Der leicht bissige Witz von Hugh Jackman bei der alljährlichen Oscarverleihung traf ihn selbst und dennoch freundlich ins Schwarze: nominiert wurden Weiße, die Weiße spielten, die sich für eine Rolle in Farbige verwandeln mußten, aber er als Australier, der einen Australier in einem Film namens „Australia“ spielte, war nur nichtnominierter Gastgeber. Die Pointe saß, aber man kann den gutaussehenden Hünen beruhigen: an diesem Punkt hat es nicht gelegen, daß „Australia“ nicht der erste „Vom Winde verweht“-Aspirant des neuen Milleniums wurde, obwohl Presse und Vorablob aufgrund der monumentalen Produktion offensichtlich in diese Richtung abzielten.
Es gehört dann eben doch etwas mehr dazu, sich ein zeitloses Epos zu schneidern, nämlich bedingungslose Hingabe und Feinarbeit bis ins letzte Detail, absolute Paßgenauigkeit aller Zutaten. Und davon hat „Australia“, trotz eines enormen Budgets, beachtlichem Aufwand und intensivster Bilder leider nicht eben viel.
Fangen wir ruhig mal mit der Story an, die an der Dämmerung zum zweiten Weltkrieg auf dem fünften Kontinent stattfindet: eine britische Adelige will ihren Holden zur Rede stellen, der ihr anscheinend nicht nur mittels Rinder Hörner aufgesetzt hat und poltert auf dessen Outbackfarm, findet ihn aber nur noch leblos vor, woraufhin sie sich entscheidet, den Kampf gegen einen allmächtigen Rinderbaron allein aufzunehmen, mit Hilfe eines rauhbeinigen Viehtreibers, der sich immer genau fünf Tage nicht rasiert hat. Zusammen nehmen sie den Monumentalmarsch in Angriff, setzen sich durch und geraten prompt in die Kriegswirren, bis die Liebenden sich finden.
Wäre das so noch ganz einfach gewesen, wird der Film jedoch mit allem möglichen Gewese zusätzlich zugeproppt. Weil ja auch noch kritisches Material rein mußte, erfand man kurzerhand den Storynebenstrang von dem Aboridginee-Mischlingskind, das sich baldiger drohender Lagerhaltung ausgesetzt sieht und um die neue Mutti kämpft, die sich das natürlich nicht gefallen läßt.
Daraus synthetisieren die vier Drehbuchautoren eine ganze Wagenladung mystischen Tralalas, das den sonst durchgängig realistisch-historischen Film spekulativ aufbläht, wenn nicht entwertet.
Aber auch das hätte man in richtiger Dosis noch verschmerzen können, würde der Plot nicht in zwei Hälften zerfallen, von denen keine dem Gesamtkunstwerk irgendwie gerecht wird.
Da wäre zunächst die Einführung mit der Figurenetablierung, die leider Gottes nicht nach Drama riecht, sondern wie eine Abenteuerfilmparodie a la „Indiana Jones“, wenn Nicole Kidman als britische Adelige jedes noch so schöne Fettnäpfchen oder Gegensätzchen zwischen schmutzigem Australien und sauberen Restleben zielgenau ansteuert. Nach vielem Hin und Her geht es dann endlich an den großen Viehtreck, der natürlich von den finsteren Gegenspielern (Viehbaron plus noch finsterer Vorarbeiter) sabotiert wird.
Bei Rindern ist natürlich eine Stampede gar nicht fern und weil man die Viecher sowieso in Richtung einer dollen CGI-Schlucht treibt (?) rasen die Steaks ergo schon bald in ihr Verderben, bis unser Sohnemann sie mit magischem Mumbojumbo auf den letzten Metern noch beruhigt. Das sorgt für soviel Kopfschütteln, daß man sich die härteste Episode durch eine Salzwüste der Einfachheit halber gleich ganz spart, man sieht nur Beginn und Ergebnis, nämlich die Ankunft in der Stadt. So wird Spannung aufgebaut.
