"Fast & Furious" bestand von Beginn aus zwei Elementen - der Lust an der Geschwindigkeit und der Respektlosigkeit vor dem Gesetz. Obwohl Vin Diesel als Dominic Toretto eindeutig kriminell agierte, wurde er zur moralischen Instanz innerhalb eines Szenarios, dass seine eigenen Regeln aufstellte. Trotz des äußerlichen Anscheins einer Halbwelt - bestehend aus Muskelmännern, Drogen, in Massen verfügbaren Mädchen und selbstverständlich schnellen Autos - vermittelt Vin Diesel innerhalb dieser Gruppe eine soziale Anständigkeit, die über den allgemeinen gesellschaftlichen Regeln steht.
Das funktionierte durch die gegensätzliche Rolle des Brian O'Conner (Paul Walker), der sich als FBI-Undercover-Agent Toretto's Freundschaft und die Liebe von dessen Schwester Mia (Jordana Brewster) erschlich, um so den kriminellen Machenschaften von Toretto's Gang auf die Spur zu kommen. Durch diese Vorgehensweise erhielt der Gesetzesvertreter einen hinterhältigen Charakter und verlor seine moralische Bedeutung. Nicht zufällig ist auch die Wahl der Autos, die die beiden Protagonisten für ihre Rennfahrten bevorzugen. Während O'Conner getunte japanische Autos benutzt, setzt Toretto auf amerikanische Muscle-Cars der 60 Jahre, was ihm zusätzlich Sympathien einbringt. Paul Walker konnte sich schlussendlich nur dadurch retten, dass er die inneren Regeln der Rennfahrer-Gilde begriff und zu Toretto überlief.
Dieses Zusammenspiel der beiden Protagonisten gab einem Geschehen den Rahmen, dass zwar vor Klischees nur so strotzte, aber darüber hinaus ganz fröhlich einen Anarchismus feierte, wie ihn Hollywood nur selten in seinen Filmen zuließ. Erst dadurch erhielt das ständige männliche Imponiergehabe, dass sich darin erfüllte, der Schnellste, Coolste und der Typ mit den meisten Frauen zu sein, die nötige ironische Distanz, da gerade Vin Diesels Überlegenheit sich darin ausdrückte, dabei gar nicht mitmachen zu müssen. Abgesehen davon, dass mit Michelle Rodriguez als Letty auch eine Frau zeigen durfte, dass sie nicht nur als Pin-Up-Girl taugt. Nicht zufällig ist sie auch Torettos Freundin.
Im zweiten und dritten Teil der Reihe schienen die Macher diese Voraussetzungen nicht ernsthaft begriffen zu haben, weshalb sie zunehmend auf bonbonfarbige Rennsemmeln setzten, die möglichst schnell geschnitten über die Leinwand rasten. Zwar spielte Paul Walker noch im zweiten Teil mit, aber es fehlte das Spannungsverhältnis zu Vin Diesel, der letztlich in seiner Mischung aus Baby-Face und Oberarmmuskeln nicht zu ersetzen war. Man muss ihn nicht mögen, aber vielleicht bedarf es seiner Physiognomie, um die entsprechenden "One-Liner" loslassen zu können. Man kannte das schon von Schwarzenegger und Stallone - hätte Jemand mit dem Gesicht von z. B. Paul Walker dieselben Sprüche aufgesagt, wäre das Ganze schlicht lächerlich gewesen, aber so funktioniert es.
Der vierte Teil von "Fast & Furious" setzt intelligenterweise wieder auf die ursprüngliche Konstellation. Ganz kann das alte Spannungsverhältnis nicht wieder hergestellt werden, da Walker - auch wenn er wieder als FBI-Agent agiert - nicht mehr den angepassten Ehrgeizling geben kann. Auch als Gesetzesvertreter liegt er inzwischen auf Torettos moralischer Linie, weshalb es nicht überrascht, dass sie gemeinsam den Mörder von Letty (leider wird Rodriguez nach einer sehr guten Anfangssequenz "geopfert") zu überführen versuchen. Aber seine anarchistische Note behält der Film, da der Polizeiapparat hinter O'Conner wieder seine Unfähigkeit und Engstirnigkeit beweisen darf.
Die Story selbst wird dadurch nicht logischer, aber darum geht es in diesem Film nicht. In seinen besten Momenten kann "Fast & Furious" die Faszination vermitteln, die in der Begeisterung für Autos und dem Gefühl der Freiheit, das dabei entstehen kann, liegt. Das hat weder mit "Political Correctness" noch mit der Realität zu tun ,aber gerade in der übertriebenen Darstellung von top ausgestatteten Werkstätten, glänzenden Superautos, massenhaft langbeinigen, promiskuitiven Frauen und ständigem Macho-Gehabe - konfrontiert mit einem keine Miene verziehenden Vin Diesel, der letztlich über diesen Dingen steht, entsteht eine Fantasiewelt, die das in Bilder umsetzt, von dem man - berauscht von der eigenen Geschwindigkeit - einen Moment lang zu träumen wagt.
Es gibt nur wenige Filme, die gezielt ein bestimmtes Feeling ansprechen, welches man mit Fug und Recht ablehnen kann. Aber man kann "Fast & Furious" nicht vorwerfen, daraus ein Geheimnis gemacht zu haben. Wer Autos und Vin Diesel nicht mag, sollte sich den Film definitiv sparen. Viel ärgerlicher war, dass Teil 2 und 3 der Reihe das selbst nicht begriffen hatten und über hohle Action hinaus nichts boten - Teil 4 kann dagegen den Geist der erstenTeils wieder erwecken (7/10).