Deutschland Mitte der 80er: Das Leben des 19jährigen Schülers Karl Koch (August Diehl) gerät aus den Fugen, als sein verhasster Vater stirbt und ihm eine Erbschaft von 50.000 Mark hinterlässt. Davon mietet er sich eine Wohnung in Hannover. In dieser Zeit beginnt außerdem das Zeitalter der Computer, Karl ist fasziniert von den Möglichkeiten dieses Mediums und findet sich bald darauf in Chaträumen wieder. Sein Nickname ist Hagbard Celine, eine Figur aus Karls Lieblingsroman "Illuminatus". Er wird Mitglied im "Chaos-Computerclub" und macht sich als Hacker einen Namen. Als er beginnt, im Auftrag des KGB zu hacken und immer mehr Koks nimmt, ist der Absteig nicht mehr aufzuhalten...
"23 - Nichts ist so wie es scheint" ist ein Beispiel dafür, dass die Deutschen doch gute Filme machen können. Das gibt es zwar selten, aber dieser Film ist ein Glücksfall. Alleine die Story ist interessant, ich finde Verschwörungstheorien seit jeher spannend, auch wenn die meisten Unsinn sind. In diesem Fall geht es um die Illuminaten, ein Geheimbund, der laut Anhängerschaft die Welt im Untergrund regiert. Von diesen ist Karl Koch fasziniert, übrigens gab es ihn wirklich. Der gesamte Film beruht auf einer wahren Begebenheit, einem der spannendsten Kriminalfälle in der Geschichte der Bundesrepublik. Diesen schafft es Hans-Christian Schmid, Regisseur des Jugenddramas "Crazy", dem Zuschauer als unterhaltsamen Leckerbissen zu servieren.
Die Inszenierung wirkt sehr amerikanisch, also professionell. Der Schnitt, die Musik und vor allem die Schauspieler befinden sich auf hohem Niveau, allen voran August Diehl, der Karl Koch so glaubwürdig vermittelt, dass man richtig gut mit ihm leiden kann. Ein Highlight ist die Szene, in der er seinen besten Freund David umarmt und schluchzt: "Bleib für immer bei mir, du bist der Einzige, den ich habe!"
Da der echte Fall um Karl Koch und sein Verschwinden niemals aufgeklärt wurde, bekommt der Film noch eine gewisse mystische Aura verliehen. Einige Passagen wirken sehr geheimnisvoll, fast schon beängstigend, z.B. als Karl zum Schluss in einem Raum voll mit Zeitungsausschnitten steht. Übrigens ist der Film nicht nur ein toller Hochspannungsthriller, sondern auch eine bittersüße Schilderung des Erwachsenwerdens im Deutschland der 80er, als Zukunftsängste und autonome Grundhaltung die Jugend bestimmte. Computerfreaks, die seit den Commodore- und Atarizeiten dabei sind werden zudem viele Identifikationsfiguren finden.
Wenn man "23" eine Schwäche ankreiden will, dann ist es die, dass spätestens ab der Einlieferung Karls in eine Entzugsanstalt keine richtigen Fakten bzw. Verschwörungstheorien dargelegt werden. Gerade das hat den Film am Anfang so spannend gemacht. Viele Bezüge werden dann zum Ende hin nicht mehr geklärt, z.B. wie man Karl auf die Schliche kam hätte ich schon gerne gewusst. Dafür hätte man ein paar unnötig erscheinende Sequenzen weglassen können, wie etwa die Poolparty im Hotel.
Doch daran soll’s nun wirklich nicht scheitern, denn "23" gehört meiner Meinung nachlocker zu den fünf besten deutschen Filmen 1998. Ein spannender, gefühlvoller und ansprechender Thriller der hiermit vor allem denjenigen empfohlen ist, die immer noch Vorteile gegen deutsche Filme hegen (ich schließe mich da übrigens nicht aus). Überzeugend!