einem unserer größten Hollywood-Sternchen ever! Die Dietrich, die hier der frechen und sallopen Lola, mit einer herrlichen "Berliner Schnauze", das Leben einhaucht, erlangte mit diesem Film absoluten Weltruhm. Vom Tellerwäscher zum Millionär sozusagen, wurde sie zu einer der angesagtesten Hollywood-Diven, die nicht aus Amerika stammen. Und auch bei ihr muss man sagen, dass man diese Tatsache voll und ganz verstehen kann, wenn man sie nur einmal in ihrer Paraderolle erleben durfte. Fast schon unglaublich, was für großartige Darsteller unser Land einmal hervorgebracht hat. Dagegen dürfte sich selbst unsere heutige "Creme de la Creme", noch eine gehörige Scheibe abschneiden!
Fazit: Ein absolut grandioses, filmisches Meisterwerk, welches wohl noch über viele Jahre hinweg, in den Herzen eines jeden wirklichen Cineasten leben dürfte. Eine absolut packende, tragische, anspruchsvolle und herzergreifende Geschichte, umgesetzt in ein meisterhaftes Drehbuch und durch eine pompöse Inszenierung und absolut brillanten Darstellern auf die Leinwand gebracht. Wer diesen filmischen Meilenstein nicht wenigstens einmal in seinem Leben gesehen hat, der darf sich sicher sein, dass sein filmisches Wissen nie und nimmer komplett sein wird. Ein absolutes Must-to-See, ohne wenn und aber!
Wertung: 10/10 Punkte