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„Dir brennt wohl der Kittel, was?!“

Nach den Kommissaren Trimmel (Hamburg), Liersdahl (Saarbrücken) und Kressin (Kölner Zoll) führte der vierte Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Fernsehkrimireihe „Tatort“ Kommissar Eugen Lutz (Werner Schumacher, „Der Hauptmann von Köpenick“) ein, der von 1971 bis 1986 im Südwesten der Bundesrepublik ermittelte. Sein erster Einsatz fand in Mannheim statt, wo er sich nach einem Drehbuch Leonie Ossowskis und Gunther Solowjews unter der Regie Theo Mezgers („Der Fall Liebknecht-Luxemburg“) eines Kriminaldramas anzunehmen hatte. Mezger sollte im Laufe seiner Karriere noch 15 weitere „Tatort“-Episoden inszenieren. Mit nur rund 70 Minuten Laufzeit handelt es sich um einen der kürzesten "Tatorte".

„Einen auf Polizeispesen!“

Matrose Huberts (Peter Weis, „Die Räuber“) Schiff legt am Mannheimer Hafen an. Mit Lohn und einem Vorschuss begibt sich Hubert auf Landgang. So richtig ist der Job eigentlich nichts für ihn, er möchte lieber sesshaft werden. Dazu gehört auch eine feste Freundin, die er in Milly (Irmgard Riessen, „Die Engel von St. Pauli“), einer Animierdame in der Cha-Cha-Cha-Bar, gefunden zu haben glaubt. Dabei ahnt der leichtgläubige junge Mann jedoch nicht, dass Milly ihn lediglich von Berufswegen becirct, wie sie es im Team mit ihren Kolleginnen mit allen Gästen tut, um die sündhaft teuren Getränke an den Mann zu bringen. Nach einer feierlichen Nacht in der Bar, die aufs Huberts Kosten ging, zieht Milly ohne Hubert ab und lässt ihn verdattert und enttäuscht zurück. Ernüchterung macht sich breit, die zu Frust und Wut wird. Im Vorbeigehen stiehlt er ein Jagdmesser, mit dem er später einen Passanten (Erwin Geisler, „Bel Ami“) erstechen wird, der ihn verfolgt, nachdem er den Hund eines gassigehenden älteren Ehepaars getreten hat. Ein Fall für Kommissar Lutz, der nach dem Flüchtigen fahndet und sich selbst ein Bild von der Situation, u.a. in der Cha-Cha-Cha-Bar, macht…

Der „Tatort“ eröffnet unmittelbar mit der Verfolgungsszene und dem Gerangel auf der Straße, aus dem heraus Hubert den tödlichen Stich verübt. Ein Voice-over-Sprecher erklärt kurz, wer das Opfer war – den Täter lernt man fortan in einer rund 40-minütigen Rückblende kennen, die mit zwei zankenden jungen Männern auf einem Boot beginnt. Einer von ihnen ist Hubert, der sich auf seinen Landgang freut und mit seinem Job hadert. Nach den frustrierenden Ereignissen, aber noch vor der im Affekt verübten Tat schlägt er in den frühen Morgenstunden Zeit im Bahnhofswartesaal tot, stromert durchs morgendliche Mannheim und legt sich auf einer Parkbank schlafen. Diese Sequenzen zählen zu den stärksten dieses „Tatorts“, drücken sie doch die Melancholie und die Enttäuschung nach einer durchzechten Nacht aus, wie man sie sicherlich selbst schon einmal empfunden hat – und sei es nur beim Ausnüchtern während des Wartens auf die erste Bahn, obwohl man eigentlich nur endlich nach Hause ins Bett wollte.

Bis hierhin ist eigentlich noch nicht viel passiert, doch Hubert trifft die falschen Entscheidungen und verrennt sich in seine fixe Idee, Milly könne dasselbe für ihn empfinden wie er für sie, statt seine Lehren zu ziehen und es dabei zu belassen. Es zieht ihn am späten Nachmittag sofort wieder ins Cha-Cha-Cha, wo er endgültig abblitzt. Jetzt erst wird Kommissar Lutz (zusammen mit Assistent Schroth, gespielt von Wolfgang Hepp) Teil dieser Episode, über den man jedoch noch recht wenig erfährt. Stattdessen erhält man Einblicke in klassische Polizeiarbeit mit Zeugenbefragungen vor Ort, Information der Witwe (Renate Pistor), Phantombilderstellung und Ähnlichem. Parallel dazu sieht man Hubert in einer Art Zeitschleife gefangen, denn ein weiteres Mal sucht er den Kontakt zu Milly, aber auch ein Eishockey-Spiel auf, was zu unerwarteten Stadionbildern führt. Dabei hätte er eigentlich längst an Bord seines Schiffsführers (Horst-Werner Loos, „Ein Toter stoppt den 8 Uhr 10“) zurückkehren müssen, dessen Vorschuss er bereits verjubelt hat. Am Ende hat Lutz dann gar nicht so viel zu tun, denn ein Missverständnis treibt Hubert direkt in dessen Arme.

Dieser atmosphärisch stimmige Fall warnt davor, auf Abzockläden hereinzufallen und sein Herz an „professionelle“ Damen zu verlieren, wenngleich es hier nicht im Prostitution im eigentlichen Sinne geht. Die Struktur dieses „Tatorts“ mit seiner ausgedehnten Rückblende, die Täter und „Motiv“ offenbart und erst danach die Polizei zuschaltet, ist ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig, hat aber ihren Reiz, allein schon, weil sie sich doch stark davon unterscheidet, wie sich die Reihe bis heute entwickelt hat. Die Kehrseite der Medaille ist, dass Kommissar Lutz in seinem Debüt unheimlich blass bleibt. Für viel mehr Irritationen sorgt jedoch das äußere Erscheinungsbild Huberts, der in einer Lack-Knickerbocker oder dergleichen herumrennt und sich dann noch wundert, dass Milly ihn lieber von Weitem sieht. In den Dialogen wird viel Dialekt gesprochen, sodass ich mehrmals ans Komikerduo Badesalz denken musste: „Du sprichst so komisch, fast Mannheimerisch!“ – „Ei, ich hatte die Fischvergiftung…“

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