Review

[Achtung, Spoiler!]


Was haben die Fans warten müssen! Ganze acht Monate später als anfangs versprochen erscheint nun endlich Harrys sechster Streich. Hat sich das Warten gelohnt? Absolut!

(Die Inhaltsangabe schenk ich mir, wer die Story noch nicht kennt, der hat verpennt.)

Der vierte Film war ein ruheloser Staffellauf, ein Feuerwerk an Action, dass sich leider kaum eine Verschnaufspause gegönnt hat. Der Fünfte dann ein zäher Gang durch die Dreh- und Angelpunkte des Originals, der vor lauter Grimm fast keine echten emotionalen Höhepunkte finden konnte. Yates hat im Vorgänger viele Fehler gemacht. Die Hauptschuld daran hat sicherlich Drehbuchautor Goldenberg zu tragen, der als Ersatz von Kloves eingesprungen ist. Goldenberg nämlich war alles, nur nicht innovativ. Das Script hatte Höhepunkte, dazwischen aber klaffte die gähnende Langeweile.

Doch nun ist Kloves zurück, zusammen mit Yates, der die Chance hatte, seine Patzer auszubügeln. Und das hat er tatsächlich getan! Kloves' Script schafft es – zum ersten Male seit dem "Gefangen von Askaban" – den Grundtenor der Vorlage zu transportieren. Hierbei gelingt ihm der gefährliche Drahtseilakt zwischen Teeniekomödie und Thriller mit Bravour. Während im vierten Film diese Stimmungswechsel seltsam abrupt kamen, geschieht dies hier mit spielender Leichtigkeit. Hin und wieder schafft er es gar, ins Tragikomödische abzudriften – als Beispiel sei hier die Beerdigung Aragogs hervorgehoben.

Der sechste Band der Potter-Saga ist das Bindeglied zum grossen Finale. Das macht ihn im Vergleich zu seinen Vorgängern sowohl wortlastiger, als auch actionarmer. Einigen wird das sauer aufstossen, mir gefällt's; denn noch nie waren die Dialoge so konstant gut und pointiert. Auch war noch nie ein Film so nahe an der Vorlage wie dieser. Die Veränderung machen allesamt Sinn: Die hinzugefügte Fuchsbauszene intensiviert den Konflikt zwischen Harry und Bellatrix zusätzlich. (Überhaupt war es eine weise Entscheidung, Bellas Rolle nicht nur auf diejenige einer Rahmenfigur zu beschränken – in Anbetracht von Voldemorts Abwesenheit ist ihre Präsenz eine echte Wohltat.) Die Kürzung von Dumbledores Beerdigung weiss man erst zu schätzen, wenn man die Szene sieht, die als Alternative angeboten wird. Weitere Änderungen sitzen in den Details, die eingeschworene Fans natürlich aufschreien lassen, im Zuge einer Verfilmung jedoch vertretbar sind. Zum Thema Humor: Kloves-typisch ist dieser stellenweise arg pubertär, mit einer gesunden Portion Selbstironie macht er das aber verzeihlich.

Die Actionszenen sind rar gesät und wirken im Vergleich zu ihren Vorgängern fast schon antiklimatisch. Was sie jedoch von den vorangegangen Eyecatchern unterscheidet, ist das Gefühl, das sie in sich tragen. Absoluter Höhepunkt diesbezüglich ist die Höhlenszene. Das ist die Art von Kino, die Harry Potter bisher nicht bieten konnte. Nichtig zu sagen, dass die Spezialeffekte und Kulissen atemberaubend sind. Überdies präsentiert Bruno Delbonnel die bisher beste Kameraführung in einem Potter. Hoopers Musik ist über weite Strecken solide, nicht bahnbrechend, aber solide.

Mein Lieblingsthema: die Schauspieler, die im sechsten Teil ganz besonders überzeugen.

Daniel Radcliffe wirkt in seiner Mimik noch immer hölzern, wenn auch engagierter, zumal er nun dankenswerterweise ein wenig mehr tun darf, als nur depressiv in die Kamera starren. Währenddessen tobt sich Rupert Grint in seiner Rolle als Sidekick richtig schön aus und liefert die bis anhin schönsten Grimassen seiner Karriere. Doch Emma Watson ist und bleibt das Juwel des Trios – sie ist so glaubhaft und präsent wie nie. Mit ihr mithalten kann nur Tom Felton, der es geschafft hat, dem bisher blassen Malfoy eine überraschende Tiefe zu verleihen. Bonnie Wright hat mit der Ginny aus dem Original kaum mehr etwas gemein, doch auch ihre stille Zurückhaltung weiss zu gefallen. Evanna Lynch trumpft erneut mit ihrem Glasblick auf, hat dieses Mal mehr zu tun und das Publikum voll auf ihrer Seite. Einen bleibenden Eindruck hinterlässt auch Hero Fiennes-Tiffin, der als junger Tom Riddle genau den richtigen Ton anschlägt.

Neuzugang Freddie Stroma mimt den Stinkstiefel McLaggen überzeugend, wenngleich er blosse Randfigur bleibt. Anders Jessie Cave, die ihre liebestolle Lavender Brown in vollen Zügen auskostet. Weitere Gesichter scheinen nur aufzutauchen, damit man sie bis zum Finale nicht vergisst: Matthew Lewis tölpelt einmal durchs Bild und die Phelps-Zwillinge reissen kurz einen Witz, um dann ernsteren Dingen Platz zu machen. Bei den Erwachsenen sieht das nicht anders aus: David Thewils und Natalie Tena deuten eine Beziehung an, Timothy Spall wird von Rickman brüsk aus dem Bild gekickt und Dave Legeno als Greyback sieht neben Bellatrix aus wie ein Plüschtierchen. Auch Helen McCrory muss sich auf eine einzige Szene beschränken, in der sie aber souverän wirkt.

Doch auch die Erwachsenen an der vordersten Front überzeugen voll und ganz; Jim Broadbent macht Professor Slughorn trotz seiner Zwielichtigkeit anziehend und kann einige der eindrücklichsten Szenen für sich verbuchen. Weiterhin gefällt sich Helena Bonham Carter immer mehr in ihrer Rolle und betreibt nach wie vor Overacting vom Feinsten. Alan Rickman zeigt eine gewohnt gute Leistung, wobei ihm das Drehbuch in die Hände spielt, wo es nur kann. Michael Gambon aber stiehlt ihnen allen die Show; letztlich und endlich stellt er Dumbledore als den charismatischen Hoffnungsträger dar, den wir alle sehen wollen. Das ist auch bitter nötig, denn die Sympathiepunkte, die er während des Filmes zu sammeln vermag, verleihen dem Filmende letztlich seine Dramatik.

Fazit: "Harry Potter und der Halbblutprinz" erfindet das Rad nicht neu. Doch dieser Film versteht es, die eine grosse Stärke der Serie auszuspielen; das Zusammenspiel zwischen Humor und Tragödie. Hier wurde die perfekte Mischung gefunden, die vor allem eines liefert: Unterhaltung! Dies ist der mit Abstand beste Potter. Und damit sind die Gleise fürs Finale optimal gelegt. In diesem Sinne: Something wicked this way comes … und dieses Mal ein wenig früher, wenn ich bitten darf!

9/10

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