Jim Carrey gibt es mittlerweile im Jahrestakt: Mal spielt das Knautschgesicht in einer seichten, aber lustigen Komödie mit (Dumm und Dümmer, Bruce Allmächtig, Ja-Sager), manchmal überrascht er mit einer überzeugenden, "richtigen" Schauspielleistung (Truman-Show, Mondmann, Number 23). Das neuste Werk inklusive Carrey schafft dann das Kunstück beides zu sein: Alberner Klamauk, intelligenter Ernst. Wer sich den Film übrigens noch aufsparen will sollte jetzt nicht weiter lesen.
Im Prinzip will "I Love You Phillip Morris" alles aufeinmal sein. Komödie, Drama, Krimi. Die ersten zwanzig Minuten versteht sich der Streifen als einfache Lachnummer. Carrey schwul, wer wollte das nicht schon einmal erleben? Dann wird daraus ein Liebesfilm inmitten schwedischer Gardinen, wenn Carrey die süße Blondine Evan McGregor antrifft und sich Hals über Kopf verknallt. Daraus entwickelt sich dann eine ziemlich kluge Aneinanderreihung diverser Knastausbrüche und Betrügerein, Lügen und Intrigen dürfen auch nicht fehlen. DANN wird daraus ein relativ trauriges Drama, nur um dann die letzten zehn Minuten wieder ein völlig anderes Pferd zu reiten.
Insgesamt stellt sich dieser Komödien-Liebes-Drama-Krimi ein bisschen ungeschickt an, weil man durch diese wilde Genremischung nur schwer an die beiden Hauptcharaktere rankommt und Emotionen zwar ausgelebt werden, aber relativ unschlüssig bleiben, weil man nie weiß, ob man lachen, weinen oder empört sein soll. Gerade Jim Carrey flippt ab und zu ein bisschen zu sehr aus für so eine komplizierte Rolle und lässt selbst als traurig angelegte Szenen eher komisch erscheinen. Die AIDS-Erkrankung gegen Ende kommt dann nicht überraschend, doch wenn Carrey dann auch dies als ausführlich geplanten Ausbruchversuch präsentiert, schmerzt der Kopf des Zuschauers nur noch mehr.
Mal wird ein bärtiger Typ von Carrey flachgelegt, dann bauen sich ehrliche Liebesgefühle zwischen ihm und McGregor auf, dann weiß man gar nicht wie man sich fühlen soll, wenn Carrey scheinbar todkrank spielende Kinder beobachtet (was der Schauspieler übrigens entgegen der Pointe sehr überzeugend macht), und am Ende löst sich alle Trauer in Luft auf und man kommt zum Schluss, das Carrey (und der Film) einfach nur verrückt ist. Da das ganze auch noch auf einer Wahrheitsgeschichte beruht kann man den Machern schwer vorwerfen, mit der vermeintlichen AIDS-Wende pure Geschmacklosigkeit erzielt zu haben. Dennoch fällt es mir angesichts des Filmendes schwer, darüber zu schmunzeln. Das muss wohl jeder mit sich selbst ausmachen.
Man kann auf der einen Seite eigentlich auch erleichtert sein, weil selbst die Mainstream-Maschine Hollywood noch in der Lage ist, skandalträchtige Filme zu produzieren (es ist nicht verwunderlich, das die Homo-Komödie in den Staaten immer noch einen zufriedenen Verleiher sucht). Insgesamt gesehen ist der Film auch alles andere als schlecht, manche werden es sogar als Meisterwerk hinstellen und man kann es schon als Wunder betrachten, dass so eine scheinbare Komödie mit Jim Carrey auf Imdb glatte 7 Punkte inne hat. Ergo ein ziemlich gewagter Film, der aber tatsächlich ein bisschen an Jim Carrey scheitert, der trotz des spürbaren Ernstes fast alles wie eine lustige Sache aussehen lässt. Andererseits bin ich mir ziemlich sicher, dass "I Love You Phillip Morris" mit der Zeit reifen wird wie guter Wein.
(6/10)