Clint Eastwood zählt genauso wie ein "Gran Torino" nicht zu den alten Eisen des Filmgeschäfts, sondern vergleichbar mit dem beeindruckenden Blickfang des oben genannten Oldtimers, kommt Eastwoods neuste Produktion daher. Obwohl Eastwood am 31. Mai 2009 stolze 79 Jahre vorweisen kann, dreht er einen erfolgreichen Film nach dem anderen und wie er von sich selbst sagt "genießt er das Leben in vollen Zügen".
Gran Torino spielte allein in Amerika 29 Mio Dollar am ersten Kinowochenende ein und stellte damit den erfolgreichsten Start einer Eastwood-Produktion dar. Eastwood, der mit mittlerweile 4 Oscarauszeichnungen aufwarten kann (als Regisseur) hat mit Gran Torino den Nerv der Zeit sehr gut getroffen.
Story:
Walt Kowalski ist das Paradebeispiel für den konservativen Amerikaner. Nach dem Tod seiner Frau fristet er sein trübes Dasein in einem Vorstadtörtchen, wobei er mittlerweile nur noch der einzig verbliebene und letzte "Amerikaner" ist und das Viertel sich zunehmend durch die Sesshaftigkeit anderer Nationalitäten auszeichnet. Jedoch gelingt es seinen asiatischen Nachbarn das Eis zu brechen und neue Welten tun sich für den Eigenbrödler auf.
Kritik:
Eastwood spielt in seinem neusten Streifen einen rassistischen, konservativen und patriotischen Amerikaner, der von den Wirrungen des Krieges albtraumhafte Erfahrungen in seiner Seele hegt. Durch die Kontakte zu seinen vietnamesischen Nachbarn, werden jedoch seine Ansichten über diese Volksgruppe immer mehr relativiert. Sehr positiv hervorzuheben ist, dass diese Thematik - im Zuge unserer weltweiten Globalisierung - mehr denn je den Nerv der Zeit ansprechen. Die Thematik des fremden Nachbarn und der Abschottung gegenüber diesen Menschen wird von Eastwood mit sehr deutlicher und grober Sprache zum Ausdruck gebracht. Hier sei gleich gesagt, dass man den Film unbedingt in Originalsprache ansehen sollte, da die deutsche Synchro ausdrücken wie "son of a bitch" oder "googs" einfach nicht gerecht werden kann.
Das Aufbrechen und Respektieren der fremden Kultur zeigt sich deutlich auch in einer großen Familienszene. Hier finden wir die vietnamesischen Familien bei einem Familienfest, zu welchem Walt eingeladen wird. Dort macht er teilweise positive wie negative Erfahrungen und lernt auch die kulturelle Bedeutung von Gepflogenheiten wie dem "ständigen Blick nach unten" kennen.
Neben dem Aufbrechen kultureller Traditionen beinhaltet "Gran Torino" aber auch eine weitere aktuelle Thematik: Abfall unserer ethischen Werte. Der Nachbarsjunge Tong zeigt sich als moderner Mann von heute. Im Zuge der Verweiblichung der früheren Männerwelt beschäftigt er sich mit Gartenarbeit, Hausputz und Einkaufen, anstatt die markanten männlichen Themen wie Maschinenbau, Handwerk sowie Mut zur großen Klappe aufzuweisen. Selbstverständlich ist es sicherlich kritisch zu sehen, dass ein Mann sich hauptsächlich durch solche Klischees definieren soll, dennoch dient diese durchaus überspitze Charakterzeichnung verstärkend. In dieser Darstellung sprechen noch die alten guten traditionellen Werte. Deutlich erkennar an der Szene, als Tong einer alten Frau hilft, ihre Einkaufstasche einzupacken. Zuvor liefen drei Jugendliche an ihr vorbei und machten sich noch über sie lächerlich.
Eastwoods Kritik an der aktuellen Gesellschaftsentwicklung ist unschwer zu erkennen. Der Erfolg seiner Produktion bestätigt dies. Ethisch und moralisch hochstehende Werte werden von Eastwood wieder neu belebt.
Ein weiterer großer und sicherlich immer brisanter werdender Konflikt ist das Thema des Bandenkrieges. Eastwood plädiert auch hier wieder moralisch sehr hochstehend, denn im Gegensatz zu dem am Schluss erwarteten Waffenaufstand eines einzelnen Mannes - es sei nur an diverse Dirty Harrys erinnert - versucht Eastwood im Sinne von Aufopferung den Konflikt zu lösen. Anstatt "Auge um Auge und Zahn um Zahn" ergreift er die Methode der zur Schaustellung des Bösen und erreicht somit die Bestrafung der Bösen. Mit Sicherheit ist Eastwood hier durchaus eine heroische Rolle einzugestehen, da sich der alte Kriegsveteran Walt durch diesen letzten Aufopferungsakt das Lob verdient, welchen er Zeit seines Lebens anscheinend nie erlangen konnte. Die Tatsache, dass an seinen Händen schon Blut klebt und er die Bilder nicht mehr aus dem Kof verlieren kann, in denen er einen Menschen töteten sprechen für sich. Diese Szene ist mitunter eine der imposantesten des ganzen Filmes.
Der letzte Kritikpunkt Eastwoods beschäftigt sich mit dem Thema Familie. Schonungslos wird das Familienleben unserer Zeit aufgezeigt. Ein jeder ist sich nur noch seines Glückes Schmied. Inwieweit älternde Menschen noch eine Rolle im Leben der eigenne Familie spielen, zeigt Eastwood kompromisslos und unbarmherzig auf. Wiederum eine starke Kritik an der heutigen gesellschaftlichen Entwicklung. Der Umgang mit seinen Kindern liegt sicher in beidseitigem Verschulden, aber wenn seine Enkelkinder nur noch scharf darauf sind, den "Gran Torino" zu bekommen, anstatt sich um Opas Leben zu sorgen und die Kinder ihren altgedienten Vater ins Pflegeheim abschieben wollen, müssen wir doch anerkennen, dass dies die heutzutage gängige Reaktion auf das Älterwerden ist.
Fazit: Eastwood stellt in seinem neuesten Film ein gesellschaftskritisches Drama vor, welches zu beeindrucken weiß. Er unterstreicht durch die Darstellung des Fremden einmal mehr, dass die abstoßende Haltung zumeist aus Unkenntnis geschieht. Deutlich plädiert er dafür, dass die alten Feindbilder endlich abgelegt werden müssen und ein Vernunftstreben an den Tag gelegt werden soll. "Gran Torino" greift heutige Vorurteile und Ressentiments auf und führt sie brillant ad absurdum. 9/10 für einen absolut sehenswerten Moralstreifen.