Es gibt ein paar Filme, da muß man wirklich besorgt sein, daß einem während des Konsums nicht das Essen wieder hochkommt. Interessanterweise sind das aber manchmal keine Kannibalen- oder Zombiereißer, sondern amerikanische Trändrüsendrücker.
Die wohl perfideste und ekelhafteste Variante in dieser Gattung seit langem stellt "Seite an Seite" dar, ein All-Star-Kitsch-Vehikel, das so berechnend, plakativ und penetrant ist, daß kein anderes Attribut als "scheiße" dafür in Frage kommt.
Die besondere Güte dieses "Dramas" liegt in der hohen Frequenz, mit der dieser tränenverquaste Müll auf uns niedergeht, und zwar von der ersten Minute an. Susan Sarandon und Ed Harris sind hier unsere Kandidaten für das geschiedene Ehepaar des Jahres, beide berufstätig, beide ordnungsgemäß im Wechsel für die Kinder da. Aber Daddy Ed hat sich schon eine Neue gegriffen und die spielt, und hier muß man schon krampfhaft schlucken, Julia Roberts, die sich nicht gerade durch ihre Betroffenheitsfilme für die Rolle empfohlen hat.
Tante Julia ist meistens fröhlich, aber noch viel viel berufstätiger und obwohl sie die Kinder in Kauf nimmt und sich bemüht, wollte sie doch eigentlich keine. Ja, wen wunderts, wenn ihr die dicken Brocken in epischer Filmlänge um die Ohren fliegen.
Kennzeichen von "Seite an Seite" ist die Tatsache, daß im ganzen Film kein einziger Satz gesprochen wird, der einen vernünftigen Menschen (sogar einen, der einen Hang zu Schnulzen hat) nicht vor Schmerzen aufschreien lassen würde.
Die Story liest sich dann auch nach Schema F. Mutti Sarandon hat ihre Kiddies (eins zwölf, eins um die sieben Jahre alt) ganz toll lieb. Deswegen hetzt sie auch bei jeder passenden Bemerkung gegen Stiefmutti Julia, die das alles immer mit Betroffenheitsmiene einsteckt, obwohl wir alle wollen, daß sie Susan dafür die Jacketkronen geradebügelt. Daddy Ed ist sozusagen nie ganz da, obwohl er am allerwenigsten Zeit für die Kinder hat, wird an ihm kaum rumgenörgelt. Er ist aber auch ein mustergültig einsichtiger Businessmann, der wann auch immer die Vernunft walten läßt. Das heißt, für diesen Film können wir ihn vergessen.
Herrscht endlich mal zwei Minuten Ruhe im Puff, dann schießen die Bratzen quer. Der Siebenjährige ist mit seiner Zauberer-Macke sowieso in die Kategorie "Begrabt-das-Blag-endlich-im-Garten!" einzuordnen. Schneidet Grimassen wie ein Epileptiker auf Speed, wuselt rum, haut ab, wird aber nie verhauen. Ungerecht, sowas.
Noch viel schlimmer jedoch die pubertierende Dame. Ständig wütend will sie natürlich nix lieber, als die good ole family wieder zusammenbringen und wenns nicht läuft, dann schlagen die Türen. Miss Roberts versucht sich drehbuchgemäß aufs Unpassendste einzuschleimen (per Hundebaby !!!!!!!!!!), aber da wir es hier mit einem egoistischen und opportunistischen (und unsympathischen) Arschlochkind zu tun haben, können wir schon mal die Minuten zählen, bis sie "Du bist nicht meine Mutter!" sagt.
Hat bis dato jemand eine sympathische Figur entdeckt? Naja, vielleicht Ede Harris, der alles tut, um möglichst wenig gesehen zu werden.
Natürlich macht Tante Julia auch weiterhin alles falsch, sie kommt zu spät, die Kinder warten, die Kinder langweilen sich, die Kinder gehen verloren. Ja, so lautet die Botschaft wohl, was hat sie als zukünftige Stiefmutti auch noch dem American Dream von der Selbstverwirklichung nachzugehen und als Fotografin zu arbeiten, wo sie doch hinterm Ofen schon Windeln stricken könnte (oder Gameboys).
Die böse Mami (Oder ist sie die Gute? Mir doch egal!) hetzt natürlich wie die wilde Sau, droht mit Anwalt und Unterlassungsklage und ist in etwa so herablassend wie die NS-Richter zu den lieben Angeklagten.
Wer dennoch das Essen drinbehält, geht in die zweite schwere Runde, als Susi dann Krebs bekommt und Onkel Ed die Julie heiraten möchte. Volle Dröhnung Gefühlsmühle. Die Familie geht in Arsch, die Kinder bekommen Panik und Stiefmom Julia sieht plötzlich gar nicht so schlecht aus. In diese Phase fällt auch noch der absolute Tiefpunkt des Films, wenn Töchterlein im spontanen Pickelamok ihre Mutter verbal wegputzt, weil diese es ja nun bald wagt, aus dem Leben zu scheiden. Wer sich danach in Krämpfen windet, bekommt den Rest drei Minuten später, wenn alles wieder gut ist. Woran man das merken kann? Mutti, Tochti und Sohni tanzen gemeinsam zu "Ain't no Mountain high enough" (oder etwas ähnlichem) durchs Häusle und singen in den Fön...
Noch so eine Angewohnheit dieses Streifens: andauernde Gefühlswechsel! Sobald Susan ihren Krebs hat, fliegen die Emotions im Minutentakt. Mal sind wir nett, dann rührselig, dann verständig, dann regen wir uns wieder auf, eine kleine Haßtirade, worauf es wieder lustig wird. Nur ich finde das gar nicht lustig. Ich fühle mich eher mißbraucht.
Kaum zu erwähnen dabei noch, daß Julia natürlich ihren Foto-Posten bald sausen läßt, nachdem die Kinder sie auf einmal richtig doll liebgewonnen haben und der Job ja sooo hart und zeitintensiv ist. Dazu mußte sie sich die Kinderherzen natürlich zentimeterweise erkämpfen und auch 10 Minuten vor Schluß, als Susans Kampf mit dem Krebs bereits in die 10.Runde geht, gibt sie der jungen Unwissenden noch verbal was in die Schnauze, obwohl vorher alles happy war...
Verblüffend dabei, daß uns Regisseur Chris Columbus (der hier definitiv am Tiefpunkt seiner Karriere angelangt war), den träntriefenden Todesszenenschluß vorenthält, während es sonst volle Elle durch die Nervenmühle ging. Stattdessen sitzen alle beim Familienfoto und Susan legt Julia mal tapfer die Hand auf die Schulter.
Willkommen in der Familie - jetzt muß ich aber wirklich kotzen.
Wie gesagt, dieser Film ist geeignet, jeden geistig aktiven Menschen permanent schreiend durchs Fernsehzimmer rollen zu lassen. Das erwarte ich sogar von den Schmonzettenjüngern, die sonst Rosamunde Pilcher lesen und schauen. Zeigt mir ein schlechteres "Emotional Drama", ich bin jetzt auf alles gefaßt.
Six Feet under Bodensatz mit einem dicken Aaaaaaaaaaaargh! (1/10)