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Zuerst einmal muss ich gestehen, dass ich das spanische Original OPEN YOUR EYES nicht kenne. Ich kann daher keine Vergleiche ziehen zwischen den beiden Filmen und auch nicht beurteilen, inwiefern Cameron Crowe "originell" vorgegangen ist. Die Tatsache allerdings, dass Crowe selbst zugibt, die wichtigsten Elemente aus dem Original übernommen zu haben, und dass dessen Regisseur Alejandro Amenábar mit dem Remake sehr zufrieden ist und Crowe sogar zu einigen gelungenen Einfällen gratulierte, lassen schon vermuten, dass es sich hier nicht um ein typisch dahergelaufenes Hollywood-Remake handelt. Dazu ist auch die Grundstory schon viel zu seltsam:

Wir machen Bekanntschaft mit dem stinkreichen Yuppie David Aames (überzeugend und teils sehr intensiv: Tom Cruise), dessen Leben der wahr gewordene Traum eines jeden Kleinbürgers zu sein scheint: Geld ohne Ende, Cameron Diaz als willige Geliebte, dazu noch ein Freund (hervorragend: Jason Lee), der sogar zu ihm steht, wenn David ihm seine Traummädchen ausspannt. Dann lernt er auch noch sein Traummädchen Sofia (Penelope Cruz, die dieselbe Rolle schon im Original spielte) kennen und alles scheint perfekt, wäre da nicht seine eifersüchtige Geliebte...

Bis hierhin klingt ja alles sehr nach der traditionellen Hollywood-Dreiecks-Lovestory, wäre da nicht das Motiv des Träumens, das in surrealen Komponenten wie dem menschenleeren Time Square gleich zu Beginn sehr früh eingebaut wird und sich so schnell als das Leitmotiv des Films outet. Von hieraus schlägt VANILLA SKY aber (für Nicht-Kenner des Originals) gänzlich überraschende Wendung in scheinbar mehrere Richtungen gleichzeitig ein:

Zunächst wird David jäh aus seiner heilen Welt gerissen: Seine gehörnte Geliebte verwickelt ihn in einen Unfall, der sein makelloses Gesicht verunstaltet. Im Anschluss scheint er das Sagen in seiner Firma, seine Selbstachtung, seine Freunde und sogar seine große Liebe zu verlieren. Doch wie durch ein Wunder scheint sich alles noch zum Guten zu wandeln. Sofia hält auch trotz des entstellten Gesichts zu ihm und bald kann dieses auch wieder gerichtet werden.

Bis hierhin wahrt der Film einen halbwegs chronologischen Aufbau und verläuft in fassbaren Dimensionen. Allerdings wird durch die Erzählung in Rückblenden aus Sicht einer Gefängniszelle, in der David dem Psychologen McCabe seine Geschichte beichtet, schon früh vorweggenommen, dass hier noch bittere Umstände eintreten werden. Dennoch schlägt der Film sehr überraschend in ein erst verwirrendes Puzzle aus realen und surrealen Sequenzen um, das David (und den Zuschauer) zunehmend verstört und ihm (und uns) an seinem Verstand zweifeln lässt.

Das wirklich beeindruckende an VANILLA SKY ist sicherlich die Verbindung völlig unterschiedlicher Genres zu einem doch in sich geschlossenen Ganzen. Schon früh werden wir mit einer gewissen futuristischen Komponente im Film bekannt gemacht (der ausfahrbare Fernseher oder auch das Hologramm), die dann einer erst seichten Love Story Platz macht, welche sich zunehmend in einen Psychothriller steigert und dann Züge eines Science-Fiction-Films annimmt. Schade, dass es sich bei all dem um keine Originalidee handelt, sonst könnte von VANILLA SKY mit recht von einem der besten Hollywood-Filme der letzten Jahre geredet werden.

Aber Remake hin, Hommage her, lässt man diesen Aspekt mal außer acht, ist Crowe's Neufassung immer noch ein hervorragender Film, nicht zuletzt Dank des Talentes des Regisseurs. Besonders für Filmfreunde, die gerne auf Details und Hinweise in Filmen achten, bietet VANILLA SKY viel zu entdecken. Das fängt schon bei Cruises Rollennamen Aames an. Dieser klingt nämlich wie "aims" (Ziele), und eine der zentralen Fragen des Films ist die nach Davids eigentlichem Ziel im Leben, was es ist, was er wirklich will. Neben diesen Namensspielereien, die ja fast Standard sind, gibt es aber noch viel mehr Kleinigkeiten und Details, die garantiert niemand beim ersten Sehen bemerkt. Da empfiehlt es sich besonders, mal in den sehr informativen Audiokommentar von Crowe auf der DVD reinzuhören (in dem Crowe ständig bei Leuten aus der Crew, unter anderem auch Tom Cruise, anruft).

