Dass man nicht zwangsläufig Japaner sein muss, um die Grundlage für eine gelungene Anime-Produktion zu liefern, beweisen die beiden Koreaner Lim Dall-young und Park Sung-woo, deren Manga „Black God“ (jap. Kurokami) vom japanischen Animationsstudio SUNRISE unter dem Namen Kurokami: The Animation adaptiert wurde.
Den Grundpfeiler der hier erzählten Geschichte bildet das Doppelliner-System. Es „spaltet“ das Tera, die (spirituelle) Lebenskraft eines Menschen, bei seiner Geburt und verteilt es willkürlich auf drei identisch aussehende Personen. Die Person, die das meiste Tera für sich beanspruchen kann, wird Root genannt, die anderen beiden sind nur Kopien des Root. Die meisten Menschen haben keine Kenntnis von diesem System, genauso wenig von der Existenz ihrer Doppelgänger, daher ist es ihnen auch möglich, ein ganz normales Leben zu führen. Zumindest solange bis sie, zufällig oder geplant, mit einem Doppelgänger konfrontiert werden. Sollte eine Kopie ihrem Root begegnen, stirbt die Kopie aufgrund des geringeren Teras. Es stellt sich allerdings die Frage, was passieren würde, wenn sich die beiden Kopien über den Weg laufen. Anders ausgedrückt: Es ist unklar, ob ein als Kopie geborener Mensch die zumindest theoretische Chance hätte, selbst irgendwann zum Root „aufzusteigen“ und damit auch die Möglichkeit, sein Schicksal mehr oder weniger selbst zu bestimmen. Da dieser Sachverhalt im Anime leider nicht explizit angesprochen wurde bzw. sich auf verschlungenem Wege meiner Wahrnehmung entzog, bin ich mir eigentlich nur in einer Sache sicher: Es ist besser, Root zu sein…
Das merkt man bereits am Ende der ersten Episode, hier wird man als Zuschauer von der Grausamkeit des Systems, ähem, regelrecht überrollt. Ziemlich hartes Brett. Es bleibt jedoch die einzige, direkt vom Anime forcierte Szene, die zielgerichtet versucht, Wut auf dieses Doppelgänger-Elend zu erzeugen.
Hauptcharakter Keita führt ein recht zurückgezogenes Leben. Nachdem er bereits seine Mutter und einen guten Freund verloren hat, meidet er weitestgehend soziale Kontakte, befürchtet er doch, dass er das Schicksal anderer, liebgewonnener Menschen negativ beeinflussen könnte. Die einzige, die seine selbstauferlegte Isolationswilligkeit durchbrechen kann ist eigentlich nur Jugendfreundin Akane, die stets um sein leibliches Wohl besorgt ist und insgeheim auch romantische Gefühle für ihn hegt. Keitas Leben wird sich allerdings grundlegend ändern als er auf Kuro trifft. Als Mototsumitama ist es ihre Aufgabe, die Verteilung des Tera innerhalb des Doppelliner-Systems zu überwachen. Die ständig hungrige Kuro mit ihrem kleinen Begleiter, Hündchen Punipuni, entpuppt sich als echte Kampfmaschine. Sie hat ein erwartungsgemäß niedliches Erscheinungsbild und ihre Charaktereigenschaften erfüllen sowieso sämtliche Voraussetzungen, die Sympathie beim Zuschauer zu wecken. Das ist auch nötig, da Keita irgendwie zu wenig Charisma versprüht, um als zweiter Leading-Part des Anime punkten zu können. Dafür kann Kurokami dann wieder mit teilweise exzellenten Nebenrollen glänzen. Mein Favorit: Excel, die als Bündnispartnerin von Mototsumitama Steiner nach Japan gereist ist, um Störungen im Tera-Gleichgewicht zu untersuchen. Auch Reishin, der Grund für Kuros Aufenthalt bei den Menschen, wurde sehr gut herausgearbeitet und weiß nicht nur durch eine geheimnisvolle, düstere Aura sondern auch durch mächtige Kampffertigkeiten zu überzeugen. Namu, die Geschichtsschreiberin hat erst ziemlich spät ihren ersten Auftritt, ist aber neben Kuro eine der wenigen Personen, der man ein paar (gelungene) Gags spendierte. Den Preis für die witzigste Szene vergebe ich aber trotzdem an Punipuni…
Ungeachtet der ordentlichen und überwiegend spannenden Story liegt das Hauptaugenmerk von Kurokami allerdings eindeutig bei deftigen Martial-Arts-Kloppereien, aufgepeppt durch das ein oder andere fantastische Element. Die Fights sind in der Regel abwechslungsreich und sehr gut animiert. Was recht früh auffällt, ist der relativ hohe Gewaltfaktor (nicht nur auf Kämpfe bezogen). Gerade die eher zierliche Kuro muss hier in den zumindest anfänglich ziemlich brutalen und blutigen Fights immer wieder knüppelharte Schläge, Tritte und was sonst noch so geht, einstecken. Was die Kämpfe allerdings erst besonders macht, ist die Möglichkeit der Synchronisation von Mototsumitama und Bündnispartner. Hierbei fungiert der BP als Supporter, er verbindet sein eigenes Tera mit dem des Mototsumitama. Durch diese erhöhte Tera-Konzentration ist es möglich, mächtige Spezialattacken, Exceed genannt, einzusetzen. Diese Exceeds sind meistens überaus kreativ und bilden normalerweise den Höhepunkt des Kampfes. Auf Dauer ziemlich nervig fand ich die ewig gleichen Animationen, die jede Synchro und jeden Exceed einleiten. Bei Leuten, die man nicht oft kämpfen sieht, konnte ich das verschmerzen. Bei Keita und Kuro hätte ich das nach einer Weile allerdings lieber abgestellt.
Bis etwa zur Hälfte der 23 Folgen würde ich die Serie eher als mittelmäßig einstufen. Die Story ist bis dahin ok, die Kämpfe sind reizvoll aber auch nicht wirklich spektakulär. In der zweiten Hälfte gibt Kurokami dann aber ordentlich Gas. Das fällt erstmal schon durch das bessere, weil passendere, Metal-Opening „Trance“ auf (wobei der erste Song auch nicht schlecht war). Die Geschichte verblüfft mit einigen überaschenden Wendungen, inklusive sehr reizvollen neuen Bündnissen. Die Kämpfe haben etwas von ihrer Brutalität verloren, sind dafür aber um einiges spannender und auch taktischer. Kuro, die aus meiner Sicht bis hierhin eher halbherzig kämpfte, dreht jetzt ordentlich auf. Der (zugegeben sehr subjektive) Eindruck entsteht, als ob sie ihren Exceed jetzt erst mit der nötigen Portion Herz dahinter einsetzt, und später rockt ihr Special dann aber mal sowieso alles weg…
Wenn sich Kuros japanische Synchronstimme beim Ankündigen der Attacke die Seele aus dem Leib schreit ist es nun eine wahre Freude! Da der Anime also erst in den späteren Episoden sein volles Potential entfaltet, ist unter Umständen etwas Geduld gefragt.
Kurokami ist ein Fighting-Anime mit interessanter Geschichte, der vielleicht im Mittelteil etwas schwächelt, nach dieser kleinen Durststrecke aber mit jeder Folge besser wird, um letztlich nach dem furiosen Final-Fight mit einem wirklich gelungenen Ende überzeugt. Dieses sollte man auch unbedingt abwarten, bevor man sich ein abschließendes, faires Urteil erlaubt, denn dieses hat Kurokami allemal verdient…
7,5 Punkte