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Der britische Regisseur Danny Boyle lieferte mit diesem furiosen Mix aus Milieufilm, Abenteuergeschichte und Romanze einen der großen Oscar-Favoriten des Jahres 2009. Mit indischen Darstellern, rasanten Kamerafahrten und einer atemlosen Geschichte erzählt er vom Schicksal des jungen Inders Jamal, der im Slum aufwuchs und nach vielen Jahren voller aufreibender Ereignisse bei der indischen Fassung von "Wer wird Millionär?" zum Gewinner wird.

Die berühmte Quizsendung, die in unzähligen Ländern Ableger gefunden hat, dient dabei als die Erzählung gliederndes Konstrukt: Bei jeder neuen Frage springt die Story in der Zeit zurück, um die Erlebnisse Jamals zu zeigen, deretwegen er die richtige Antwort weiß. Insgesamt gibt es bis kurz vor Schluss sogar drei parallele Zeitebenen: Jamals Auftritt in der Quizshow, ein brutales Verhör bei der Polizei und eben seine bewegte Lebensgeschichte. Diese Ebenen werden elegant miteinander verknüpft, sodass der Zuschauer nie die Übersicht verliert, auch wenn anfangs einige Bilder eingeblendet werden, deren Zusammenhang sich erst im späteren Verlauf offenbart.

Jamals Geschichte ist dabei wiederum der Aufhänger, mit dem der Film wie nebenbei einige äußerst kritische Aspekte der indischen Gesellschaft behandelt: blutige religiöse Konflikte, Banden, die obdachlose Kinder missbrauchen und verstümmeln, um sie als Bettler arbeiten zu lassen, gigantische Slums und Müllhalden, auf denen die untersten Schichten der Gesellschaft vor sich hin vegetieren. Und über allem schwebt die permanente Präsenz korrupter und brutaler Staatsgewalt. Kein Wunder, dass sich die indische Regierung und manch ein indienfreundlicher Kritiker gegen diese schonungslose filmische Darstellung aussprach. Fakt bleibt dabei: Alles, was "Slumdog Millionär" zeigt, findet tagtäglich so statt.

Diese gesellschaftskritischen, ungeschönten Darstellungen eines menschenverachtenden Systems liefert der Film aber quasi nur am Rande. Im Zentrum steht die atemberaubende Geschichte Jamals, die ihn durch ganz Indien, sämtliche Schichten und große Gefühle führt. Diese Geschichte wird formal von einer wahnsinnig rasanten Handkamera eingefangen, die selbst in den überfülltesten Gassen und hektischsten Verfolgungsjagden ganz nah an den Hauptfiguren bleibt. Untermalt von einem furios dynamischen Soundtrack, entsteht so eine atemberaubende Atmosphäre, die den Zuschauer durchgehend mitreißt und ihm kaum Zeit zum Luftholen lässt. Besonders gegen Ende gehören die Spannungsszenen damit zum Dramatischsten, was das Kinojahr 2009 zu bieten hatte.

Das alles riecht dem überzeugten Cineasten einen Hauch zu sehr nach Mainstream und Kommerz, inklusive mancher Logikschnitzer, ist aber visuell und auditiv furios gestaltet, bietet bitteren Humor, eine mitreißende Liebesgeschichte, zahlreiche originelle Ideen und eine Inszenierung, die der Story epischen Atem verleiht. Und dass ein Kassenschlager dieses Kalibers solch bestialische Realitäten beinahe als Selbstverständlichkeit darstellt, kann man nur loben. So ist "Slumdog Millionär" nicht nur höchst unterhaltsam, spannend und immer wieder unerwartet romantisch, sondern auch ein gutes Beispiel dafür, wie man Aufklärung über furchtbare Zustände in der Welt mit großem Popcorn-Kino verbinden kann. Vielleicht schon ein moderner Klassiker!

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