Review

Tom Cruise spielt einen reichen Verlagsbesitzer, der schließlich seine wahre Liebe gefunden zu haben glaubt, gespielt von Penelope Cruz. Seine Ex, gespielt von Cameron Diaz, rast mit ihm daraufhin in einer Kurzschlussreaktion von einer Brücke. Cruise ist von da an entstellt und nur noch ein seelisches Wrack, bis er sich schließlich als Mörder im Gefängnis wieder findet und von einem Psychologen, gespielt von Kurt Russel, verhört wird.

Zunächst einmal der Hinweis: Wer die Trailer gesehen hat und sich einen Liebesfilm um die Dreiecksbeziehung Cruise/Diaz/Cruz erhofft, sollte sich lieber noch einmal "Pretty Woman" ansehen und die Finger von dem Film lassen und wer das spanische Original "Virtual Nightmare" gesehen hat, könnte stark enttäuscht werden, wobei mir persönlich das Hollywood-Ramake noch besser als das spanische Original gefällt.

Die Story ist im Groben ähnlich wie die des Originals, nur, dass hier andere Schwerpunkte gesetzt werden. Beim Original lag der Schwerpunkt nämlich hauptsächlich beim fantastischen, beim undurchsichtigen, beim mysteriösen Teil des Films, bei "Vanilla Sly" sind es hingegen die zwischenmenschlichen Beziehungen der Hauptfigur, die Affäre mit Diaz, die Beziehung zu Cruz, die Freundschaft zu Jason Lee, die den Film füllen. In der ersten Hälfte ist "Vanilla Sky" ein eher mäßig unterhaltsames Liebesdrama mit einer soliden Charakterkonstruktion und unzähligen mehr oder weniger romantischen Momenten. Man könnte jetzt durchaus den Einwand erheben, dass sich Cameron Crowe so auf Nebenschauplätzen verirrt und der Film erst in der zweiten Hälfte sein Potential ausschöpft, aber allein die Idee den durchschnittlichen Liebesfilm urplötzlich in einen der innovativsten und undurchsichtigsten Psycho-Thriller der letzten Jahre münden zu lassen ist das Ansehen schon wert und ich würde jedem empfehlen, das Remake vor dem Original zu schauen, denn bei letzterem merkt man sofort, dass es sich um einen Thriller handelt.

Nach der ersten Hälfte, die vor allem der Charakterkonstruktion dienlich ist und nur seichte Unterhaltung bietet, ist es in der zweiten Hälfte der brilliante Plot, der herausragende Unterhaltung garantiert. Es gibt nur wenige Thriller, die ein solches Potential haben, um den Zuschauer bis zum Schluss im Dunkeln tappen zu lassen, bis sie schließlich mit einer brillianten, schockierenden, denkwürdigen, beinahe philosophischen finalen Wendung daherkommen, die allein schon das Ansehen des Films wert ist. Vorwegnehmen möchte ich aber nichts, nur so viel: Das Ende verstört und liefert einige Denkansätze und ist vielschichtiger, als es auf den ersten Blick zu sein scheint.

"Virtual Nightmare" überzeugte zudem durch eine düstere Atmosphäre, aber auch diese kommt bei "Vanilla Sky" erst im letzten Drittel auf, da sich Cameron Crowe für eine unausgewogene und gewöhnungsbedürftige Inszenierung entscheidet, die aber dennoch überzeugt. Statt düsterer und gespannter Klänge entscheidet sich Crowe für Popmusik, die sicherlich hervorragend gewählt ist und darüber hinaus für helle, sehenswerte Großstadtkulissen, die perfekt eingefangen werden und für eine berauschende und surreale Optik sorgen, statt für dreckige Gassen, mit denen er eine wesentlich dichtere Atmosphäre hätte erreichen können. Man merkt deutlich den Versuch, einem 1:1-Remake zu entgehen und eigene Ideen einfließen zu lassen, aber, auch wenn es Crowe hier teilweise mit der Inszenierung, die genauso gut die einer Komödie sein könnte, übertriebt, passt es dennoch in den Film, da dieser so noch distanzierter, merkwürdiger und surrealer wirkt, als er sowieso schon ist. Crowe baut sich eine heitere und helle Alptraumwelt und hat damit durchaus Erfolg.

Narrativ gibt es überhaupt keine Mängel. Das Tempo ist die ganze Zeit über ruhig und bedächtig, sämtliche Wendungen werden mit Ruhe vorbereitet und überraschend serviert und, auch wenn es den einen oder anderen Hinweis auf den Ausgang des Films gibt, ist Crowe dem Zuschauer doch immer einen Schritt voraus und lässt diesen in seinem Gewirr aus paranoiden Zuständen und Zeitsprüngen zwischen den Ereignissen und dem Verhör von Cruise im Dunkeln tappen. Nach "Jerry Maguire" und "Almost Famous" zeigt Crowe damit erneut, dass er ein wirklich guter Regisseur ist, was man hier allein schon an der visuell und musikalisch überzeugenden Inszenierung sehen kann und überzeugt mit diesem einzigartigen Film, der sich mit keinem anderen Werk auch nur im Ansatz vergleichen lässt.

Auch der Cast ist ein Punkt, der für das Remake spricht.
Penelope Cruz darf hier dieselbe Rolle wie im Original spielen und löst sie auch ein zweites Mal ziemlich gut, zumal sie mit ihrer charmanten und liebenswerten Art hervorragend in der Rolle untergebracht ist. Tom Cruise spielt den Lebemann, der sich zunehmend in ein seelisches Wrack verwandelt, hervorragend und meistert sowohl emotionale und romantische, als auch spannende Momente und zeigt einmal mehr, dass er neben seinen Sunnyboy-Rollen auch in Charakterrollen glänzen kann. Cameron Diaz ist als unberechenbare und eifersüchtige Psychopathin ganz gut besetzt und wird zum Ende hin richtig furchteinflössend, eine ganz ungewohnte Rolle für Hollywoods Sonnenschein also, die sie aber gut löst. Der übrige Cast ist ebenfalls rundum stark besetzt und lässt keine Wünsche offen, ob Jason Lee als sympathischer bester Freund von Tom Cruise oder Kurt Russell als väterlicher Psychologe, alle können sie überzeugen.

Fazit:
Die erste Hälfte, die eher an einen Liebesfilm erinnert, die gut gewählte Popmusik und die hellen, visuell hervorragenden Großstadtaufnahmen mögen nicht so recht in den Psycho-Thriller passen, verstärken aber den surrealen Eindruck, den der Film hinterlässt und sorgen für noch mehr Überraschungen. Zusammen mit dem hervorragenden Cast, dem wendungsreichen, unvorhersehbaren und vielschichtigen Plot und dem verstörenden Finale ergibt sich so einer der innovativsten Psycho-Thriller der letzten Jahre, der sogar sein starkes spanisches Original übertrifft. Unbedingt ansehen!

92%

Details
Ähnliche Filme