Auf die Filme vom Shaw Regisseur Kuei Chi Hung ist normalerweise immer Verlass, aber Ausnahmen bestätigen dann anscheinend doch die Regel.
Nicht, dass sein Actionthriller Schweig oder Stirb eine schlechte Produktion ist; Im Gegenteil. Aber die umliegenden Arbeiten Sheng Chang und die Karatebande [ 1973 ], Das Bambuscamp der Frauen [ 1973 ], The Killer Snakes [ 1974 ], The Tea House [ 1974 ], Big Brother Cheng [ 1975 ] und Die Wilden Engel von Hongkong [ 1976 ] haben einen als Gesamtpaket irgendwie mehr überzeugt. Der Grund dafür liegt überraschenderweise im Skript; eine Tatsache, die sich in Bezug auf die extrem aufgezogene Regieweise Kueis vielleicht etwas absurd anhören mag, aber halt dennoch den Ausschlag gibt.
Die Drehbücher zu den anderen Filmen verdienten auch nicht immer Lob und Auszeichnung, aber sie brachen nicht zu sehr aus der [ filmischen ] Realität aus und stellten vor allem nicht so viele unbeantwortete Fragen in den Raum. Man kümmerte sich mehr um eine Nachvollziehbarkeit der Situation, vor allem in Sheng Chang und Killer Snakes dann auch direkt um ein glaubhaftes Porträt der Hauptfigur; das von Ni Kuang geschriebene Schweig oder Stirb tut leider keines davon.
Dabei ist die Szenerie dafür vor Ort und direkt vor Augen, wird aber zugunsten von Hektik und Härte vergessen. Auslöser und Beweggründe sind da. Aber die Aussage wird verändert, die Logik ignoriert und daraus resultierend der Nervenkitzel geschwächt.
Selbstverständlich kann man jetzt die – nach allgemeiner Betrachtung wohl rhetorische – Frage aufstellen, wer sich denn überhaupt ernsthaft in einem Hong Kong Film um die Wahrscheinlichkeit schert; aber wenn Spannung und Thrill daraus gewonnen werden sollen, muss auch die Logikfreiheit irgendwo ihre Grenzen haben oder man muss das Thema anders angehen.
Kuei fängt schnell an und gelangt dementsprechend auch schnell an den Punkt, wo er es zu weit treibt. Man sich gleich bei allen drei Parteien wundern muss, warum sie genau so und nicht anders handeln und warum keine wirklich schlau dabei agiert oder reagiert.
Ausserdem ist hier der Einstieg zu abrupt, man ist noch gar nicht richtig drin, als mit einem Polizeispitzel schon der erste Tote der Geschichte beklagt wird. Dieser wurde des Nachts von dem Auto des Killers Si Ta Cheng [ Chen Shan ] durch die Strassen gehetzt und gestellt, dabei mehrmals überfahren. Si braucht aber dermassen lange dabei – er spielt offensichtlich mit seinem Opfer – , dass der Automechaniker Feng Chi Chen [ Yuen Wah ] mittlerweile zufällig auch am Tatort ist und alles mitansieht. Feng wird nun zur falschen Zeit am falschen Ort zur nächsten Zielscheibe für Si; die auch mal eintreffende Polizei kann ihn mühsam vor Schlimmeren bewahren. Auf die Frage von Leutnant Chang [ Lau Dan ], ob er den Mörder identifizieren kann und dann auch eine Aussage als Hauptbelastungszeuge vor Gericht machen mag, antwortet Feng als braver Bürger beherzt mit Ja.
Sein Todesurteil.
Denn nun steht er nicht nur auf der Abschussliste vom Syndikat, welches Si nach seiner Festnahme unbedingt freibekommen muss, da er sonst seinerseits als einziger Geschnappter plaudert. Sondern wird von der Polizei auch mitten in die Schusslinie geschuppst; der Film zeigt in deutlicher Weise wieder einmal auf, dass es nicht so besonders gewitzt ist, sich in HK als Zeuge bereithalten zu wollen.
Die Gegenüberstellung mit Si erfolgt Auge in Auge; keine Trennscheibe oder dergleichen, so dass der Täter erstmal ungehindert auf seinen Identifizierer losgehen kann und ihm einen ersten Schrecken einjagt. Und dann ist Lt. Chang noch so clever, sich direkt vor Si‘s Anwalt bei seinem einzigen Zeugen zu bedanken und ihn zu verabschieden; die Feststellung dessen Personalien sind für das Syndikat folglich keine grosse Kunst.
Alsbald steigert man sich inhaltlich sowohl in Sachen Methodik der Gangster als auch Analytikfehler der Handlungsführung, nur mühsam ausgependelt durch die Tatsache, dass auch Regisseur Kuei sein Handwerk anzieht.
Die Gauner versuchen es erst ganz langsam und varriieren dann ihre Unternehmungen bei Feng: Zuerst wird es mit Bestechung probiert, dann erfolgt schon ein erster Anschlag. Dann wird seine Frau bedroht und auch bezüglich des Kindes vorgewarnt; derlei zieht sich mehrere Male hin, bis man zum letztmöglichen Zeitpunkt doch dazu übergeht, die Hinweise auch in die Tat umzusetzen und die Familie zu entführen. Wörtlich schon im Gerichtszimmer bekommt Feng noch den alles entscheidenden Anruf.
