Die Branche ist kommerziell sehr lukrativ, allerdings haftet ihr immer noch der Hauch des Unmoralischen und Verbotenen an. Kaum einer gibt öffentlich zu, die Produkte, die diese Industrie herstellt, zu konsumieren. Ihre Akteure geraten schnell in die Peripherie der Gesellschaft, wenn sie sich aus ihrem Beruf zurückziehen. Die Rede ist von der Pornoindustrie und den DarstellerInnen, Produzenten und Regisseuren ebenjener Filme für Erwachsene, die man in jeder Videothek hinter der Tür mit der Aufschrift „Zutritt nur ab 18 Jahren" finden kann.
Der ehemalige Extremsportler Jens Hoffmann hatte bereits 2003 die Idee, einen Dokumentarfilm über die Pornoindustrie zu drehen und begann 2005 zunächst, in Berlin und Prag zu recherchieren. Dann gelang es ihm jedoch, durch Marc Spiegler, einem bekannten Agenten im Business, und Darstellerin Belladonna erste Kontakte im San Fernando Valley, der größten Pornoindustrie der Welt, zu knüpfen, wo an 9to5 - Days in Porn schließlich auch anderthalb Jahre gedreht wurde. Im fertigen Film verfolgen wir jedoch nur elf Personen über einen Zeitraum von sieben Monaten bei ihrem Werdegang in der amerikanischen Sex-Traumfabrik*.
9to5 - Days in Porn gibt einen mutigen Einblick in das Business, geht trotz seiner eher episodenhaften Erzählstruktur, welche nach und nach einige Akteure des Business wie Belladonna, Sasha Grey oder Katja Kassin porträtiert, auch allgemeinen Fragen nach. So wird die Frage nach dem Motiv, den die meist noch jungen Menschen haben, ins harte Pornogeschäft einzusteigen (meist Ruhm oder Reichtum), ebenso angesprochen wie die Grenzen, wie weit ein Porno gehen darf und welche Sex-Praktiken die Würde der Frauen verletzen oder unmoralisch sind sowie die medizinische Frage nach (Geschlechts-)Krankheiten und wie weit sie verbreitet sind.
Hier offenbart sich jedoch die große Schwachstelle des Films: Die kritischen Untertöne kommen etwas zu kurz und bei der Anzahl von elf Protagonisten gerät deren Porträtierung bisweilen etwas oberflächlich. So erfahren wir beispielsweise von Pornodarsteller und Regisseur Otto Bauer, dass er eine verdammt coole Sau ist und während kürzester Drehpausen schon mal ein Bier trinkt oder Gras ordert, wenn er seinen Mann stehen muss. Aber wie seine Frau Audrey Hollander (ebenfalls Pornodarstellerin) konkret darüber denkt, erfahren wir nicht, weil sie zu wenig Screentime abbekommt, obwohl sie eine der Menschen ist, die porträtiert werden. Stattdessen ist dieser Dokumentarfilm zuweilen etwas zu sehr in sich selbst verliebt, wenn er in ebenso pittoresken wie dynamischen Aufnahmen der Großstadt und ihrem Straßenverkehr oder seiner eigenen basslastigen Musikuntermalung schwelgt.
Vielleicht wäre bei 9to5 - Days in Porn weniger tatsächlich mehr gewesen. Zwar wurde aus fünf Stunden verwertbarem Material die Essenz herausdestilliert, jedoch zu Lasten des Tiefgangs. Es fällt eine gewisse Unentschlossenheit auf, die zwischen intimen Porträt und einem größeren Querschnitt besteht, der möglichst stylish darauf aus ist, das oberflächliche Porträt einer oberflächlichen Industrie zu zeichnen und dabei seine eigenen Prinzipien zu verraten, seinen Akteuren Zeit zu geben. Männliche Darsteller seien - so Jens Hoffmann - meist uninteressant gewesen, weswegen man sich zum großen Teil auf weibliche konzentriert habe, aber das entschuldigt nicht dafür, sie wie eine unangreifbare Fassade zu behandeln und es zu vermeiden, nachzufragen. Denn an Potenzial war dafür viel vorhanden.
Am Ende bleibt ein mutiger und stets unterhaltsamer Film, der interessante Erkenntnisse liefert und sein Thema zwar nicht mit Kneifzangen anpackt - was einige authentische Einblicke ins Tagesgeschäft beim Pornodreh beweisen -, sich aber auch nicht der Zeigefreudigkeit hingibt. Bei diesem Punkt hält 9to5 - Days in Porn die Waage. Ob der Film jedoch jemals einen deutschen Kinostart bekommen wird, ist aufgrund seiner Thematik, die bei deutschen Filmförderungsanstalten immer noch als anrüchig gilt, fraglich. Dass Menschen mit Bedürfnissen und Lastern hinter der Entstehung eines Pornos stecken, wurde deutlich gemacht. Dass sie jedoch charakterlich ambivalenter sind, als fünf bis zehn Filmminuten darzustellen imstande sind, jedoch auch (6/10).
* Dies bezieht sich auf die 94 Minuten-Fassung, wie sie auf dem Exground Fimfest in Wiesbaden gezeigt wurde.