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<!--StartFragment -->Um einen kleinen Krieg geht es in der Verfilmung von Wang Shuos Bestseller "Part Ocean, Part Flame", der bereits im Titel die grundlegenden Gegensätze und somit auch die trotz aller schmerzhaften Bemühungen doch nicht vollziehbare Vereinbarkeit dieser Antithesen aufzeigt. Dabei geht es weniger um die Liebe, sondern mehr um Lektionen, einen Versuch über die Moral und das Fehlen davon. Um elegische Warnungen und herzlosen Pathos. Um gespaltene Lebenswelten. Um Verstrickungen, Einsichten und Nachträge. Um eine Utopie und die Wirklichkeit. Um Sex, Macht und Widerstand.

Die hoodlum literature Geschichte wird von hinten aufgerollt, mit einem Rückblick in der Gegenwart eingeleitet, in der als erste Amtshandlung nach dem Verlassen des Gefängnisses erneut eine Waffe organisiert wird. Schläge und Blut und Drohung folgen als Nächstes, nichts hat sich geändert die vergangenen acht Jahre, nichts wurde dazu gelernt oder der Willen dazu bekundet. Die Diskrepanz im Geschehen, die Polarität und das Missverhältnis geht wiederum nur von genau einer Person aus, einem scheinbar von Grund auf egoistischen, selbstbezogen rücksichtslosen und eigensüchtig menschenfeindlichen Charakter, der die Dinge bestimmt und seinen Kopf durchsetzt. Er ist einer der zwei Protagonisten in der Handlung, aus persönlicher Antipathie entsprungen.

Die Andere ist eine junge Frau, und über sie weiß man bis zuletzt nichts. Weder wo sie herkam, was sie bis dahin erlebt hat und was sie dazu treibt, bei Ihm zu bleiben, trotz der erst dankbaren, dann aber verblühten Hinnahme und Zufriedenheit mit der Demütigung. Die Befriedigung solcher Antworten wird dem Zuschauer ebenso verwehrt wie ihr die Bedeutung ihres persönlichen Erkennens selbst bei dem vollen Gefühl der Gefahr nicht wahr zu werden scheint, und beider leiblicher Dasein und individuelles Seelenleben als ein gleichsam erstarrter Teil verharrt:

Der Kleinkriminelle Wang Yao [ Liao Fan ] verdient sein Geld zusammen mit Partner Zheng Zhong [ Hai Yi-tian ] darin, dass er reiche Geschäftsmänner mit seinen Ködern Lu Yan [ Ha Da ] und Xiao Bai [ Zhou Chu Chu ] auf ein Hotelzimmer lockt und anschließend die außereheliche Affäre zu seinem Gunsten erpresst; wobei er langsam, aber sicher in die Aufmerksamkeit des sich heranpirschenden Detective Zhang [ auch Produzent: Simon Yam ] gerät. Unbewusst dessen lernt Wang eines Tages während einer seiner Touren die Restaurantbedienung Lichuan [ Monica Mok ] kennen, die ihn nach einem blutigen Zusammentreffen mit dem ortsansässigen Gangster Stick [ Lam Suet ] auch verpflegt und anschließend an den Strand begleitet, wo eine heftige Liasion startet und in zunehmend zerstörerische Dimensionen entgleitet. Lichuan, die von dem brachialen Gestus ihres Gegenüber gleichermaßen erschrocken wie fasziniert ist, lässt sich nach einigen Überredungskünsten gar selber als Animierdame anwerben und schlittert trotz mehrerer offenkundiger Warnungen und ebensolcher Taten seinerseits auch immer mehr in das Verhängnis.

"Tell me, you love me. Never mind if it's not true."
Eine einfache Behauptung ohne Begründung und ohne jeden Beweis. Als traumhafte Vexierfrage, kompromisslos nihilistisch.

Zweimal spricht Wang diese Sätze gegenüber seiner Begleitung aus, einmal zu früh, und einmal zu spät, und beides mal steckt kein erkennbarer Sinn dahinter, keine Motivation, warum er in diesem Moment diese Schwüre hören will. Und leider ist diese Nichtnachvollziehbarkeit trotz aller Materie von Aufwallungen und den entweder bloß leidenden oder vom Affekt überwältigten Empfindungen sowie dem Wechselbad von Glücks- und Gemütsumstände sowohl der Schwerpunkt als auch der große Schwachpunkt der Handlung. Zwar weist man die allgemeinen Eigenschaften einer guten Erzählung auf, lässt zu Beginn noch über die konkreten Umstände in Ungewissheit oder Zweifel, prägt sich anders als die vorhergehende amerikanische Love the Hard Way Verfilmung auch mit scharfen Blicken, verführerischen Gesten und überwältigendem Sounddesign rasch in die Sinne des Publikums ein. Ignoriert aber trotz aller nunmehr vorgenommenen Eskalierungen [incl. Schlägen, Mord, Selbstmord] einen sich entwickelnden Konflikt und die aufhaltenden Ereignisse einer Tragödie über die Akzeptanz des Quasi-Schicksals gleichermaßen, und geht zum sich immer wiederholenden Episodenhaften über, der es bald vollständig an innerlicher Größe und dem zweiten Sichtwinkel fehlt. Wie in den stürmischen Liebesbeziehungen ist die Abwesenheit von Universalität, Objektivität, und besonders Rationalität noch nachhaltig spürbar, aber es geht nicht um Liebe, sondern nur im playing for thrills Beigeschmack mit Hass und Pretiose, sowie der Vorherrschaft des Mannes, sein Androzentrismus, seine Testosteronbeigaben.

Wang gibt den Weg an, Lichuan folgt. Wang befiehlt, Lichuan gehorcht. Tut sie dies einmal nicht, tut sie es beim nächsten Mal umso eklatanter. Versucht sie sich zu wehren, oder selber agil zu werden, Ihm während eines drängenden Kusses zweimal in die Lippen zu beißen, wird sie abwertend bestraft; was in all der Belebung des Leblosen genauso den Glanz aus ihren Augen entweichen lässt wie das ewige Spiel von Dominanz, Ignoranz und Herabsetzung seinen Eindruck verliert und in das Mechanische, wie als Darreichungsform einer täglich zu verabreichenden Spritze übergeht. Ein weiter Überblick, aber ohne tiefen Einblick. Das Gegenspiel fehlt, was das Streben nach Herrschaft und Freiheit selber überschaubar und kontrollierbar und damit desinteressiert macht. Das Trauerspiel von einem sich in ungeheurem Pein befindlichen Prozess beginnt.

Denn, bei allem Verständnis für die ästhetische Absicht, auch die Schmerzwollust in das menschlichem Antlitz zu kleiden [und das narrative Trimmen des Projektes um geschlagene 40min im Vergleich zum in Cannes präsentierten Rohschnitt]: Die Ereignisse dahin kopieren und überstürzen sich in die Anstrengung, lassen sich nicht mehr von der Spekulation an sich und der nicht alles begreifen wollenden Philosophie begeistern, geraten in die künstliche Wendung bis hin zur Karikatur einer Bedrohung und werden dort unfruchtbar, einseitig und unvollkommen. Dialoge wandeln sich in tote Buchstaben, Taten zu sich selbst zurückkehrende Bewegungen und die erst widersprüchlichen Aussagen zu Vereindeutigung und Unterstellung um; die mit zunehmender Dauer die gegebenen Muster von Sadismus und Masochismus als Triebkonstellation nur befestigen, ohne das stetige Versagen Beider und die Tatenlosigkeit ihrer Umwelt rubrizieren zu können.

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