Review

Was gerne als Hilfsmittel zur Beurteilung von Filmen genutzt wird, wird in den USA gleich auf den gesamten Alltag ausgeweitet - ein Punktesystem von 1 bis 10. Mag diese Vorgehensweise aus europäischer Sicht vordergründig und oberflächlich wirken, so basiert sie auf Kriterien, die Jeder für sich oder Andere ganz automatisch anwendet. Wie schätze ich meine Attraktivität ein und wie kann ich diese steigern ? - Ein ordentliches Auto oder ein gut bezahlter Beruf kann meinen Punktewert erhöhen, entsprechend auch gute Kleidung oder ein durchtrainierter Körper. Und auch wenn man diese Attribute nicht zur Addition oder Subtraktion nutzt, um damit auf einen bestimmten Punktewert zu kommen - für das eigene Selbstwertgefühl und eine daraus resultierende Erwartungshaltung an seine Umgebung, sind sie für Jeden von Bedeutung.

"She's out of my league" ist deshalb ein Gefühl, dass Vielen bekannt sein dürfte, denn wer hätte angesichts einer besonders attraktiven Klassenkameradin, Nachbarin oder Berufskollegin (wahlweise auch männlich) dieses "Bei der/dem habe ich keine Chance" - Gefühl noch nicht gehabt ? - Entsprechend idiotisch ist der deutsche Titel "Zu scharf, um wahr zu sein", der nichts über die Beziehung des so Urteilenden zu der so Beurteilten aussagt. Die Diskrepanz, aus der der Film seinen Drive entwickelt, ist der Widerspruch, etwas rational begreifen zu wollen, dass sich nur in unseren Emotionen abspielt. Der Witz entsteht dabei aus dem ständigen Perspektivwechsel, der die Grundlage eines jeden Massstabs ausmacht. In den Augen von Kirks (Jay Baruchel) prolliger Familie, ist schon das Weglassen von Unterwäsche ein Highlight, während für Mollys (Alice Eve) konservativen Vater nur ein Beruf, der ein gesichertes Einkommen bietet, von Belang ist.

Auffällig ist, trotz dieser unterschiedlichen Bewertungskriterien, das eine Regel für Alle zu gelten scheint, auf deren Einhaltung geradezu eisern gepocht wird - Niemand darf sich zu weit von seinem eigenen Wert (oder besser dem, den die Umgebung ihm zuordnet) entfernen. Mit einfachen Mitteln entwickelt der Film daraus einen philosophischen Ansatz, der sich besonders schön zeigt, als Molly ihren neue Freund Kirk zu dessen Eltern begleitet. Ob Molly tatsächlich eine Traumfrau ist, steht dabei gar nicht zur Diskussion. Entscheidend ist die Diskrepanz in der Erwartungshaltung der Familie gegenüber Kirk, den sie für einen gutmütigen Waschlappen halten, mit dem sie nach Belieben umgehen können. Dass dieser plötzlich mit einer attraktiven Frau auftaucht, die zudem schlagfertig reagiert, verändert sofort die Wertigkeitsstruktur innerhalb der Familie. Kirks rüpeliger Bruder wirft ihm plötzlich vor, er würde sich wohl für etwas Besseres halten, was eine geradezu perverse Verdrehung der bisherigen Tatsachen ist, aber verdeutlicht, wie schwach es um dessen inneres Selbstwertgefühl bestellt ist. Um dieses zu erhalten, ist die Einhaltung dieser Regel notwendig, denn ein Verstoss dagegen zerstört das innere Gleichgewicht.

"She's out of my league" ist in der Storyentwicklung konventionell, in manchen Details nicht immer geschmackssicher (wobei auch diese Beurteilung immer auf persönlichen Kriterien beruht) und in seinem Ergebnis nicht wirklich überraschend, gewinnt seine Qualität aber aus einer sehr stimmigen, realistischen Beobachtung der menschlichen Psyche, die den Vergleich zu Anderen benötigt, um von sich selbst eine Meinung zu bekommen. Dadurch gelingt dem Film etwas seltenes - er bezieht den Betrachter konkret in das Geschehen ein. Beinahe Jeder, der diesen Film ansieht, wird instinktiv mitbeurteilen, ganz unabhängig von irgendwelchen Punktemengen.

Das beginnt schon mit der ständigen Behauptung im Film, bei Molly handelt es sich um eine "10", also Höchstwertung. Darstellerin Alice Eve entspricht zwar einem gewissen Blondinen - Klischee, überzeugt aber mehr durch Intelligenz und Natürlichkeit. Liest man sich durch diverse Kritiken zu dem Film, fällt regelmässig auf, dass der jeweilige Autor diese "10"er Beurteilung für übertrieben hält, worin sich die obige These schon beweist. Automatisch wird verglichen, wird überlegt, ob Kirk nicht doch zu nerdig ist und ob eine Beziehung zwischen den Beiden möglich ist.

Natürlich hat es schon in vielen Filmen ungleiche Paare gegeben, aber meist wurden dafür äußere Umstände oder besondere Fähigkeiten bemüht, die das Zustandekommen letztlich doch logisch erscheinen ließ. Genau diese Logik vermeidet der Film. Das hat nichts mit der Konstruiertheit üblicher Komödien zu tun, die sich geradezu darin übertreffen, möglichst viele Kriterien am Ende so hinzubiegen, dass die Erwartungshaltung an eine passende Paarkonstellation erfüllt wird, sondern provoziert ganz ungeschminkt die Haltung des jeweiligen Betrachters, der - wie die gesamte Umgebung im Film - letztlich sein eigenes Urteil über Kirk und Molly (und damit den gesamten Film) fällt.

"She's out of my league" entwickelt daraus eine Eigenständigkeit, die ihn über das übliche Komödienmass hinweghebt, egal wie man einzelne Gags oder peinliche Szenen beurteilt. Die Beziehung zwischen Molly und Kirk, sowie deren Höhen und Tiefen, sind nicht von wesentlicher Bedeutung, weshalb sie auch nicht als Identifikationsfiguren dienen müssen. Die eigentliche Thematik ist die Beurteilung und der Vergleich, die aus fast jedem Satz sprechen und damit den jeweiligen Betrachter zur eigentlichen Identifikationfigur machen (8/10).

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