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Mit einer kleinen Szene noch in der Vorbereitung auf das Kommende erreicht Ip Man, die vierte, seit Oktober 2007 geplante Wilson Yip / Donnie Yen Kollaboration, auf leichte Weise die vollständige Sympathie des Zuschauers. Die klar animierte, aber auch sorglos-unbeschwerte und unscheinbar verträgliche Zuneigung zu Jemand und zu Etwas.

Das Ideal, dessen Biographie hier als "Druck die Legende" inszeniert wird, steht in seinem voll Kostbarkeiten angehäuften Trauten Heim, mit dem Rücken zur Wand, vor und neben ihm die schiere Masse an Kitsch und Tand, der Dekoration eines wahllos überfüllten Museums gleich. Gegenüber sein nächster Gegner, Jin Shan Zhao [ Fan Siu-Wong ], ein brute force außerhalb der Stadt, der wie so viele vor ihm die Herausforderung des Besten anstrebte und Ip Man [ Donnie Yen ] unablässig zu einem Duell drangsalierte, nachdem er zuvor die Lehrmeister der gesamten Stadt in einer Abfolge kurzer, prägnanter, einseitiger Kämpfe bezwang. Auch hier ist die Auseinandersetzung bisher unerfüllt, Einer greift stetig an, Einer verteidigt sich nur, blockt ab und weicht den Schlägen aus. Vasen gehen zu Bruch und Holz ist gesplittert. Da kommt der kleine Sohn Zhun [ Li Ze ] des Zurückgedrängten auf seinem Dreirad um die Ecke gefahren, im Bogen um seinen Vater herum und richtet ihm ohne weiteren Stopp oder Aufzublicken aus, daß seine Mutter ihn doch bittet, sich nun mal in die Offensive zu begeben, bevor noch ihr weiteres Verzier im Zimmer kaputtgeht.

Die erzählerische Lakonie dessen, die Auflösung in sanften Überraschungen mit einfachen, aber umso bestechenden Witz, die nächste schlichte, aber auf das exakte Timing gebrachte Pointe gleich im Anschluss, als Jin Momente später besinnungslos auf den Boden gekracht ist und dort erstmal für weitere Augenblicke wie im Sekundenschlaf die unbequeme Position zwischen dem Mobiliar hält. All dies braucht der Film im Fiktionsbewusstsein als Rückhalt für Zukünftiges, als Anlage von Wohlgefallen und Wollwollen, als innere Wechselbeziehung zwischen dem Porträtierten und den Außenstehenden. Denn dies ist nicht die erste und einzige beschwingte Szene im bisher fließenden Gang. Aber die Letzte.

Denn in den hektischen Wochen und Monaten danach haben sich die Umstände geändert, ist die Zeit umgebrochen, von 1935 zu 1938, von Frieden zu Krieg. Die einstmals so lebhafte Stadt Foshan, Guangdong, dessen Prunkbauten im Kuomintang paradise wie frisch gemalert vor sich hin glitzern, wo nur Sommer, Sonne, Frohsinn und reges Geschäftstreiben herrschte, ist nun von den Japanern okkupiert. Yip Man ist mit seiner Frau Zhang Yong Cheng [ Lynn Hung ] und dem kleinen Mann in eine notdürftige Unterkunft gezogen, und arbeitet mit seinem Freund Zealot Lin [ Xing Yu ] in der Kohlenmine mühsam einige wenige Essensvorräte zusammen. Die örtliche Baumwollspinnerei von Zhou Qingquan [ Simon Yam ] wird regelmässig von durch Jin angeführten Plünderern, darunter auch Lins jüngerer Bruder Shao Dan Yuan [ Wong You-Nam ] ausgenommen. Der einstige Polizeichef Li Zhao [ Gordon Lam ] dient der Fremdherrschaft von General Miura [ Ikeuchi Hiroyuki ] und Colonel Sato [ Shibuya Tenma ] als Übersetzer und Lakai.

