„The Box - Du bist das Experiment" - der Titel lässt bereits erahnen, dass wieder einmal ein homo sapiens americanensis als Versuchskaninchen für eine böse Macht im Hintergrund herhalten muss. Und genau so ist es auch. Wer der Versuchsleiter ist und wozu das Experiment dient, bleibt jedoch vorerst unbeantwortet. Jedenfalls klingelt es in den ersten Filmminuten an der Haustür der Familie Lewis. Nur die Frau des Hauses (Cameron Diaz) ist zugegen, Gatte Arthur (James Marsden), Physiker bei der NASA, ist in der Arbeit. Als nun Norma die Tür aufmacht, steht ein schwarz gekleideter Fremder mit einer Schachtel in der Hand vor ihr. Das alleine wäre noch kein Grund für Unwohlsein, doch fehlt dem höflichen Fremden die linke Backe, so dass die Zähne auch bei geschlossenem Mund deutlich zu sehen sind. Der verunstaltete Unbekannte bittet höflich um Einlass, um der Familie ein Angebot zu unterbreiten. Norma lässt den Mann natürlich artig ins Haus, worauf letzterer ihr folgendes offeriert: Sollten sich die beiden Eheleute innerhalb von 24 Stunden dazu durchringen können, den roten Knopf auf der kleinen, ihnen überlassenen Apparatur zu drücken, erhalten sie eine Million Dollar - und ein Mensch stirbt. Wer, das würden die beiden nie erfahren. Der Umstand, dass das Ehepaar von großen Geldsorgen geplagt wird, da Arthur just erfahren hat, dass er aufgrund psychischer Faktoren doch nicht ins All starten darf, erleichtert es den beiden nicht gerade, die kommenden 24 Stunden moralisch auf dem richtigen Weg zu bleiben. Und das Unglück nimmt seinen Lauf...
Wieder einmal wird dem menschlichen Wesen bezüglich seiner Moral, seiner Aufrichtigkeit und seiner Selbstlosigkeit auf den Zahn gefühlt. Haben wir unlängst erst mit Keanu Reeves und der Neuinterpretation des „Tages an dem die Erde still stand" ein eher schlechtes Zeugnis ausgestellt bekommen, soll sich das auch bei Richard Kellys psychonanalytischen Gehversuchen nicht ändern. Doch was ist diesmal der Preis, den wir für unsere Egozentrik zu zahlen haben? Sicherlich erneut ein ultimativer! Die Menschen sind und bleiben Egoisten, Selbstzerstörer und moralische Schwächlinge. Es ist diesmal aber nicht (nur) die Regierung, die richtig fies ist - die ist bei Regisseuren wie Richard Kelly ohnehin meist nur eine Gang aus Spitzbuben -, sondern es sind das Volk, die Menschen, die Individuen, die ihrem Fehlverhalten frönen.
Richard Kelly, der Schöpfer des kultigen „Donnie Darko" und der Regisseur des gefloppten „Southland Tales" kann auch diesmal die Finger nicht von der Gesellschaftskritik lassen. Nun kommt sie allerdings nicht gar so polternd von links dahermarschiert wie in „Southland Tales", um die US-Regierung abzuwatschen, sondern taucht das Wesen und die damit gekoppelte Zukunft der Menschen in ihrer Gesamtheit in ein fahles Licht. Wer auch immer die Initiatoren der Experimente zur Belastungsfähigkeit des menschlichen Charakters nun sein mögen, wir Menschen schneiden schlecht ab - nicht nur die Regierung, nicht nur die Oberschicht oder sonst einer der im Film üblichen Verdächtigen. Kelly bleibt also bei seinem in dunklen Tönen gemalten Bild der Gesellschaft, doch fährt er politisch diesmal einen neutraleren Kurs.
Doch nicht nur was die Politik angeht, geht Richard Kelly diesmal die Sache etwas anders an. Auch der Grad des Bizarren - und, wenn man an „Southland Tales" denkt, doch etwas aufgesetzt Grotesken - hält sich diesmal mehr im Rahmen (des für viele Erträglichen). Freunde skurrilem, filmischem Schaffens werden hier so aber natürlich weniger auf ihre Kosten kommen. Vom wirren Expressionismus der Märchen aus dem Südland findet sich hier nur schemenhaft eine Spur! Doch wie bei seinem bisherigen Oevre ist Kelly nicht gerade beflissen, der Logik in seinem aktuellen Werk große Beachtung zu schenken. Zwar reflektieren das Szenario, die Agierenden, das Leid und die Spannung nicht nur stets ein hohes inszenatorisches Niveau - und zudem zu jeder Minute Film die besondere, durchaus innovative Note des Regisseurs -, doch bleibt es leider auch hier dabei, dass Logikhemmnisse und Drehbuchschwächen ohne viel Federlesens mit Übernatürlichem und Unerklärbarem überkleistert werden. Und genau an diesen Stellen driftet der Film in zu wirre Gefilde ab, was ihm so nicht gut zu Gesicht steht und was er überdies gar nicht nötig gehabt hätte. Was wurde nach dem Erscheinen „Donnie Darkos" dem Regisseur Perfektionismus angedichtet! Einen „höchst intelligenten", „vollends durchdachten Film ohne Logiklöcher" meinte da so mancher Filmfan in seiner ihm gern gegönnten Freude erspäht zu haben. Dass dem so nicht war, war damals beinahe ebenso klar wie heute, nachdem man als routinierter Cineast dem Stil Richard Kellys nun zum inzwischen dritten Mal begegnet ist und genug Zeit hatte, seine Erfahrungen zu machen.
Man möchte aber nun dem neuen Film von Richard Kelly sicherlich nicht zu nachdrücklich die Intelligenz absprechen. Er ist ein durchaus souveräner Beitrag im Mistery-/ Thrillergenre, mit gut aufgelegten Darstellern und einer interessanten Grundidee, dem jedoch erwartungsgemäß jedes Mal dann die Luft ausgeht, wenn es darum geht, auch die Details des Films zumindest mit einem dünnen Zuckerguss an Logik zu garnieren und mittelgroße Drehbuchschwächen zu überbrücken. „Übernatürlich" aber sicherlich „nicht übernatürlich intelligent" könnte so das Fazit zum neuen Kelly lauten.