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„Keine Aufregung, wir sind nur von der Polizei!“

Der in erster Linie für seine Gialli bekannte italienische Genre-Tausendsassa Sergio Martino („Der Killer von Wien“) bediente in den 1970ern auch das seinerzeit beliebte Poliziesco-Genre, also den italienischen Polizeifilm. Sein 1975 veröffentlichter „Die Killermafia“ mit dem französischen Ex-Model Luc Merenda („Der Mann ohne Gedächtnis“) in der Hauptrolle wirkt dabei wie die exploitative Variante einen Polit-Thrillers à la Damiani.

In Italien grassiert eine Mordwelle, die einen ranghohen Militäroffizier nach dem anderen das Leben kostet. Die Täter versuchen dabei, ihre Taten wie Selbstmorde aussehen zu lassen. Inspektor Giogio Solmi (Luc Merenda) ermittelt im Fall eines recht offensichtlich zum Mordopfer gewordenen Erpressers, die Spuren führen zu einer jungen Prostituierten (Paola Tedesco, „Die Stimme des Todes“). Diese jedoch entkommt selbst nur knapp einem Mordanschlag und weist jegliche Schuld von sich. Je tiefer Solmi in den Fall einsteigt, desto mehr kommt er hinter eine großangelegte politische Verschwörung, in deren Zusammenhang auch die Morde an den Militärs stehen. Wer steckt dahinter und, für den Moment noch wichtiger: wem kann er überhaupt noch trauen?

„Geld ist alles, mein lieber Herr Kommissar!“

Die deutsche Fassung beginnt mit drei recht drastisch gezeigten Morden und macht auch nicht Halt vor weiteren Verstümmelungen der Opfer. Eines wird beispielsweise aufs Gleis gelegt und vom Zug überrollt, so dass Blut auf die Kameralinse (!) spritzt. Auf diesen herben Einstieg verzichtet die internationale Fassung, die am Tatort des mit einem Schürhaken erschlagenen Mordopfers einsteigt. „Die Killermafia“ legt zunächst ein hohes Tempo vor. Eine Rückblende nach 20 Minuten zeigt, was wirklich geschah und als sich der Geheimdienst einschaltet, sind Solmi und der Zuschauer gleichermaßen mittendrin im sich durch mehrere Institutionen ziehenden Polit-Thriller, der wie eine ganze Reihe weiterer italienischer Filmproduktionen die korrupte Führungsriege harsch kritisiert und die akute Gefahr eines Putsches von rechts aufgreift. In „Die Killermafia“ wird nicht nur wichtiges Beweismaterial in Form eines Tonbands im Büro der Staatsanwaltschaft vernichtet, sondern skrupellos über Leichen gegangen: Ein jeder, der zu viel weiß, wird kurzerhand um die Ecke gebracht (und Solmi somit sämtlicher Zeugen beraubt), wobei sich kein Ort als sicher erweist: Falsche Pfleger dringen in ein Krankenhaus ein und mähen das Wachpersonal mit Maschinengewehren um, eine falsche Motorradstreife schießt auch in Polizeiwägen und hat Solmi endlich unter Zuhilfenahme von Folter ein Geständnis erpresst, wird eine Gefängnisrevolte anberaumt und der Delinquent vom Dach gestoßen. Kein Wunder, dass auch Solmi bald ins Visier gerät, bei einem ihm geltenden Bombenanschlag stirbt sein Partner.

„Nehmen Sie doch Vernunft an! Warum wollen Sie alle gegen sich haben?“

Nachdem Martino für einige gewichtige Dialoge das Tempo zwischenzeitlich etwas gedrosselt hatte, zieht er es alsbald wieder deutlich an, bietet viel mal mehr, mal weniger unvermittelt auftretende Action-Einlagen, darunter eine wirklich aufregend gefilmte, spektakuläre Verfolgungsjagd, in die gleich mehrere Kraftfahrzeuge verwickelt sind. Höhepunkt ist die Sprengung eines Paramilitärcamps, bei der es wie im Kriegsfilm zugeht: Wilde Schießereien, Hubschrauber-Stunts und Handgranatenwürfe. Gleichberechtigt ist jedoch die Handlung, die (Achtung, Spoiler!) die Zusammenhänge zwischen Kapital, Geheimdiensten und Faschismus aufzeigt, indem sie die Spur zum Industriellen Martinetti (Claudio Gora, „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“) führen lässt, der sich in seiner ersten Szene direkt über „linksgerichtete Schmierblätter“ auslässt und einen Staatsstreich plant. Mit von der Partie ist der italienische Geheimdienst in Form von Captain Mario Sperli (Tomas Milian, „Die Kröte“), der schließlich antidemokratische Reden schwingt. Auch ausländische Geheimdienste kommen ins Spiel, Verfassungsschutzmitarbeiterin und Solmis Freundin Maria (Delia Boccardo, „Das wilde Auge“) steht u.a. mit dem BND in Kontakt. Stilecht und genretypisch fällt das Ende desillusionierend und pessimistisch aus.

„Das ist eine politische Angelegenheit!“

Darstellerisch reißt „Die Killfermafia“ keine Bäume aus, doch Merenda macht seine Sache grundsolide. Tomas Milian findet sich in einer für ihn ungewöhnlichen Rolle als Geheimdienstchef, die er ruhig und besonnen statt wie sonst üblich besonders exaltiert oder exzentrisch spielt. US-Amerikaner Mel Ferrer („Krieg und Frieden“) als Staatsanwalt beschränkt sich auf das Nötigste. Mit seiner rauen, rasanten und polterigen Inszenierung ist Sergio Martino die Melange aus klassischen Poliziesco-Motiven und hochbrisanten Polit-Thriller-Elementen recht gut gelungen, wenn man ihm den Anspruch, den er vorzugeben scheint, auch nicht ganz abnimmt und „Die Killermafia“ doch eher nach dem Mitschwimmen auf einer Erfolgswelle aussieht. Eine gewisse Plakativität, wenn Solmi die Staatsform derart flammend verteidigt, dass er keinerlei Veränderung an ihr duldet und die Naivität, dass Verfassungsschutz, BND und Konsorten zweifelsohne auf der Seite der Demokratie stünden, lassen ebenso darauf schließen wie die Versuche, möglichst viele verschiedene Genre-Charakteristika unterzubringen. So darf sich ein Polizist ausgiebig über gestiegene Preise beklagen und sich als unterbezahlter Kopfhinhalter stilisieren, während man Solmi die Härte und Kaltschnäuzigkeit eines Selbstjustizbullen anzudichten versucht, wenn er einen Verdächtigen foltert und damit auch noch Erfolg hat, der Zweck also die Mittel heiligt. Auch das Ende, das ich hier trotz meiner relativ vielen Spoiler nicht auch noch verrate, gab es so ähnlich schon des Öfteren. Eine rein exploitative Ausschlachtung möchte ich Martino indes nicht unterstellen, eher den recht geglückten Versuch, den Anspruch eines Diamiani mit der Action eines Castellari und dem Polizeibild eines Lenzi zu vereinen. Dass die jeweiligen „Originale“ für sich genommen meist noch besser sind, steht derweil aber außer Frage.

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