Ob nun cooler Großstadt-Bulle oder harter Western-Haudegen - Clint Eastwood hat sich im jüngeren Alter einen unverkennbaren Ruf als raubeiniger Held angeeignet. Die letzten Jahre konzentrierte die langsam zur Ruhe kommende Legende ihre Zeit eher auf Regie-Arbeiten - wobei vielgepriesene Werke wie “Mystic River” (2003), “Million Dollar Baby” (2004) und “Letters from Iwo Jima” (2006) entstanden. Mit “Gran Torino” legte Eastwood schließlich seine Abschiedsvorstellung ab, in welcher er neben seiner Regietätigkeit das letzte mal vor der Kamera zu bewundern ist.
Walt Kowalski (Clint Eastwood), ein alter Koreakriegsveteran, hat soeben seine Frau verloren. Da er sich von seinen Söhnen gänzlich entfremdet hat, fristet er nun ein einsames Dasein. Die Nachbarschaft, in der er lebt, hat sich in den letzten Jahren stark verändert und wird nun allen voran von Hmongs, Einwanderer aus Ostasien, bewohnt. Dem äußerst konservativen sowie rassistisch eingestellten Walt missfällt diese Entwicklung gänzlich, was er auch offen und deutlich zum Ausdruck bringt. Eines Tages rettet er aus eher egoistischen Gründen den Nachbarssohn Thao (Bee Vang) vor einer kriminellen Jugendbande. Die Gemeinschaft der Hmong zeigt sich überaus dankbar, doch Walt bleibt bei seiner ablehnenden Haltung. Erst aufgrund der Hartnäckigkeit von Thaos Schwester Sue (Ahney Her) öffnet er sich langsam der fremden Kultur. Die einst vertriebene Gang lässt jedoch nicht locker…
Ein extrem grimmiger Blick in der allerersten Szene, und schon gehört Clint Eastwood die gesamte Aufmerksamkeit des Zuschauers. Mit seiner (un)charismatischen Präsens lenkt er jegliches Interesse auf sich und seine verbitterten Handlungen. Sein Walt ist ein Relikt der Vergangenheit, dessen erzkonservative Weltanschauung sowie Ideologie noch älter und antiquierter wirken als das namensgebende Schmuckstück von Auto in seiner Garage. Selbst ein langjähriger Mitarbeiter bei Ford gewesen, verdammt er jegliche ausländischen Fahrzeuge sowie alle die damit in Verbindung stehen - seinen Sohn inklusive. Diese Boshaftigkeit hat zwangsläufig die Abkehr seiner Familie von ihm zur Folge - Vorurteile und Intoleranz machen eben einsam.
Wie kann es nun sein, dass ein dermaßen festgefahrener und sturer Bock langsam eine Freundschaft zu einer asiatischen Familie aufbaut? Um diese Entwicklung glaubhaft darzustellen, nimmt sich Eastwood enorm viel Zeit. Die einzelnen Etappen von Walts Verwandlung werden ruhig und nachvollziehbar geschildert. Neu wirkt diese Grundidee dabei nicht, jedoch ist sie blendend umgesetzt. Der Film erhält dadurch ein stark gedrosseltes Tempo, welches auch zum Showdown hin nicht beschleunigt wird. Die Regie erweist sich diesem Umstand anpassend ebenfalls als ruhig und schnörkellos. Wer sich einen knalligen Schlussakt erwartet, dürfte enttäuscht werden - der Film bleibt die gesamte Laufzeit über ein einfühlsames Drama in Form einer Charakterstudie, die mit einem Schuss Komik angereichert ist.
Eben jene komödiantischen Aspekte äußern sich in Form von Walts schlagfertigen Beleidigungen, die er seinen Mitmenschen entgegenwirft. Die äußerst wortgewandeten Beschimpfungen richten sich dabei jedoch nicht nur gegen die anfangs verhassten Asiaten; selbst seine irischen und italienischen Kumpels müssen sich die freundschaftlichen Seitenhiebe gefallen lassen. Kraftausdrücke als Bekundung von Nähe und Zuneigung - so wundert es nicht, dass Walt auch nach der Annäherung an Thaos und Sues Famlie seinen rauen Ton beibehält.
Ein solch eindringliches Charakterportrait steht und fällt mit seinem Hauptdarsteller. Clint Eastwood meistert seine Rolle perfekt und reißt den gesamten Film an sich; es gibt beinahe keine Szene, die er nicht mit seinem imposanten Spiel bereichert. Der Übergang vom grimmigen Rassisten zum guten Freund kommt genauso lebendig und glaubhaft daher wie die Bewältigung der Dämonen der Vergangenheit, denen sich Walt aufgrund des Krieges gegenübergestellt sieht. Neben einem solchen Schauspielschwergewicht verblasst die übliche Darstellerriege natürlich etwas. Dennoch liefern Bee Vang und Ahney Her eine so charismatische Vorstellung als Nachbarskinder ab, dass die sich entwickelnde Freundschaft genügend Rechtfertigung findet.
Fazit: Clint Eastwood dominiert seine Abschiedsvorstellung aufgrund seiner schauspielerischen Präsens vollends. Seine ruhige Charakterstudie erweist sich als Plädoyer für Toleranz sowie gegen Gewalt. Vor allem letzterer Aspekt wirkt aufgrund Eastwoods Filmographie äußerst selbstreferentiell und ironisch. Der Altmeister hat mit seiner Vorstellung in "Gran Torino" einen schönen Schlussstrich unter sein Schaffen als Schauspieler gezogen - mögen noch viele Filme mit ihm als Regisseur folgen!
8/10