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Regisseur Uwe Boll ist wahrlich ein Phänomen. Erst produziert er jahrzehntelang oft annähernd unsehbare Grütze und kaum ereignet sich ein wahrer Fall in Deutschland, läuft der Mann zur Hochform auf und konzentriert sich mit Erfolg auf seine Charaktere.
Vielleicht hat ihn die Geschichte im titelgebenden Siegburg so mitgerissen, dass er sich dermaßen ins Zeug gelegt hat.

Am 11. November 2006 wurde Hermann H. in einer Gefängniszelle von seinen drei Zellengenossen über mehrere Stunden gefoltert, gequält und erniedrigt, bis man ihn am nächsten Morgen stranguliert am Zellenfenster fand.
Im Film heißt Hermann Mitch und die Mitgefangenen Jack, Peter und Harry.
Doch noch ist nicht gelöst: Mord oder Selbstmord?

Boll, der auch das Drehbuch verfasste, hat die Geschichte geschickt aufgebaut, denn sie beginnt mit dem Leichenfund am Morgen, woraus noch nicht ersichtlich wird, ob Mitch Selbstmord beging oder von den drei Typen umgebracht wurde.
Dazu baut er Ausschnitte der Einzelverhöre ein, die teilweise im krassen Kontrast zu den Vorgängen in der Folternacht stehen, da sich Aussagen widersprechen oder die Schuld an bestimmten Vorgängen grundlegend abgestritten wird.
Erst gegen Ende zeigt einer im Verhör sein wahres Gesicht, wodurch auch erkenntlich wird, dass zumindest einer einen vergleichsweise weichen Kern besitzt.

Es ist ein Film über Gruppendynamik auf engsten Raum, was durch die gut geführte Handkamera sauber eingefangen wird, zumal die triste, in gräulichen Tönen gehaltene Farbgebung komplett angemessen ist.
Vier Jungs beim Pokern in der Zelle. Mitch gewinnt, doch er ist labil, das wissen die drei anderen. Zunächst geht es um das Essen einer Tube Zahnpasta und jetzt verliert Mitch.
Als er festgehalten und gezwungen wird, die Zahnpasta zu schlucken, ist das Ende der Qualen noch lange nicht erreicht und als er den Alarmknopf drückt, schürt das erst Recht den Zorn seiner Zellengenossen.

Wer den Fall seinerzeit in den Medien verfolgt hat, wird sich erinnern, dass die Tortur das Auflecken des eigenen Erbrochenen umfasste und bis zur analen Vergewaltigung mit dem Kehrbesen ging.
Diese Einzelheiten muss man nicht explizit in Bilder verpacken, da reicht die Vorstellung aus, während Andeutungen und eine „dezente Sichtweise“ durch die Kamera bereits schockierend genug wirken.
Dazu kommt, das wird im Film nicht erwähnt, da man sich ausschließlich auf die Folternacht und die Aussagen der drei Peiniger konzentriert, eine enorme Kritik am Gefängniswesen.
Denn man muss sich schon fragen, wie es in einem deutschen Gefängnis passieren kann, dass ein Mann über die ganze Nacht gequält wird und keiner will etwas gesehen oder gehört haben.
Keine Kameras? Keine Kontrollgänge? Ein Alarmknopf wird nicht ernst genommen?
Unfassbare Zustände.

Das Grauen und die verstörende Atmosphäre wird von den vier Darstellern hervorragend transportiert, wovon Edward Furlong wohl der bekannteste sein dürfte.
Aber auch Shaun Sipos als Opfer Mitch leistet knallharte Arbeit, da ihm einiges abverlangt wird. Ferner sind Sam Levinson als Peter und Steffen Mennekes als Jack zu nennen, wobei Letztgenannter erst seinen dritten Filmeinsatz absolviert und diesen mit sehr viel Hingabe meistert.

Bleibt zu erwähnen, dass Bolls Knast-Drama ein schonungsloses Werk über Gruppendynamik ist, eines, das in jeder Hinsicht mitreist und schlichtweg nicht kalt lassen kann.
Nicht die Folter steht in Vordergrund, sondern die Tatsache, wie die Peiniger anschließend zur Tat stehen, wie sie ihre Aussagen formulieren und Wahrheiten verdrehen oder beschwichtigen. Dem kommt zugute, dass man dabei keine Fragen hört, sondern nur die Antworten der Zellengenossen, sowie das dazugehörige Gesicht, sprich: Konzentration aufs Wesentliche.

All dies ist Boll gut gelungen, das Einzige, was man ihm absprechen könnte, ist mangelnde Originalität und fehlende Spannung, sofern man den Fall seinerzeit verfolgt hat, - aber das kann man Boll beileibe nicht ankreiden.
Kurzum: Harter Tobak, aber gut umgesetzt.
7,5 von 10

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