Es ist die Bilanz eines unerbittlichen Helden, - oder jener Figuren, die Clint Eastwood einst verkörperte. Nur ein Altmeister wie er vermag seiner einstigen Rollen dermaßen den Spiegel vorzuhalten, sie pointiert zu reflektieren und gleichermaßen mit Pathos und Ironie zu versehen, dass daraus ein richtig rundes Werk entstehen kann.
Dabei bietet sein „Grand Torino“ weitaus mehr, als den bloßen Abgesang eines Westernhelden.
„Ich bin kein guter Mensch“ sagt Walt (Eastwood) irgendwann zu seiner jungen Nachbarin Sue. Und tatsächlich ist man sich als Zuschauer erst nicht sicher, ob man den notorischen Nörgler, der sich als frisch gebackener Witwer mit rassistischen Neigungen gegenüber seinen neuen Nachbarn, der ostasiatischen Hmong-Gemeinde äußert, mögen soll.
Er wirkt wie ein Callahan im Ruhestand, der auf der Terrasse sitzt, seine Zigarette raucht, ein Bierchen zischt und ansonsten seinen titelgebenden 72ger Ford poliert.
Als der sechszehnjährige Nachbarsjunge Thao, angetrieben von einer Jugendgang, sein Schmuckstück aus der Garage stehlen will, entsteht aus der anfänglichen Abneigung eine ungewöhnliche Freundschaft.
Es ist immer wieder erstaunlich, mit welch ruhiger Hand Eastwood seine Streifen in Szene setzt und es fertig bringt, scheinbar gegensätzliche Emotionen miteinander zu kombinieren und daraus eine runde Sache zu formen.
Sein Zyniker Walt macht einfach Laune, man leidet mit ihm, wenn er Blut hustet und gluckst in sich hinein, wenn er aus der Asiatin Youa einfach Miss JamJam formt und ist fasziniert bei seinen Schilderungen aus dem Koreakrieg, dessen leidvolle Erfahrungen man seinem oft verbitterten Gesichtsausdruck schlicht abnimmt.
Darüber hinaus verkörpert Walt noch mehr: Er ist das Bindeglied zwischen den Kulturen, den Generationen und nicht zuletzt, die Zusammenfassung Eastwoods Figuren früherer Heldenzeiten.
Tragisch und urkomisch zugleich, kann man einfach nicht genug bekommen vom erzkonservativen Menschenfeind, der sich innerhalb der Hmong-Gemeinde endlich mal wieder wohl fühlt und in Thao eine Art Sohn-Ersatz findet, da die Distanz zu seinen eigenen Kindern unüberbrückbar scheint.
Dabei entstehen nicht selten Parallelen zu seinen fernöstlichen Nachbarn, da beide von (selbst)bestimmten Traditionen gelenkt werden und beider Vergangenheit von Gewalterlebnissen geprägt ist. Dass sich hier die Gewalt nach und nach hochschaukelt, da diverse Jugendbanden unterwegs sind und ein Walt immer eine Knarre in der Jacke hat, bildet nur eine weitere Nuance des vielseitigen Streifens, der gegen Ende ernstere Töne einschlägt.
So viele Momente entfesseln diesen „wie geil war das denn“ - Effekt, ob es diverse Unterredungen mit dem jungen Pater sind, ein Versuch, Thao beim italienischen Friseur „Männersprache“ mit Fluchen beizubringen oder die Beziehung zur Oma der Hmong-Familie, die oft nur aus gegenseitigen Anschauen besteht, - es ist eine wohl durchdachte Ansammlung großartiger Szenen mit viel Gefühl und einer vielschichtigen Story, die einmal mehr untermauert, dass Eastwood nach wie vor dazulernt und immer noch einen drauf setzen kann, auch, oder vor allem im Kontext der eigenen Schaffenszeit.
Spannend, mitreißend und in jeder Hinsicht emotional fesselnd:
„Gran Torino“ – Grande Capolavoro – ein Meisterwerk,
9,5 von 10