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SLUMDOG MILLIONAIRE (2008)

Das war er also, der Golden Globes-Gewinner 2008 und Oscar-Favorit in der Rubrik bester Film. Dass die Erwartungen an einen solchen Film dementsprechend hoch sind, ist selbstverständlich, doch er hat sie locker erfüllt beziehungsweise übertroffen.
Ganz in Indien steht Kopf: Da hat es tatsächlich der ungebildete Jamal aus den Slums zur letzten Frage in der indischen "Wer wird Millionär?"-Version geschafft. Wie konnte dieser Junge so weit kommen? Hat er geschummelt? Hatte er einen Komplizen? Zumindest ist das die Ansicht des Moderators und die der örtlichen Polizei. Die Wahrheit sieht allerdings anders aus, denn jede Frage hat mit einem prägenden Erlebnis in Jamals Leben zu tun. In Rückblenden wird seine Lebensgeschichte gezeigt, wie er in den Slums aufgewachsen ist und nach dem Angriff der Moslems mit seinem älteren Bruder flüchten muss. Dabei trifft er Latika, die sich den beiden anschliesst. Es ist der Beginn einer grossen Liebe zwischen Jamal und Latika, doch schon bald trennen sich die Wege der beiden. Es gibt Momente, in denen sich die beiden wieder sehen, doch zusammen sein können sie aus verschiedenen Gründen nicht. Als sie sich komplett aus den Augen verloren haben, sieht Jamal in "Wer wird Millionär?", der Lieblings-Sendung von Latika, die letzte Möglichkeit, mit seiner grossen Liebe Kontakt aufnehmen zu können.
Um eines gleich mal vorweg zu nehmen: SLUMDOG MILLIONAIRE hätte auch ohne das „Wer wird Millionär?"-Gimmick funktioniert. Im Grunde zeigt der Film nämlich nichts anderes, als das Leben der ärmsten Schicht von Indiens Bevölkerung und wählt dadurch beindruckende Bilder. Das praktisch komplett mit Wellblech überdeckte Slum-Viertel kann hier stellvertretend genannt werden. Folglich ist es nicht überraschend, dass es in Indien zu Protesten gegen den Film gekommen ist, denn Regisseur Danny Boyle präsentiert die harte Realität, die abseits der Reichenviertel in diesem Land mit über einer Milliarde Einwohner herrscht. Dennoch ist die Geschichte um die Spielshow ein Feature, das den Film speziell macht. Auch wenn der Fokus der Geschichte das Leben von Jamal darstellt, ist die Spielshow quasi das Sahnehäubchen und ein wirklich kreativer Weg, den Film von anderen abzuheben. Dazu trägt auch das indische Pendant zu Günther Jauch bei. Der Moderator spielt nämlich so gut, dass der Zuschauer nur Verachtung für seine Rolle übrig hat. Die Schauspieler agieren sowieso alle auf einem sehr guten Niveau, wenn man bedenkt, dass ausser dem Hauptdarsteller der gesamte Cast vor Ort ausgewählt wurde. Neben dem hervorragenden Drehbuch ist der Film auch technisch einwandfrei. Die Kamera ist exzellent, vor allem die hektischen Verfolgungsjagden wurden perfekt aufgenommen. Zusätzlich überzeugt der Film mit seinem stimmigen Soundtrack. A.R. Rahman setzt auf indische Musik, die mit Elementen moderner westlicher Musik vermischt werden. Ein kleines Highlight ist dann noch die Tanzeinlage vor dem Abspann. Zwar passt diese Szene nicht zum Film, ist aber ein Augenzwinkern in Richtung indisches Kino.
Danny Boyle hat mit SLUMDOG MILLIONAIRE einen Kracher geliefert, der seine anderen Filme klar in die Tasche steckt. SLUMDOG MILLIONAIRE ist ein innovatives Märchen der Neuzeit, das dem Publikum die indischen Missstände knallhart vor die Augen führt. Gegen Ende übertreibt der Film zwar das eine oder andere Mal (Stichwort Telefonjoker), doch wer sich ab diesen Kleinigkeiten nicht stört, wird mit diesem Film bestens bedient. Ob es für den Oscar reicht, ist aufgrund der starken Konkurrenz schwierig zu prognostizieren. Verdient hätte es der Film aber allemal.

9/10 P.

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