Es ist immer schön zu sehen, wenn sich Regisseure von Independentproduktionen mit ihren fortschreitenden Werken qualitativ immer weiter steigern – US Filmer Brian Paulin ist hier ein gutes Beispiel. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Ryan Nicholson, dessen letzter Output Gutterballs leider hinter den „Erwartungen“, die man nach seinem miesen Hostel Verschnitt Live Feed hatte, zurück blieb, kann Paulin mit seinem vor kurzem in Eigenvertrieb veröffentlichtem Fetus den nach harten Horror lechzenden Amateurfreund weitaus mehr zufrieden stellen, als es Nicholson mit seiner platten 80er Jahre Slasherfilm Attitüde schaffte.
Fetus fängt da an, wo Inside aufhörte möchte ich fast sagen - eine gewagte These?! Der Vergleich mag zwar auf Grund der verschieden erzählten Plote hinken, der Grundtenor ist jedoch ziemlich ähnlich: Beide sind wo kleine kranke filmische Schwülste, die einem irgendwie ob ihres nihilistischen Grundtenors in Verbindung mit den extrem harten Spezialeffekten richtig schön vor den Latz ballern – gerade wenn es um das Thema sich entwickelnder Föten geht, hat es im Horrorfilm noch keine wirkliche Auslotung der geschmacklichen Grenzen gegeben, oder?….oder bis jetzt?
Am ehesten an solch surreal-kranke Nipponkracher Marke Guinea Pig, Evil Dead Trap, mehr aber noch an dessen Fortsetzung Hideki erinnernd, entfacht Paulin in seiner Hommage an das surreal angehaute asiatische Schockerkino ein Inferno an aufwühlender Bildersprache, dessen Intensität gar seine östlichen Vorbilder übertrumpfen kann & einen insgesamt noch mehr verstören könnte als z.B. Inside. Vorausgesetzt natürlich man kommt mit semiprofessionellen Produktionen klar, wenn auch gesagt werden muss das man hier kaum noch von einem „standardisierten“ Amateurfilm sprechen kann, da Brian schon seit über acht Jahren Filme dreht und sich dementsprechend auch immer weiter entwickelt hat; immerhin ist er Allrounder und immer bestens mit seinem Baby vertraut. Ob es das Drehbuch oder die Regie anbelangt, Brian Paulin zeigt Qualität. Nach seinem überraschenden Bone Sickness gelingt es ihm jetzt hier solch frühe Gurken wie Mummy Raider mit der süßen Erin Brown aka Misty Mundae in Vergessenheit geraten zu lassen.
Komprimiert auf 70 Minuten (ohne Abspann) Lauflänge, erzählt Paulin die Geschichte von Kevin – bei dem er selber gleich diese Hauptrolle übernahm -, der sich riesig über die bald nahende Geburt seines Kindes seiner Freundin Sarah freut. Doch das Schicksal meint es nicht gut mit den beiden: Während der Geburt stirbt sie, während das per Kaiserschnitt freigelegte Baby mit den ersten gleichzeitig auch seine letzten Sekunden seines Lebens hatte. Diese ticken fortan bei Kevin immer langsamer; zwar völlig am Boden zerstört und zutiefst depressiv kann er sich seinem Leben doch kein Ende setzen. Ihn überkommt dann die Idee, letztendlich nicht auch ob seiner anfänglichen bizarren Visionen, die später in schieren Wahnvorstellungen münden werden, vielleicht das Leben selber zurück zu holen: Sarah und das Baby mit ihm doch noch vereint. Als er sich in einem Okkultladen ein Buch über Nekromantie besorgt ist dies der Anfang einer sich spiralförmig nach unten windenden, ganz persönlichen Hölle für Kevin…
Wahnvorstellungen, Perversitäten und grausame Ritualmorde prägen fortan das Geschehen, die Story ist zwar auf ihre Art surreal wirkend, wirklich verschachtelt ist sie jedoch nicht aufgebaut. Wenn sie auch manchmal Traum und Realität vermischen mögen, meist ist klar in welcher Ebene man sich befindet; immer wieder eingeschobene Rückblenden schönerer Zeiten zu zweit erinnern an die Wärme und Geborgenheit an die sich Kevin sehnt. Farbenfroherer Art sind sie etwas im Kontrast zu dem sonst sehr düster gehaltenen Rest. Durch den nicht so ganz so massiven Einsatz von Blaufilter und Schwemmeffekten versucht Paulin nicht zu kaschieren, sondern um Atmosphäre zu schaffen, was ihm zweifellos gelingt.
Dass Groß der Handlung spielt mehr oder minder in stimmig ausgeleuchteten und der Planungen nach stimmig eingerichteten Kellerräumen, in dem sich Kevin seine gekidnappten Opfer genüsslich widmet und verzweifelt versucht den Sinn seines Lebens wieder zu bekommen. Auch wenn es nicht sonderlich viele Schauplätze gibt – vom Szeneladen an dem cooler weise Poster von Der Todesking und Nekromantik hängen abgesehen nur ein wenig Flora und Flauna. Die Anzahl agierender Personen ist relativ überschaubar, es gibt fast mehr Mono als Dialoge – vielleicht kann gerade durch die leicht kammerspielartige Konzentration auf die zerrüttete Psyche einer einzelnen Person so viel mehr Intensität erreicht werden, als ist diese auf mehrere verteilt? So muss natürlich der Hauptdarsteller so besonders viel erbringen, Brian Paulin macht erstaunlicherweise auch hier eine gute Figur, auch der restliche Cast, unter anderem Brians Frau Stacey ist dabei, bietet für solch eine Produktion solide Leistungen, wenn diese auch meist auch nur zweitrangig sind.