Auf zur zweiten Halbzeit: Erstmal angekommen in der Zivilisation machen wir einen Zeitsprung, wechseln unvermittelt den Schurken und basteln uns ein Kriegsdrama samt Trennung und akuter Kinderrettung vor den meuchelnden Japsen, das in einem zerbombten Chaos endet – und zwar happy.
Derartige Überfrachtung mit Handlungselementen wäre noch tragbar, wenn denn wenigstens die Chemie zwischen den Hauptdarstellern stimmen würde, aber da sind null Funken, die die Paarung schlägt. Hugh Jackman bemüht seinen unrasierten Wind-und-Wetter-Charme, kommt aber nicht gegen die Dauerfehlbesetzung Kidman an, die zwar die steife Britin hinkriegt, aber leider nicht den Wechsel zur angepaßten Powerfrau. Stets staksig und unterkühlt, wirkt weder der Witz, noch die bemühte Romantik, die in einer nächtlichen Steppenszene mündet, in der sie ihn zum Tanz auffordert, die wohl steifste und eckigste Liebesszene aller Zeiten
Kidman ist auch hier wieder ganz der weibliche Kühlschrank, der auch nach einem Wochenritt durch den Wüstenoutback beim ersten Ball in der Hauptstatt mit einem Leichenteint absolviert, in einem Kleid, daß danach schreit, mit Eßbarem gefüllt zu werden. Ihr fehlt Seele und Herz, die Aristokratie allein genügt nicht, weswegen schon Luhrmanns „Moulin Rouge“ an ihr scheiterte.
Immerhin kann man sich an den Abenteuerelementen noch eine Weile festhalten, auch wenn nicht ganz sicher ist, warum man den urwüchsigsten Kontinent als Hintergrund auswählt, um ihn dann in jeder zweiten monumentalen Landschaftsszene mit CGI-Extras anzureichern, die mehr albern und vor allem billig aussehen.
Ebenso rätselhaft ist die Entscheidung, die ganze Story von einem Voice-Over des Jungen kommentieren zu lassen, der uns öfters mal erzählt, was wir gerade sehen, was wir bereits gesehen haben oder später noch einmal sehen werden, was wir aber meistens lieber selbst entdeckt hätten.
So wirkt das selbsternannte Epos nicht wie aus einem Guß, sondern wie ein gewolltes Kunstprodukt, reich an Aktivität und Action, aber arm an Authentizität und nicht selten an fehlender Glaubwürdigkeit darbend, aber dafür meistens schick aufgemacht.
Brauchbar unterhalten kann man sich bei dem ganzen Aufwand davon jedoch durchaus, doch 160 Minuten das Publikum zu fesseln, dessen bedarf es einem genauen, treffenden und emotionalen Zusammenspiel aller Figuren und Komponenten. Fehlt das wie hier, sitzt man nach gut einer Stunde im Kinosessel und langsam aber sicher schläft der Hintern ein – da können die Absichten rund um die Schande bezüglich Behandlung von Ureinwohnern oder Mischlingen noch so gut sein – irgendwie beschleicht uns das Gefühl, es gibt dringlichere Verstöße gegen die Menschlichkeit, die ihrer filmischen Umsetzung harren.
Letzendlich wirkt „Australia“ vor allem lang und aufgebläht, zeitweise sehr unterhaltsam, zeitweise wie eine Patchworkdecke, in der man alles verwoben hat, was einem so an Western- und Abenteuermythen durchs Hirn gezappt ist, allein die Mischung aus Old West und modernem Krieg will nicht im selben Film miteinander ins Bettchen. Für mich ein akzeptabler Durchschnitt von einem Film, den sich viele später sicher gern ins Regal stellen, wo sie ihn immer mal wieder wegen der schönen Szenen anschauen können, aber schlußendlich an manchen Ecken doch vorspulen dürfen.
Insofern, Mr.Luhrmann, Eigenkritik und Selbstbegrenzung bringen manchmal doch etwas und Vorabnominierung zum Meilenstein hat noch niemandem genützt. Außer diesem Ding mit Rhett Butler vielleicht. (5/10)