Im Falle von Clint Eastwood hat man das Gefühl, dass der Mann mittlerweile keine schlechten Filme mehr machen kann, nur der Grad von gut muss halt bestimmt werden.
„Gran Torino“ beginnt mit einer Irritation, denn man mag ein Drama erwarten, aber bereits der Auftakt steckt voller komödiantischer Übertreibungen: Bei der Beerdigung der Frau von Walt Kowalski (Clint Eastwood) taucht die Enkelin erst mal bauchfrei auf, tippt während der Zeremonie laut auf ihrem Handy rum und nervt bei der Totenwache mit Fragen, ob sie Walts Auto und Couch haben könne, wenn er dann mal nicht mehr ist. Das wirkt zwar klischeehaft, gibt Walt aber Raum für seine charakteristischen Ausraster – es werden nicht die letzten sein.
Allerdings ist Walt der letzte Weiße in der Gegend, ein stolz-patriotischer Koreakriegsveteran, der dabei die eigenen polnischen Wurzeln sowie die italienische Herkunft seines Frisör-Kumpels ignoriert, wenn es darum geht gegen die asiatischen und schwarzen Fremden im Viertel zu hetzen. Darin steckt schon wieder eine gewisse Ironie die den Film durchzieht. Besonders witzig auch die Konfrontationen mit der alten Nachbarsfrau, zugehörig dem asiatischen Hmong-Volk.
Als Nachbarsjunge Tao Vang Lor (Bee Vang) Walts Torino zu stehlen versucht, da ihn die Gang seines Cousins dazu zwingt, erwischt ihn der alte Veteran. Doch gerade dadurch entsteht erst der Kontakt, der Walt neue Freundschaften mit den Nachbarn verschafft...
Eastwoods neuestes Werk ist schon ein eigensinniger Film, der an sich auf einer hochkonventionellen Prämisse fußt, nämlich der Läuterung des griesgrämigen Einsiedlers. Doch reichert Eastwood den Plot mit einer Reflektion zum Thema Selbstjustiz an, einem Gebiet, auf dem er dank „Dirty Harry“- und Westernerfahrung kein Unbekannter ist, und spielt dabei mit den Regeln des Genres, denn „Gran Torino“ verläuft nicht unbedingt so, wie man es nach „Erbarmungslos“ erwarten könnte, auch wenn man derartige Enden wie hier durchaus schon mal gesehen hat.
Doch Selbstjustizreflektion hin oder her, „Gran Torino“ ist vor allem eines: Eine One-Man-Show für Clint Eastwood. Er gibt den alten bärbeißigen Kowalski einfach hinreißend, denn hinter all der Granteligkeit und den derben Sprüchen steckt eine Form von enttäuschter Menschlichkeit und eine ganz eigene Herzlichkeit, die man sich aber verdienen muss. Doch auch die unbekannten Jungdarsteller der asiatischen Nachbarskinder sind absolut überzeugend, ebenso der Rest vom Cast.
Über weite Strecken gibt sich die Eastwood-One-Man-Show dann sogar recht komödiantisch und feuert die politisch nicht gerade korrekten, aber gerade dadurch ausgesprochen witzigen Tiraden seiner Hauptfigur ab. Wahnsinnig unterhaltsam ist vor allem jene Szene, in der Walt Tao beim Frisör männliches Verhalten beibringt, doch auch sonst strotzt „Gran Torino“ nur so vor tollen Sprüchen („And now she’s walking of with Click Clack, Ding Dong and Charlie Chan.“).
Und das alles ist durchaus gut so, denn der Drama-Aspekt ist nicht unbedingt der frischeste, die x-te Leier davon, wie schlecht und ausgrenzend unsere Gesellschaft doch Senioren behandelt, die kann doch kaum noch einer hören, zumal die coolen Filmsenioren selten etwas mit den realen Rentnern zu tun haben, die man tagtäglich trifft. Eastwood weist durchaus auf Missstände hin, nutzt aber auch dieser eher zur komödiantischen Einlage, z.B. bei der Geburtstagsszene, in der Walts Sohn nebst Frau dem fitten Herrn Papa erst ein Telefon mit Riesentasten schenken will und danach andeutet, ihn demnächst in ein Altenheim verpflanzen zu wollen.
„Gran Torino“ ist ein echter Eastwood: Langsam erzähltes, aber dennoch fesselndes Kino mit gediegenen Bildern und einem tollen Soundtrack (vor allem der von Eastwood selbst gesungene Titelsong). Sicherlich ist die Prämisse altbekannt und die Klasse eines „Million Dollar Baby“ oder eines „Letters from Iwo Jima“ nicht erreicht, doch toll gemacht ist „Gran Torino“ trotzdem.