Einmal noch wollte es Clint Eastwood als Schauspieler wissen und damit ist Gran Torino sein inzwischen dritter Ansatz zu einem grandiosen Abgang - wobei er immer besser zu werden scheint. Knurriger als je zuvor gibt Eastwood den Koreakrieg-Veteranen Walt Kowalski, der trotz Mitgefühl erhaschender Kulisse - die Beerdigung seiner Frau - ganz schnell klar stellt, daß er keine Kondolenz wünscht. Nicht von Menschen, an denen er kein gutes Haar lassen kann, jedenfalls.
Es geht von vornherein um einen pessimismus-umwaberten Generationenkonflikt in einem Vorort der ehemaligen Autostadt Detroit. Walt, der seinen Arbeitsalltag selbst am Fließband von Ford verbracht hat, ist mit seinem gepflegten Haus mit dem wie selbstverständlichen wehenden Star-Spangled-Banner ein Dinosaurier im verkommenden Viertel, welches sich im Verlaufe des Films als von scheinbar armen Einwanderern durchsetzt darstellt. Innerhalb der Familie ist er zutiefst enttäuscht, entrüstet über das Auftreten seiner Enkelin, entsetzt von dem Hochverrat seines Sohnes ausgerechnet japanische Autos zu verkaufen. So sitzt Walt Kowalski bevorzugt auf seiner Veranda, trinkt Bier, raucht und bewundert seinen wie immer frisch geputzten 72er Gran Torino, bei dem er damals selbst die Lenkung eingebaut hat.
Mag auch seine Nachbarschaft verfallen, diesen einen Traum konserviert der verbitterte Mann, nutzt das Fahrzeug nicht einmal auf der Straße. Auch das Publikum weiß angesichts des blutigen Taschentuches nach einem Hustenanfall bald von seinem Gesundheitszustand; glaubt eine gewisse Endgültigkeit zu verspüren. Man fühlt sich an Der Shootist erinnert, mit dem Don Siegel seinerzeit dem der 'Duke' John Wayne einen würdigen Abtritt verschaffte. Deutlich scheinen die Parallelen des totkranken Protagonisten, der, so mag man glauben, noch ein letztes Duell auszufechten hat.
Doch Eastwood interessiert sich wenig für den harten Burschen in dieser Figur, in der er wie selbstverständlich Motive seiner früheren, zwiespältigen Heldenfiguren aus Für eine Handvoll Dollar oder Dirty Harry Revue passieren läßt. Mit einem gestischen Augenzwinkern zum kompromißloseren Vigilante Charles Bronson, der damals die eigentlich für Eastwood geschaffene Rolle in Spiel mir das Lied vom Tod übernahm, unterzieht Eastwood seine eigenen Klischees Stück für Stück einer unvergleichlichen Selbstreflexion. Die politisch unkorrekte Sprache ändert sich dabei kaum. Wohl aber bricht die panzerartige Schale im Verlaufe des Films immer weiter auf und läßt den eigentlichen Menschen Kowalski zum Vorschein treten.
Es beginnt mit Thao Vang Lor (Bee Vang) dem eigentlich zuvorkommenden Sohn seiner Nachbarn. Als eine Gang von ihm als Aufnahmeprüfung verlangt, Walts Gran Torino zu stehlen, stürmt der Besitzer zwar mit der Flinte im Anschlag in die Garage, richtet jedoch kein Blutbad an, sondern nimmt schließlich mürrisch den Entschuldigungsversuch an, bei dem Thao seine Schuld abarbeiten soll. Seinem Reaktionismus gegenüber der beständigen Bedrohung durch die örtlichen Gangs verdankt Walt schließlich die Dankbarkeit der Nachbarschaft, die er zunächst nicht annehmen möchte.
Die Annäherung aber ist nicht mehr aufhaltbar. In Thao findet Walt schließlich einen Zögling, dem er vermitteln kann, was ein Mann seiner Meinung nach ausmacht. Goldig sind in Gran Torino die vorgeführten Dialoge mit Kowalskis alten Freunden, bei denen schnell klar wird, daß einem Wort in Walts Welt eine andere Bedeutung beigemessen, als es gesellschaftlich angenommen wird. Interessanterweise erinnern diese verbalen Gefechte, bei denen sich der Redner stets über sein Gegenüber zu profilieren versucht, an das in der Jugendkultur verbreitete Dissen.