Ein Punkt, der auch mir beim ersten Sehen negativ auffiel, ist der Schluss. Nicht weil er so überraschend kommt (man wird als Zuschauer eher langsam und wirklich hervorragend darauf vorbereitet, ohne jedoch die komplette Tragweite erahnen zu können), sondern weil mir schon alles zu genau erklärt wurde. Am Ende scheint alles wie in einem klassischen Krimi schön ordentlich in den richtigen Kontext geordnet zu werden. Die allgemeingültige Wahrheit scheint einem hier hollywoodtypisch mit dem Holzhammer eingeprügelt zu werden. Sieht man ihn sich dann noch mal an, entdeckt man aber noch viele Dinge, die man auch ganz anders verstehen kann, und hört man sich dann Crowe's Kommentar an, der allein 5 (!!) verschiedene Interpretationsansätze für den Film offenbart (und es gibt tatsächlich noch weitaus mehr...), ahnt man erst von der Komplexität dieser Story. Man sollte sich daher auch unbedingt die Original-Tonspur des Films anhören, denn viele kleine Details gingen in der auch sonst eher mittelmäßigen Synchro verloren. Beispielsweise wurde in der deutschen Fassung oft fälschlicherweise verstanden, dass die stimme, die am Ende "Open your Eyes" sagt, die von Cameron Diaz sein. In Wahrheit ist es weder die von Diaz noch die von Cruz, sondern von einer anderen Schauspielerin, die sich aber wiederum sehr nach den beiden anhört. Ein wirklich genialer Einfall, der wirklich jedem selbst überlässt, wie er das Ende verstehen will.

Gerade das ist ja auch das faszinierende an VANILLA SKY: Zum einen werden hier klassische Hollywood-Elemente eingebaut: große Stars, romantische Liebe, eine äußerst feinfühlige Regie, die sich bestens mit der bis in kleinste Nebenrollen hervorragenden Besetzung ergänzt und das ungewöhnliche Ende auch wieder einfach nur schön sein lässt. Auf der anderen Seite wird hier auch dem Filmkenner und -entdecker viel Tiefgang geboten. Hier wurde Mainstreamkino mit Anspruch in einer Weise präsentiert, wie ich sie mir in Hollywood öfter wünschen würde. Man merkt schon, dass Crowe hier nicht einfach ein kommerziell einschlägiges Remake runterkurbeln wollte, sondern wirklich viel von seinem Herzblut in dieses Projekt geflossen ist.

Unbedingt Erwähnung sollte auch der Soundtrack finden, der weniger durch den klassischen Orchesterscore glänzt als durch eine wirklich kongeniale Auswahl von treffenden Songs, die allein schon wirklich toll klingen und dann auch noch jede Szene perfekt untermauern. Zu hören gibt es unter anderem Radiohead, R.E.M. und Sigur Ros (allein schon durch diese drei Bands, die alle mehrfach auf dem Soundtrack auftauchen, beweist der Regisseur sein Musikverständnis) sowie Underworld's legendären Track "REZ" in der Clusequenz. Jeder, der diesen Track schon mal live im Club gehört hat, kann nachvollziehen, wie sich Cruise in dieser Szene in der Menge treiben lässt.

Was mich dann noch etwas überrascht hat, ist mal wieder die deutsche Altersfreigabe (FSK 16), da ich wirklich keine Szene finden konnte, die dieses Zertifikat rechtfertigt. Vielleicht traut die FSK unter 16-jährigen nicht genügend Denkpotential für diesen Film zu, was ich, wäre ich ein Betroffener, als herbe staatliche Beleidigung auffassen würde. Egal.

Letztendlich kann man von die hollywoodschen Ideen-Aufkoch-Mentalität ( von der ich in der Regel auch nicht wirklich begeistert bin) ja halten, was man will - ich habe da nur manchmal den Eindruck, dass einige als Kenner des Originals dem Remake von vornherein keine Chance geben wollen. VANILLA SKY jedenfalls ist meiner Ansicht nach ein äußerst ansehnlicher Film, (zumindest) für alle, die das Original nicht kennen. Selbst wenn man Ideenklau mal abzieht, bleibt unterm Strich noch eine großartige Regie- und Darstellerleistung und ein phantastischer Soundtrack fern vom Pop-Mainstream. Ansehen und selber urteilen.

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