Review
von Con Trai
Schlagwörter, die noch vor wenigen Wochen die Runde machten, Thesen aufstellten, Metaphern heraufbeschwörten und mal mehr und mal weniger geeignete Vergleiche angesichts der Olympiade in und der Propaganda durch eine Großmacht mit weiterem Führungsanspruch zogen. Hier wie dort wurden in der Faszination von Bildern und ihren erschaffenen Fantasiewelten das Politikum und seine Ideologie, das Zwielichtige und Hässliche in dem nach außen hin vorgeblich so Schönen gesucht und auch entdeckt, konnte die Perfektion in der Inszenierung nie die Risse verhindern und die Grausamkeit in der Realität ausschließen. Der sportliche Wettkampf in erneutem medialen Drill, in der die Ästhetik des einzelnen Körpers auf der einen Seite und die wuchtige Epik der Masse auf der anderen die Erfüllung eines Traumes, die Jubelfeier einer ganzen Nation, den alle Widersprüche unterdrückenden Overkill im Monumentalismus zusammen trifft.
Es steht außer Frage, ob das Projekt Duo Biao [ lit: Capture the Cup ] von Regisseur und Autor Tsui Siu Ming nicht anders gelesen werden kann, wenn es statt speziell und aktuell zum Zeitpunkt der Eröffnungsspiele fertig produziert doch seine Realisierung wie geplant ganze zwei Jahrzehnte vorher gefunden hätte. So unmittelbar mit dem Ereignis in der Realität selber verknüpft statt autark für sich alleinstehend in einem eh im Bereich von Abenteuer und Easternkomödie verbundenen Sujet, stößt man unweigerlich auf weitere andere Referenzpunkte, die dem sonstig schon naiv gehaltenen, aber eben auch mit der Vergötterung des Nationalstolzes, einer Selbstbeweihräucherung eigener Fähigkeiten und das Hochhalten symbolischer Tugenden um sich werfenden Werk komplexere Auslegungen abverlangt.
Das Ergebnis ist zweischneidig. Eine klassische Geschichte mit Scheuklappen und Erinnerungstafel. Innerhalb kommunistischer oder konfuzianistischer oder patriotischer Anschauung. Zwischen Harmonie, Sportgeist, Leistungsglück, Appell, Fahnenschwingen. Ein Standbild im gesellschaftlichen Wandel:
Nanjing, China, vor 1936.
Trotz verschiedener Schwierigkeiten des Landes, dass mit den Japanern vor der eigenen Haustür ebenso zu kämpfen hat wie mit aufbrechenden Naturkatastrophen und der Armut kompletter Bevölkerungsschichten hat Cheung Fung [ Tanzbär mit Perücke: Dicky Cheung ] nur zwei Ziele im Kopf. Zum Einen möchte er seinen Schwarm Ngan Ling [ Priscilla Wong ] in naher Zukunft heiraten und zum Zweiten vor allem die bald anstehenden Olympischen Spiele in Berlin besuchen; wenn schon nicht im offiziellen Wettbewerb, dann wenigstens in der ergänzend performenden Truppe der Kungfu-Künstler. Da Wong Ching-ting [ Cheng Hong ], chairman of National Sports Association, allerdings die wenig frohe Kunde der um sich verbreitenden Geldknappheit bekannt gibt, organisiert Cheung zusammen mit seinem Freund Kwan Shue-po [ Tse Miu ] und unter Aufsicht von Cheung Chi-kong [ Yu Rongguang ], Central Martial Arts Academy Director, eine Spendengala; woran sich eine Qualifikation anschließt, nach der die neun besten Kämpfer für die teure Reise ausgewählt werden sollen. Schwierigkeiten während der ansonsten begeistert vom Volk aufgenommenen Festivität gibt es mit On Yung [ Xu Xiangdong ], der nicht nur mit allen Mitteln seine beide Söhne On Yat [ Liang Ziqiang ] und On Yi [ Liang Zili ] in den Kader zwingen, sondern auch ein persönliches Duell mit Chi-kong will. Und mit Master So Sam-pei [ Chi Long ], der abseits der Körperkultur eine private Fehde mit seinem Onkel Master So [ Ren Xuehai ], Philanthrop und Finanzier pflegt und rasch seinen schlagkräftigen Schergen Choi Tit [ Xiao Mingyu ] vom Stapel lässt.