Während die Optionen, die Thao von den Jugendlichen geboten bekommt, sich eher auf illegale Aktivitäten erstrecken, gibt Walt dem Jungen tatsächlich Chancen. Er legt sein Wort für ihn bei einer Baufirma ein, leiht ihm das Geld für eine Grundausstattung und benötigtes Werkzeug aus seinem reichen Fundus in der Garage obendrauf. Gerade als Thaos kesse Schwester Sue (Ahney Her) Walt ganz in seinem Jargon selbstironisch Paroli bietet und ihn darüber aufklärt, daß die Hmong (zu dieser asiatischen Volksgruppe gehören die Lors und sind damit nach dem Kampf auf amerikanischer Seite im Vietnamkrieg in ihrer Heimat noch weniger willkommen, als sie es als Minderheit in den USA sind) seinen Hund in Ruhe lassen würden, da sie nur Katzen äßen und gerade als sich am Buffet der Familienfeier Eintracht eingestellt hat, sorgt die aufgestachelte Gang mit einem erneuten Schlag für Zündstoff.
Die humanistische Rhetorik scheint gerade pathetisch genug, um den Erwartungen des Publikums an die eastwoodschen Paradigmen in Gran Torino mit einem Cross-Dressing zu begegnen. Den physisch im Kinosessel stagnierenden Zuschauer nimmt Eastwood nicht als für sie schlagender Vigilante auf einen dynamischen Feldzug der Gewalt mit, sondern durchsetzt ihre Gedanken über die Identifikationsfigur manipulierend mit Zweifeln und Denkansätzen in zumeist ruhigen Bildern und dialoglastigen Szenen.
So sehr die Botschaft selbstverständlich erscheint, so sehr notwendig scheint sie jedoch auch in Anbetracht der Tatsache, daß soziale Veränderungen das Gleichgewicht eines Miteinanders stetig auf die Probe stellen. Gran Torino schlägt in diesem Sinne gar kein Allheilmittel für eine Eskalation vor, läßt nur leise Anklingen, wie wichtig das aufeinander zugehen und verstehen lernen für ein Auskommen sein kann. Viel wichtiger scheint an dieser Stelle, ob Walt Kowalski schließlich mit sich selbst ins Reine kommen wird.
Analog dazu nutzt Clint Eastwood den offenbar nur eine Nebenrolle spielenden Gran Torino, der laut Süddeutscher Zeitung eigentlich keinen Platz in der amerikanischen Motor-Mythologie habe, da er bereits bei Einführung als unzuverlässige Rostlaube gegolten habe, um seinen persönlichen Status Quo auszuleuchten. Als Subtext dieses Films, mit dem Eastwood eine Apotheose seiner Figuren untergräbt, klingt doch auch der Konflikt eines Schauspielers durch, der sich zwischen neuen Wilden, Menschen, die er vielleicht gar nicht versteht oder die von ihm bereits antiquierte Rollenmuster erwarten und Personen, die ihn schon auf dem Altengleis sehen wiederfindet und der vermehrt Freude daran hat, sein Vehikel zu polieren und zu betrachten, anstatt es auch selber zu fahren.
Nicht zufällig decken sich nahezu der Zeitpunkt an dem Kowalski dem Gran Torino die symbolträchtige Lenkung montiert und zu dem Eastwood seine erste Regiearbeit mit Sadistico - Wunschkonzert für einen Toten abgeliefert hat. Fast bescheiden blickt er in einer seiner besten Vorstellungen auf eine lange Karriere zurück, deren Erbe nun jemand anderes antreten soll. Als Fazit sieht er seine letzten Aufgaben darin, eine neue Generation darauf vorzubereiten, ihr durch seine Regie seinen reiferen Stempel aufzudrücken.
Sollte es tatsächlich seine letzte Rolle gewesen sein, so fällt der Abschied umso schwerer. Gerade hier, wo Clint Eastwood erneut beweist, daß er sehr bewußt in der Gegenwart verweilt und darstellerisch wandlungsfähig ist, mag man sich ein offenes Türchen für eine Rückkehr erhoffen. Trotz aller Wehmut aber erklärt er sich nachvollziehbar, weshalb man seinen Wunsch gern respektiert. Gerührt auf den Abspann starrend hat man mittels Gran Torino vermutlich das adäquate Denkmal dazu erlebt.