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"Slumdog Millionär" entpuppte sich als der große Oskar-Abräumer des Jahres 2009. Doch lässt sich der große Ehrungs-Hype um Danny Boyle und Loveleen Tandans Mumbaier Underdog-Drama wieder einmal kritisch hinterfragen. Zweifelsohne, das indische Szenario, insbesondere die unverbrauchten Original-Schauplätze in einem der größten Slums der Welt versprühen jede Menge Exotik und damit wohltuende Abwechlung zu dem, was sonst so die große Bühne Hollywoods alljährlich überschwemmt. Im gleichen Zuge sind dann die hierzulande eher unbekannten, aber sehr überzeugend agierenden indischen Schauspieler zu nennen, mit Dev Patel als "Slumdog" Jamal an der Spitze. Dieser hat es hier als junger Kandidat in die indische Variante von "Wer wird Milionär" geschafft und steht kurz vor dem großen 20 Millionen schweren Hauptgewinn - bevor die Show aus Zeitgründen vertagt wird und die Probleme in Form eines intensiven Verhörs durch die Polizei beginnen. Die eigentliche Hintergrundgeschichte von "Slumdog Millionär" wird fortan in stimmungsvollen Rückblenden erzählt, was ebenso eine nette Idee darstellt, wie auch der bekanntermaßen etwas exquisite Inszenierungsstil Danny Boyles schnell hervorsticht.

Doch nicht unbedingt in positiver Hinsicht! Ich persönlich hätte mir klar eine nüchternere Inszenierung gewünscht. Ebenso lassen sich auch einige Längen in der zweiten Hälfte des Filmes nicht verleugnen. Über diese können auch die tollen, bunt-verrückten Schauplätze Indiens sowie die mitunter geradezu erschreckenden und damit packenden Zustände der Elendsquartiere kaum hinwegtäuschen.
Ihren Ursprung finden die Längen vor allem in der im Grunde sehr flachen Storyline, die eher verklärt und sich am Effekt berauscht, als sich wirklich kritisch mit essenziellen Inhalten und Problemen auseinandersetzt. Auch die Faszination der spielfilmseitigen Aufbereitung des ungebrochen populären Millionen-Quiz zerläuft sich spätestens in der zweiten Hälfte teilweise. Bemerkenswert: Bei wenigen anderen Filmen der jüngeren Zeit hatte ich das Gefühl, dass mit dem Abspann statt der tatsächlichen zwei gefühlte drei Stunden vergangen waren - und das trotz aller Exotik.
Irgendwie kein Wunder, dass mit zunehmender Verflachung am Ende quasi konsequent ausgelassen gefestet, klischeehaft geliebt wie gestorben und schlussendlich gar getanzt wird! Positiv gesehen ist dies natürlich charakteristisch für das indische Bollywood-Kino, zumindest leicht negativ behaftet bleibt es wohl für den normal-durchschnittlichen westlichen Zuschauer.

Schade, dass sich "Slumdog", je weiter er fortschreitet, von seinen ernsthaften dramatischen Ausgangs-Elementen verabschiedet und sich mehr und mehr der seichten, reinen Feel Good-Unterhaltung zuwendet. Potential leichtfertig verschenkt! Somit disqualifiziert sich Boyles teils überstyltes, aber doch irgendwie sympathisches und mit einigen wirklich tollen Einfällen gespicktes Indienabenteuer doch ein erhebliches Stück, was die Auszeichungswürdigkeit anbelangt.
Aufgrund der innovativen Grundsituation und der indischen Exotik ist "Slumdog Millionär" natürlich in jedem Falle ein Ansehen wert. Insbesondere auch die Jungdarsteller, die die Kindheitsepisoden tragen, sind als absolut erstklassig hervorzuheben.
Die Oskarschwemme für diesen eher oberflächlichen "Blender" bleibt mir jedoch durchgehend schleierhaft.

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