Da gleich in den ersten Minuten mindestens drei Beziehungsstreits vom Stapel rollen, die Nachricht eines versuchten Selbstmordes aufgrund von Depressionen die Runde macht und sich die Leute sowieso gemeinhin mehr ankeifen als miteinander reden, kann man schnell davon ausgehen, dass der Titel zwar auch das Wort "Liebe" betont, dies aber nur als Voraussetzung oder Ansatzpunkt für das nachfolgende "Lügen" benutzt. In Patrick Kongs in elementarer Form reproduziertem Drama wird trotz der üblichen violetten Aufmachung [ My Sweetie, Marriage with a Fool, Love Is Not All Around ] und der entsprechenden Besetzung mit dem perfect silver screen couple Stephy Tang und Alex Fong Lik-Sun mehr gekämpft und verletzt als geliebt, und das Leben exorbitant eben nicht als das rosarote Märchen gekennzeichnet, dass sich normalerweise seinen treuseligen Weg in die Herzen der Zuschauer bahnt. "Good luck is just the beginning of a nightmare."
Die starken Neigungen zur zuweilen auch anwidernden Immoralität und das allgemein säbelrasselnde Gefecht um die eigenen Gefühle in gleichzeitiger Ignoranz der Anderen verleiht dem Werk unsittlichster Schilderungen die Lehre dessen, dass man erst das Schlechte treffen und kennen muss, um letztlich zum Ursprung der angenehmen Empfindung zu gelangen. Erst mit ausnehmender Bestrebung aktiv sündigen und/oder passiv büssen, um dann zu einem bestimmten Standpunkt aus freier Überzeugung und innerem Gewissen und so zu den edelsten Trieben der beiderseitigen Hinneigung dringen.
Der Weg dahin lang und schmerzvoll, roh und verwildert, wie ein heftiger Schlag auf die Nieren. Desillusionierungsroman anstelle von Unterhaltungsliteratur. Ein Bittgang durch Untreue, Lug und Betrug, Allgemeine Drangsale und Unglücksfälle. Eine Exkursion durch das hohe Tragische in nominell konkreter Lebendigkeit, an dessen versucht erbaulichen Ausgang das Moralische zum ausdrücklichen Zweck der Darstellung wird:
Bobo [ Stephy Tang ], Miteigentümer an dem Straßenrestaurant "Bobo's Desserts", verliert ihren Freund und Geschäftspartner Chun [ Stephen Wong ] an die ehemalige Schulkameradin Kiki [ Alice Tzeng ], die auch prompt das gutlaufende Gewerbe an sich reißt. Gekränkt wendet sich Bobo an den conman Keung [ Alex Fong ], der sich für sie und gegen Bezahlung von 200.000 HK$ hinterrücks an Kiki rächen soll; sehr zum Unwillen von Bobos Freundin Mon [ Leila Tong ], die dem professionellen Schwindler überhaupt nicht vertraut und energisch von dem Plan abrät. Allerdings hat sie eigene Probleme mit ihrem Freund Fung [ Terry Wu ], den sie aufgrund schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit überaus stark kontrolliert und so direkt in die Arme von Mandy [ Miki Yeung ] treibt, die den vorübergehend bis über beide Ohren Betörten aber nur als backup lover für schwere Zeiten betrachtet und sich ansonsten mit einem älteren, dafür gutsituierten Herren und dem Vorhaben einer Versorgungs- statt Neigungsehe abgibt.
Die nicht gerade mit wahrer Zärtlichkeit verbundene Geschichte über verschiedene Interessenlagen und ihre Folgeverhältnisse wird entsprechend der dramatischen Art und der Herangehensweise von individueller Ursachenforschung gerade zu Beginn nicht nur äußerst holprig, sondern verwirrend sprunghaft erzählt. Ein un- bzw. anti-romantisches Hin und Her an Personen, Konnotationen, Konfrontationen und Kollisionen, dass zwar vorgeblich den Details vielfältigster Täuschungen und Enttäuschungen auf den Spuren ist, aber dabei auch jählings den Boden von Veranlassung und Handhabe abträgt. Getreu des anfangs unbeständigen und auf die verwirrende Eile beharrenden Scharmützels wird die allmähliche Auflösung der Knoten sowie die vollendete Vermittlung der Differenzen entgegengesetzter Seiten zuweilen erst später im Rückblick und dort auch mit den Zeitsprüngen über Monate zurück und hinaus bezeichnet. Die somit beschränkten Gebiete von Wissen und Wahrnehmung, der harte Gegensatz zu eigentlich allen vorgestellten Figuren und die verfehlte Erwartungshaltung versetzen den Zuschauer rasch in die Position des außen stehenden Zaungastes, der von dort aus sein objektives Dasein statt der subjektiven Teilnahme an Zank und Klagen fristet.
Sowieso ist das mit nächtlich reizvollem Lokalkolorit in entsprechend vielzähligen Außenszenen angereicherte Geschehen auch aufgrund hastiger Geschäftigkeit, elendiger Beschwernis und nichtendendwollendem Ver- und Überdruss eine Tortur für alle Beteiligten. Ein Destruktionsbeitrag, auf tyrannische Weise näher ans Auge gebracht. Autor, Regisseur und momentaner Box Office Garant Kong versucht zwar Genauigkeit und Übersicht, entwickelt aber wenngleich aller Befleißigung nur einen überbelasteten und überbelastenden Sinn für Proportionen, deren chronique scandaleuse Ballast er mit einigen komplett unpassenden, da auf klamaukige Erleichterung abzielenden und so noch zusätzlich lärmenden Cameos [ von Sammy Leung und Wong Cho - lam ] er zu stemmen, aber vollends zur Zerreißprobe auswuchten lässt. In mühsamer, da anhaltend melodramatischer Anstrengung und alles zerredenden Monologen und Dialogen matten sich die sonstig beanspruchten Schauspieler in der Wegräumung vielerlei Hindernisse ab; in dessen Umstände zwischen schwächlicher Sentimentalität und zorniger Sehnsucht sich jeder halbwegs Vernünftige ohne masochistische Disposition freiwillig nicht versetzen möchte.
Zwei weitere versuchte Selbstmorde, gleichbleibende Ausführlichkeit in Wort und Ton und viel Tränen und Alkohol aller Beteiligten später kommt zwar auch so etwas wie Anteilnahme an den Leidenden auf, ist dies aber mehr einem barmherzigen Bedauern am unauflöslichen Gegensatz von Selbstbehauptung und Erfüllung und der damit einhergehenden nachsichtigen Gemütsregung zuzuschreiben als einem wahrhaftigen Wohlwollen oder einer gar huldigenden Empathie. Immerhin muss man Kong zugestehen, dass er in seiner enorm strapaziösen, durch die Ladung Leid aus der gewöhnlichen Form gekommenen Therapie gerade die negativen Gefühlsausbrüche radikaler Isolierung inmitten der modernden Großstadt durchaus im geschärften Sinn für emotionale Betrachtungen modellieren kann. Eine ernüchternd beleuchtete Werteproblematik von Schuld und Sühne, Verlust und Vergeltung, die stetig im dunklen Schatten von Bitternis, Lebewohl und Laufpass liegt.
[Dennoch hat auch hier die urbane Allgemeinheit zugegriffen und das Werk verdüsterter Version mit knappen 12,4 Mio HKD Einspiel in den heimischen Gefilden wie momentan üblich noch vor den wesentlich teureren Painted Skin oder Kung Fu Dunk platziert.]