Plünderungen und Verwahrlosungen haben die von zinnoberroten nissho-ki beflaggte Gegend in ein Elendsviertel verwandelt, und falls man die Einschätzung des Ausmaßes des Zweites Weltkrieges und die unmittelbaren Folgen des Debakels trotz der rapiden Abblende der glücklichen Vergangenheit und der anschliessenden Aufblende trostloser Gegenwart dennoch nicht mitbekommen hat, wird im Bild einfach die Farbe abgedreht. Was zuvor in der 11,5 Mio USD Produktion märchenhaft bunt war, ist jetzt als extrem beschleunigten Wandlungsprozess im Grunde genommen schwarzweiß, und ähnlich simpel oder auch schlicht bleibt die narrative und somit auch dramaturgische Unterhöhlung des Geschehens. Mit einem Gedankengebäude in Modellhaftigkeit, dass seit jeher den chinesischen Martial Arts Filmen ihr Bewußtsein und der Identifikation und Konstruktion ihre Nahrung geben hat. Der Widerstreit mit den Japanern, den imperial thugs, hier zwar nicht gleich wie sonst üblich durch asiatische Hitlerbärtchen verkörpert, aber gelegentlich vom Charakter her bzw. dem vollständigen Fehlen dessens mehr als nahe dran. Blut fliesst auf den Reis.

Das Drehbuch weniger eine Fühlungnahme auf die reelle Person des Ip Man, auch nicht als Kommunikation oder gar Lektion in dessen Wing Chun, die Technik, die Philosophie dahinter, für dessen Sinnensein man wohl die seit 2001 angekündigte, nunmehr wieder aufgenommene The Great Master Bearbeitung durch Wong Kar-Wai abwarten muss. Sondern als selbst entwickeltes period piece Matinee-Szenario im kulturellen Repertoire, dass sein Darstellen und Erleben aus dem Urquell des Genres und der Rückkehr zum Goldenen Zeitalter dessen bezieht, und auch wenn eine wahrhaft vielschichtige Herangehensweise verneint werden muss, man sich in der Ergänzung verschiedener konventioneller sozialer Rollen einen Phantasieraum mit Entfaltung und Interesse am Entwicklungsausgang erschafft.

Dabei kann man beim Ausgangsmaterial und seinen ebenso gezielten und umso dichteren Eingriffen nicht nur auf den offensichtlich als Inspiration dienenden Fearless zurückgehen – der in Schauwerten und Reflexion Primus bleibt – , sondern per Blindflug gleich weiter in Jet Lis Filmographie, zu Fist of Legend, oder auch zum mit anderen Antagonisten ausgestatteten, aber ebenso vorgehenden Born to Defend; allesamt gleichfalls abseits von Wirklichkeitstreue und Lebensechtheit, aber dafür direkt am Unterhaltungswert gesetzt. Auch hier ist eine naturalistische Wiedergabe nicht Thema, Sinn und Zweck, sondern die massenattraktive Integration in die magnetischen Momente von zuweilen extremer emotionaler Spannung, hervorgerufen durch die konfliktbestimmte Handlung im Fünf-Akt-Schema, der moralischen Kontuierung, den konzentrierten Aussagen, dem knapp skizzierten und durchkalkulierten Diagramm in aktueller Bildästhetik. Das eigene wahre Wesen erlangt der Film durch die vorhangartige Akzentuierung in verschiedenen formalen Ausdrucksarten, dem Aufgreifen der physischen Ressourcen und der zeitlos kontinuierlichen Zeichenhaftigkeit.

Sicherlich mit entscheidend sind vor allem die performative Darstellung durch Donnie Yen [und Gordon Lam], der 2008 erstmals gelöst und auch reif genug erscheint, um mehrere unterschiedliche Facetten des überlebensgroßen Nationalhelden auch trotz Gefahr einer verklärenden Stereotypisierung abzubilden. Beeindruckend gerade aufgrund seines fortgeschrittenen Alters und diverser Blessuren und Verletzungen auch die kinästhetisch brachiale Phänomenalität der Kampfattraktionen, ob nun atmosphärische, mit visuellen Feingeist verwöhnende Beschreibungen von kontrollierter Kraft und dem Fokus auf der Struktur. Dem stetige Steigern der Kraft in jeder Technik und seiner Liebe zum Detail. Oder dem verstörenden Charme des Rohen, hinsichtlich der Plötzlichkeit und auch der choreographischen Umsetzung irritierenden Gewaltdarstellungen frei von jeder inszenierten Ästhetik, eine wüste Abfolge von stumpf niederprügelnden Schlagsequenzen als Katharsistheorie.

Fortsetzung[en] geplant.

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