Zwar ausbordernd, aber nicht ausschweifend erzählt kommt es den Film eh zu Gute das er nur 70 Minuten ohne den fünfminütigen Abspann geht. Kompakt & zügig erzählt, drehen sich hier einem nach und die Daumenschrauben einen immer fester um die Finger das man manchmal gar laut aufstöhnen möchte. Von Anfang an ist der Grundtenor nihilistischer Art, der Wahnsinn gegenwärtig. Und mit fortschreitendem Verlauf wird es zunehmend surrealer und kranker. Wirklich krank. Wer auf der Homepage sich mal ein paar Bilder angeschaut hat, der erahnt gar nicht wie es hier abgeht. Nicht umsonst war Brian Paulin Lehrling bei Spezialeffektkünstler Dick Smith (Geschichten aus der Schattenwelt, Scanners, Der Exorzist). Ein dicker Bonuspunkt gegenüber unserem deutschen Pedanten Olaf Ittenbach.
Hiergegen können dessen Effekte - was Härte und Brutalität anbelangt – nur vage mithalten; Für mich ist Fetus mit einer der härtesten Independentgorefilme, die ich je mit gesehen habe. Bone Sickness ist dagegen im Vergleich deutlich harmloser; nicht zuletzt ob der hier besseren Verteilung der üppigen Goreszenen und der noch intensiveren, noch packender Machart. Bis es im Hideki gelagerten Alptraumfinale mitsamt sich aus Mägen windenden (Über)Embryos oder aufgespießten lebenden Kinderköpfe, deren Gehirn abgesaugt werden, so richtig pervers kaputt endet, bietet Fetus bis dato aber auch noch genug „Spaß“. Ehrlich, den hatte ich auch wo auf eine eigene Art und Weise, aber wirklich lustig ist er nicht.
Unter dem besagten Filtereinsätzen & Kameraspielereien wird besonders mit dem Einsatz von düsteren elektronischen Okkultklängen mit im – im Finale besonders stimmig gelagerten sakralen Klängen - die Intensität der Bildersprache verstärkt; besonders die unangenehmen & überrumpelnden Schockszenen kommen damit noch verstörender rüber; der Score ist hier ähnlich Inside stellenweise sehr schrill & pochend. Es geht aber auch ruhiger, fast schon melancholisch. In wehmütigen Momenten wie beispielsweise die Rückblende in der die Kamera die Totgeburt Kevins & Sarahs in dramatischen Bildern einfängt, dann kann der Ton ebenfalls sehr gefallen.
Sehen wir einmal von der Handlung ab, die Goreszenen sind wie gesagt wirklich Hammer, technisch gibt es hier wirklich versierte Handarbeit (kein CGI!) mit viel Elan und Kreativität geboten. Dabei ähneln die Ritualmorde Kevins weniger an die Folterszenarien Hostels, als an puren Blutrausch und sind dabei jedoch um einiges heftiger. Gerade die Verbindung von extrem kranken Gedankengut & technischem Know-How bezüglich der Realisierung von Splattereffekten ist hier tödlich. Vor allem die vielen Szenen mit den Föten sind drastisch inszeniert, dabei ob ihrer technischen Mache jedoch weit ab von lächerlicher Ausschlachtung oder billiger Effekthascherei.
Dafür ist auch der Grundtenor nicht gegeben. So wirken auch die Schlachtungen der Opfer von Kevin sehr anstrengend grausam, werden doch Arme wie Apfelsinen geschält oder rückseitige Kopföffnungen vorgenommen. Genüsslich ausgewalzt wirken diese dennoch im Kontext jedoch nicht überfrachtet zelebriert, denn Fetus ist viel mehr als nur eine plumpe Aneinanderreihung von selbst zweckhaften Gewaltgedankengangsejakulationen. Ohne Spaß inszeniert, reduziert Paulin die Quintessenz auf puren Horror ohne Schnörkel und bietet in seiner recht kurz wirkenden Laufzeit mehr an allem als man sonst so zu sehen bekommt. Wenn am Ende wird noch einmal richtig Gas gegeben wird ist man irgendwie dann doch froh das man die erste von vielen weiteren Betrachtungen hinter sich hat.
Fazit: Mit Fetus hat Regisseur Brian Paulin meines Erachtens nach die qualitative Messlatte im Independenthorrorsektor ein gutes Stück höher gelegt. Die erdrückende Atmosphäre in Verbindung mit den überharten Goreszenen, die technisch wie der Rest sehr versiert sind, fesselt von Anbeginn und lassen die 70 Minuten wie einen Spießrutenlauf für die Psyche wirken. Ein absoluter Tipp!