Review

"Bolls bester Film" und "Härter als jeder Splatter": was fast schon nach den Vorschusslorbeeren der deutschen Presse klingt, muss in Nachhinein gleich wieder revidiert werden - und zwar beide Aussagen! Doch immer der Reihe nach...

"Siegburg" heißt der Titel dieses Film, der durchaus Kontroversen auslösen könnte und kann. In der JVA des westphälischen Siegburg ereignete sich 2006 dann auch ein landesweit erschütternder Zwischenfall, in dem mehrere Insassen einem Mithälftling so übel zusetzten, bis das Eklatat schließlich in einem Tötungsdelikt endete. Auch in Uwe Boll´s Werk beginnt alles ganz harmlos mit einer Pokerpartie. Eher scherzhaft wird dem Verlierer zur Aufgabe gestellt, zur Strafe eine Tube Zahnpasta fressen zu müssen. Das es ausgerechnet das schwächste Glied in der Kette trifft ist nur der Anfang einer unheilvollen Entwicklung, die im Mord endet...

Schon alleine der Name Uwe Boll birgt für gewisse (Anti-)Qualitäten, was das Filmemachen anbelangt, wie vermutlich die meisten wissen werden. Allerdings scheint der Regisseur in der letzten Zeit von dem Fieber gepackt worden zu sein, anstatt allerlei depperter Videospielverfilmungen auch mal den einen oder anderen ambitionierten Streifen auf den Markt zu werfen (siehe "Darfur" oder "1968 Tunnel Rats"). - Oder was man eben darunter versteht, wenn man Uwe Boll heißt...

Auch "Siegburg" soll möglichst authentisches Knast-Feeling rüberbringen. Die Story ist düster und in Echt passiert. Der ganze Film spielt ausschließlich in einer winzigen Gefängniszelle (klaustrophobischer Faktor!), lediglich hin und wieder wird die Handlung durch diverse Interviewparts unterbrochen, in denen die Täter nach ihren Motiven befragt werden (authentischer Faktor!). Ein Drehbuch gibt in eigentlichen Sinne gibt es keines, viel eher ist das Ganze ein reines Improvisationstheater der vier Darsteller (Furlong, Levinson, Mennekes, Shipo). Soviel zur technischen Seite...

Nun zückt der Schreiber dieser Zeilen die Bewertung 5/10, was soviel heißt wie "Weder gut, noch schlecht" bzw. "Weder Fleisch, noch Fisch". Warum? wird sich manch einer fragen. Hier die Erklärung:

Zu allererst einmal wird nie richtig klar, um was es Boll in diesem Film eigentlich geht... Es ist nun ein Film über Gruppenzwang, wie im Teaser bereits angekündigt wird? Oder aber ein Film über das was passiert, wenn vier primitive wie aggressive Individuen zu lange auf engstem Raum zusammen gehalten werden? Oder doch ein Film über das Böse im Menschen? All das kommt leider zu keinem Zeitpunkt richtig raus, die Prämisse der Handlung fehlt fast vollkommen. Darüber hinaus hat Boll eine schockierenende wie interessante Tatsache außer Acht gelassen: während im Film alle Insassen erwachsene Männer sind, waren die Täter im wirklichen Leben allesamt 17- bis 20-jährige Jugendliche, der Motive von vorzeitiger Haftentlassung bis hin zur puren Mordlust gereicht haben sollen. Während man sich in der Realität der zwingenden Frage stellen muss, warum sich gerade in den letzten Jahren immer mehr Jugendliche auf solche unergründlichen Brutalo-Trips begeben, reagieren die Protagonisten im Film anders: hier wird von einer Minute auf die nächste frühlich losgefoltert und erniedrigt, ohne dass der Zuschauer irgendwelche Bewegründe erkennt, noch das Verhalten der Protagonisten nachvollziehen kann. So bleiben Antworten auf offene Fragen aus. Im Film wie in der Realität - leider!

Das führt zu Problem Nummer zwei: der allzu großen Distanz zwischen den Geschehnissen in "Siegburg" und dem Zuschauer. Durch Bolls leider wenig subtilen Inszenierungsstil wird das Publikum kaum in die Geschehnisse mit eingebunden. Somit ist "Siegburg" weder richtig schockierend noch emotional mitreißend. Viel eher sieht der Zuschauer alles wie durch eine Fensterscheibe, ohne richtig in den Bann der Ereignisse mit einbezogen zu werden. Weil man zudem leider nur sehr wenig über die Charaktere erfährt, baut man auch keine Beziehung auf. Eine genauere Personenzeichnung hätte dem Werk nur gutgetan. Das "Siegburg" dennoch seine Momente hat, ist vor allem an dem großartigen Spiel von Edward Furlong ("T2", "American History X") sowie Sam Levinson (Sohn des Regisseurs Barry Levinson), der eine echte Entdeckung darstellt, zu verdanken. Die wenige Klasse, die "Siegburg" besitzt, ist also nicht unbedingt Uwe Boll´s Verdienst, zumal auch die Erzählweise der Story nicht gerade taufrisch ist. Der deutsche Stephen Mennekes ist mimisch leider ein Totalausfall. Der sphärische Soundtrack der Komponistin Rebecca de Rooij hingegen ist absolut klasse!

Tja, was am Ende bleibt ist nichts als ein fader Nachgeschmack. Als Drama bleiben die Ambitionen in den durchaus guten Ansätzen leider stecken. Als reine Sadoshow wird der Splatterfraktion wohl zu wenig Blut fließen. Boll hingegen schien mit "Siegburg" mal einen richtig harten, verstörenden Film machen zu wollen, scheitert aber letztendlich doch an seinen eigenen zu sehr beschränkten Regie-Kapazitäten. Was soll´s, der nächste "BloodRayne" kommt bestimmt...

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