Dieses Vorgehen nach dem Motto „Nach und Nach“ hält den Film selbstredend länger über Wasser, als wenn man gleich das Killerkommando auf Feng losgelassen hätte und sich nicht erst die Zeit mit Spielchen bis zur Anberaumung der Prozessverhandlung vertrieben hätte. Aber es scheint dann ja nicht so wichtig gewesen sein, dass der ominöse Hintermann – den man nur verdeckt ins Bild bekommt, obwohl er gar keinen Belang für den Ausgang hat – auf Erledigung des Problems tobt, wenn man alles so ruhig angeht.
Einleuchtend sind dann auch die Verhaltensmassnahmen von Polizei und Zeuge nicht. Schutzhaft oder dergleichen findet nicht statt, später wird Feng mal ein persönlicher Leibwächter [ Chiang Tao ] zugestanden, dem er prompt entfliehen will und dabei direkt in die Arme zweier Angreifer läuft. Dass er wegen seiner Unvernunft daraufhin fast stirbt findet auch sein Bodyguard dämlich, der ihm nach erfolgreicher Rettung postwendend eine Ohrfeige verpasst.
Auch die beiden abgestellten Männer vor Fengs Wohnung im Hochhaus kriegen nicht viel auf die Reihe; jedenfalls bedeudet die Überwachung durch die Exekutive in HK nicht automatisch einen gefeiten Unterstand. Durch die trügerische Sicherheit ist man eher noch weniger auf der Hut, was dann auch einige Torheiten erklärt.
Nun ist es im Nachhinein müßig, den Film derartig auseinander zu nehmen; narrative Plausibilität und damit verbunden auch materielle Authentizität kann man jedenfalls öfters vergessen. Dafür ist das Tempo aber recht hoch, übrigbleiben tut also allein die Inszenierung und ihr wie dafür geschaffenes Umfeld. Kuei tobt sich wieder mit Vorliebe in möglichst dreckigen Arealen aus; vollgestellte, dunkle, schmuddelige Räumen dienen als Schauplatz im Kampf um Leben und Tot. Die Gassen und Gänge so voller Müll und Unrat, dass ein Entkommen unmöglich gemacht wird und eine Flucht ausgeschlossen ist; man gelangt einfach nicht durch. Der Schutt als mörderisches Hindernis. Die Gegenden dabei zum Zeitpunkt der Attacke immer wie ausgestorben. Kaum ausgeleuchtet, uruhige Handkamera mitten im Kampf dabei, harte Schnitte. Pulsierend und voller Energie.
Die Bedrohung und die resultierend ausbrechende Gewalt wirken jetzt auch ohne den fadenscheinigen Aufbau, da sich die Herangehensweise rein auf den Effekt konzentriert und dazu auch jedes mögliche Mittel nutzt; auch das des Horrorgenres. Man verteidigt sich mit allen greifbaren Gegenständen, nimmt zur Hand was gerade in der Nähe ist, um die Killer abzuwehren; diese sind wohl kaum weniger zaghaft.
Ein bisher friedliches Wohnzimmer wird zur Bühne für Machtausübung, Die grausame Folter der Drachenbande [ Alternativtitel ] und sexuellen Übergriffen. Beim geradenoch rechtzeitigen Eintreffen von Feng und seinem Schutzmann wird das kleine Gebiet anfangs taxiert und dann in einer grandios - ausgedehnten Schlacht nur mit dem eigenen Körper als Werkzeug komplett verwüstet.
Auch Killer Snakes wird in einer Szene vorweggenommen: Fengs Frau bekommt unwissend eine Kuchenschachtel voller Schlangen geliefert, die ähnliches Unwohlsein wie im Folgefilm verbreiten und mit einem grossen Hackmesser auch ähnliches als Quittung kriegen.
Hierbei ist man dann richtig in seinem Element und darauf hat man auch hingewartet. Wenn man ehrlich ist, interessiert einen abseits aller strukturellen Mängel in der Konsistenz eigentlich ja nur die blanke Handhabung von Terror und Gewalt. Es zeigt einen aber auch wieder deutlich den - vom rein visuellen her kaum sichtbaren - Unterschied zwischen Kuei und seinen in Sachen Optik als offensichtliches Vorbild geltenden Peckinpah. Der Letztere hatte immer das Material, in dem seine patentierten Zutaten dann auch zur vollen Wirkung kamen. Zeitlupen, Freeze Frames, Wiederholungen von Szenen aus einem anderen Blickwinkel oder durch einen Zwischenschnitt unterbrochen, Todesballette, reisserische Zooms etc. wurden bei ihm nicht genutzt, um die Erzählung zu tragen, sondern um sie zu verstärken und im Wechselspiel damit ihren Einfluss zu potenzieren. Er schuf in seinem besten Momenten Szenen für die Unendlichkeit, Kuei dreht welche für den Augenblick.
Und diese gelingen ihm hier bedauerlicherweise zu selten. Die Bilder sind vielleicht da, aber der Unterbau nicht. Man ist immer nur für Sekunden eindrucksvoll, kann aber keine tiefergehenden Nachwirkungen erzeugen, weil man nicht emotional beteiligt ist. Deswegen vertraut man beim Showdown auch nicht den einzelnen Einstellungen, sondern verzieht das Geschehen von einer Wäscherei über eine Börse und einen Maschinenraum hin zu einer Schwimmhalle; steigert sich dabei nicht einmal, sondern wird auf Dauer bis fast zum Antiklimax hin immer schwächer.
Leider.
Nichtdestotrotz ist auch diese Regietätigkeit Kueis auf jeden Fall einen Blick wert, aber man bleibt notgedrungen unter den eigenen Möglichkeiten.