Für genug Kreuzungspunkte in der blumigen, wenig experimentierfreudigen, aber umso dramaturgisch sicher abgestützten old school Geschichte mit schlüssiger Handlungsfolge im allegorischen Fackellauf gesorgt, bewegt man sich trotz direkter historischer Verweise und ebensolchen Zeitangaben stetig nur in einer sichtlich wirklichkeitsfremden Darstellungsebene. Regisseur Tsui, der nach eigenen Angaben eine Huldigung des außergewöhnliches Erbes der chinesischen Kampf- und Selbstverteidigungskünste in Philosophie und Choreographie im Sinne hatte, verlegt die Perspektive weniger zurück in die Vergangenheit, als das er sie in eine vielmehr extravagant verstiegene Aura hievt und sie dort mit den besonders unbedarften Arten des Angenehmen und einer unbeholfenen Erkenntnis von Makellosigkeit und Omnipotenz ausstattet. Während die in der honorierenden Imagination gleichschaltene Konkurrenz Wushu - The Young Generation sein Heil in der Emotionalität im Kleinpanorama sucht, verlegt man sich hier auf treuherzige Grandezza.
Dies schließt gottlob auch akkurates Körperbewusstsein und fernöstliche, durch Materialvielfalt bestechende Akrobatik in ausnahmsweise ausladenden Einstellungen als konstruktives Element und die Detail- und stimmigkeitsverliebte und entsprechend lobenswerte Arbeit von Martial Arts Director Tsui, Action Choreograph Benz Kong und 2nd unit director Lee Kung-Lok als integralen Bestandteil ein. So erinnert man in den gelungenen, glücklicherweise auch so selten nicht vorhandenen Exzessen samt diplomatischem Wirework und Zeitlupenorgie im gekonnten Aufguss postwendend an die period piece Klassiker wie Blade of Fury, Miracles oder auch Martial Arts of Shaolin, dessen kennzeichnende Schaunummern mit abermals exemplarischen Darbietungen von Praying Mantis Boxing über Eagle Claw bis hin zu Taichi nachgestellt werden. Nur leider verhält man sich abseits der etwas handzahmen, aber leichtfüßigen und malerisch eingefangenen Prügelkrawalle durch Pfandleihhaus, Warenlager und Turnierhalle ansonsten wie eine triviale Kundenfang-Matinee, im koloristisch-ornamentalen Themenpark.
Nichts an dem Schauplatz, wiewohl er doch zur Reife gebracht ist und zum Pomp und Pracht ausgeleuchtet, ist echt. Innen- und Außensets sind riesig verbreitet, die Gegend – , gedreht in Hengdian World Studios in der Zhejiang Province – glänzt als Touristenattraktion wie geputzt, geschniegelt und gestriegelt, die Gebäude im überbordenden Kleinstaat haben das Abnahmeprotokoll von Architekt und Dekorateur gerade erst hinter sich gebracht. Der Glorienschein der Kulisse fern jeder naturalistischen Wiedergabe überträgt sich auch auf die Figuren, die niemals auch nur annähernd zwei- oder gar dreidimensional erscheinen und deren Reden, Mahnungen und Preisungen man deshalb auch nie glaubhaft wenigstens Gehör, wenn schon nicht Herz und Verstand schenken kann; von der eklatanten Fehlbesetzung Dicky Cheung mal ganz zu schweigen.
Die Situation vom Kampf Gut gegen Böse als bevorzugter Spezialist für die Einkleidung eines moralischen Lehrsatzes funktioniert deswegen auch nur als Leitvorstellung selber und nicht zur Kristallisation eigener Ansichten und ihrer Verbreitung. Die Aussagen sind vielleicht in Kalligraphie gehalten, aber in Isolierstoff gebunden. In dieser nach dem das Höchste Wollen ringenden aseptischen Traumwelt mit seiner konventionelle Halterung, der Ebenmäßigkeit, der einförmigen Bearbeitung ohne Ironie und Parodie haben Binnenkontraste, Bedeutungen, Charakterisierungen oder gar Auflösungserscheinungen, sei es moralische oder strukturelle, schlichtweg keine Luft zum Atmen. Was trotz der Hinweise auf die Freuden bevorstehender Zukunft und traditionellen Fundstücken der Vergangenheit auch gleichsam das Druckmittel für einen eventuell erhofften Propagandaeffekt in dieser Form von verblümter Politikfolklore ermattet; der man als Abwehr höchstens noch mit einem latenten Vorwurf entgegentreten muss.
Wenn man die Schichten vom schon fast kindgerecht aufbereiteten Pseudomythos mitsamt aller Identifikationsklischees und der Übersteigerung des Ichs zum nationalen Wir abstreicht, bleibt noch ein Andenken an Leichtathlet Liu Changchun, erster und einziger chinesischer Teilnehmer bei den Olympischen Sommerspielen 1932 in Los Angeles zurück; dessen Biographie ebenfalls 2008 in The One Man Olympics von Hou Yong verfilmt wurde. Und aufgrund der verschwenderisch gemästeten Regie und ihrer installierten Martial Arts Welt ganz eigener Gesetze auch eine aus Überlegung handelnder Hommage an für das Genre bessere Zeiten, in der die Parole "constantly stirring up troubles, looking for fights" in wohlgenährter Optik noch an der großbudgetierten Tagesordnung war.