Sandrine Bonnaire spielt Sophie, eine in sich gekehrte Haushälterin, die bei einer reichen Familie mit zwei Kindern eine Stelle antritt. Sie wohnt im Haus der Familie, vor der sie sowohl ihre Vergangenheit, als auch ihren Analphabetismus geheim hält, beschäftigt sich hauptsächlich mit dem TV-Programm, freundet sich schließlich aber mit der Postbeamtin des benachbarten Ortes an. Die wiederum hält nicht viel von der großbürgerlichen Familie, öffnet heimlich deren Post und erfreut sich an jedem Kratzer an der heilen Fassade der Schönen und Reichen. Diese spezielle Freundschaft führt zwangsläufig zum offenen Konflikt mit Sophies Arbeitgebern.
„Biester“ ist in erster Linie ganz Produkt seines Machers Claude Chabrol. Der große Regisseur des französischen Kinos verarbeitet wieder seine üblichen Hauptmotive, wenngleich die literarische Vorlage des Films nicht von Chabrol selbst, sondern von Ruth Rendell stammt, deren Roman „Urteil in Stein“ 1977 erschien und 1986 bereits unter dem deutschen Titel „Blutiger Engel“ in den USA verfilmt worden war. Chabrol thematisiert vor allem in der ersten Filmhälfte, wie so oft, die heile Fassade der gutbürgerlichen Gesellschaft, hinter der sich unter anderem negative Vorurteile gegen die weniger gut Gestellten verbergen. Das kommt vor allem dann sehr gelungen zur Geltung, wenn sich die Mitglieder der Familie über ihre Haushälterin unterhalten, als wäre sie eine Mischung aus Leibeigener und Haustier, wenn sie gar versuchen, ihr Privatleben zu kontrollieren.
Dumm nur, dass sich Chabrol dann mit zunehmender Laufzeit auf die Seite der Eliten stellt, während er die Haushälterin und vor allem die Postbeamtin zunehmend in ein schlechtes Licht rückt. Spätestens dann, wenn die Hintergründe des Todesfalls, bei dem die 4jährige Tochter der Postbeamtin ums Leben kam, schließlich aufgeklärt werden, bedient sich Chabrol selbst einiger widerlicher Klischees. Das kann man sehr kritisch sehen und dem französischen Regisseur, der wohl selbst zu ebenjener Oberschicht zu zählen ist, als Inkonsequenz anlasten, oder aber als überraschende Wendung werten, die den Film eine ganz andere Richtung einschlagen lässt. Diesen neuen Weg geht Chabrol jedenfalls mit aller Konsequenz zu Ende und lässt seinen Film in einem Showdown gipfeln, der durchaus eine bleibende Wirkung hinterlässt. Wer Chabrols schwarzen Humor, seine Liebe für unausweichliche, eskalierende Konfrontationen nicht kennt, dürfte am Ende noch stärker überrascht werden, das Finale verfehlt aber auch so seinen Effekt keineswegs.
Insgesamt lassen sich also einige Fehler finden, wenn man sie denn sucht, zumal Chabrols Werk, das ja immerhin in den 90ern erschienen ist, stellenweise etwas antiquierter anmutet, als es eigentlich ist, wenn beispielsweise Röhrenfernseher oder Kassettenrekorder als Wunderwerke der Technik gefeiert werden. Auch die Szene, in der die Familie zum Glas Wein auf der Couch gemeinsam eine Oper schaut, wirkt doch sehr klischeehaft und aus der Zeit gefallen, womit sie bezeugt, dass sich der damals 65jährige Chabrol bei der Modernisierung des Stoffs sichtlich schwer getan hat. Dennoch unterhält „Biester“ sehr gelungen, weil der Film dramaturgisch schlüssig aufgebaut und jederzeit perfekt getaktet ist. Der Spannungsbogen ist stringent und auch die Darsteller überzeugen auf ganzer Linie, besonders natürlich Sandrine Bonnaire, deren anfängliche Verschlossenheit urplötzlich einer erschreckenden emotionalen Kälte weicht.
Fazit:
Letztlich ist „Biester“ ein unterhaltsames, gut gespieltes sowie stringent erzähltes Drama, das mit seiner anfänglichen Gesellschaftskritik und dem schwer verdaulichen Showdown punktet, inhaltlich aber über einige gelungene Ansätze nicht hinauskommt. Chabrol hat die Eliten schon hintergründiger kritisiert, zumal er sich hier letztendlich auf deren Seite schlägt. Zudem erscheint das Geschehen mitunter etwas klischeehaft und antiquiert. Nichtsdestotrotz ein insgesamt sehenswerter Film.
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