Während sie noch heimlich die Vorgänge in der Villa beobachtet, um den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, sind alle weiteren Vorbereitungen längst getroffen. Im sexy Outfit, mit einer Flasche Champagner unterm Arm und Rosenblättern in der Tasche wartet sie nur darauf, dass die Dame des Hauses ihre Villa verlässt. Über sämtliche Vorgänge ist sie bestens informiert, denn sie hatte zuvor genauestens recherchiert, dass der Ehemann am Abend noch von der Arbeit nach Hause kommen würde. Und dann ist es endlich soweit - Sharon (Beyoncé Knowles) steigt in ihr Auto und fährt davon. Lisa (Ali Larter) schleicht zum Haus und schlägt eine Fensterscheibe ein, um ins Innere zu gelangen...
Aber Lisa, hast du etwa die Alarmanlage vergessen, die extra deinetwegen installiert wurde? - Dein Plan hat keine Chance, denn in wenigen Minuten ist die Polizei da, um dich festzunehmen. Wieso hast du dir die Mühe gemacht und den Champagner eingesteckt, der sicher längst warm ist, und welken die Rosenblätter nicht langsam vor sich hin? - Doch ihr Plan gelingt, denn Sharon hatte vergessen die Alarmanlage anzustellen. So etwas kann schon mal vorkommen, doch für einen ausgeklügelten Plan ist das ein eher unsicheres Detail, dessen Wahrscheinlichkeit schwer einzuschätzen ist.
Betrachtet man den Storyverlauf von "Obsessed", dann fällt es schwer, die Vielzahl der in ihrer Unwahrscheinlichkeit schwer zu übertreffenden Details zusammenzufassen. Ob sich ein knapp 2jähriges Kind von einer fremden Frau auf den Arm nehmen und entführen lässt, ohne dabei auch nur einen Mucks von sich zu geben, ob der arme Derek (Idris Elba) immer von etwas unterbrochen wird, wenn er die völlig undramatische Wahrheit an seine Frau bringen will oder warum die schon erwähnte Alarmanlage überhaupt erst nach dem Eindringen einer fremden Person eingebaut wurde. Man sollte doch annehmen, dass in einer solch noblen Villa in Los Angeles, in deren Garage der Hausherr des Abends seine neue S-Klasse parkt, eine Alarmanlage zur Standardausstattung gehört. Ganz abgesehen davon, dass die Babysitterin in einer vertrauensvollen Naivität die Tür öffnet, als es abends überraschend klingelt, die seit den sieben Geißlein ausgestorben schien.
Nun könnte man "Obsessed" einfach als schlechten Film abtun, wenn er nicht gleichzeitig in seiner Optik so professionell wäre. Es wird aufgefahren, was man im Umfeld eines Stars wie Beyoncé Knowles erwartet – schöne und erfolgreiche Menschen, glückliche Familien mit süßen Kindern und alles umgeben von wertvollen Dingen. Keine Werbesendung könnte das besser verkörpern. Angesichts dieser Kreation fällt es schwer, eine solche Story dem Dilettantismus eines einzelnen Drehbuchschreibers zuzuschieben. Viel zu viel Aufwand wurde getätigt, als das die Macher nicht vermutet hätten, damit eine entsprechende Zielgruppe zu erreichen, was viel über die Denkweise eines breiten Publikums aussagt.
Das beginnt schon bei dem Filmtitel „Obsessed“, der die Darstellung extremer Gefühle suggeriert. Doch Lisa, die für diesen Part vorgesehen ist, wirkt weder emotional sprunghaft noch sonst unkontrolliert, sondern im Einsatz ihrer körperlichen Vorzüge, die der Film pubertär lüstern in Szene setzt, komplett berechnend. Die gesamte Vorgehensweise, mit der sie sich dem gut aussehenden und einflussreichen Derek nähert, basiert auf Informationen und geschickten Machenschaften. Das passt auch zu der kühlen Blondine, aber dem Film genügt es schon, eine Frau offensiv einen Mann anbaggern zu lassen, um damit das Etikett „Obsessiv“ zu rechtfertigen.
So klischeehaft hier die gefährliche Verführerin inszeniert wird, so profan einseitig wird die Figur des Mannes gestaltet. Allein das Derek in seiner vorehelichen Zeit so manchem weiblichen Körper nicht widerstehen konnte, genügt als Spannungshintergrund, denn dadurch geriert sich der sonst so selbstbewusste Finanzjongleur gegenüber Lisa wie ein Ex-Alkoholiker im Angesichts eines Bierglases. Die Art wie er sich hier der aggressiven Verführerin erwehrt, hat etwas von der Unschuld eines unerfahrenen Schuljungen, der nicht in der Lage ist, Grenzen zu setzen, obwohl er doch anständig bleiben will, weshalb ihn gleichzeitig das schlechte Gewissen plagt. Selbst gedanklich gesteht der Film Derek nicht zu, mit der Versuchung zu jonglieren, weshalb keinen Moment eine Beziehung zwischen ihnen entsteht, die irgendwelche Übersprungshandlungen rechtfertigen würde. Von einer Nachvollziehbarkeit wie das heimliche Vorbild „Eine verhängnisvolle Affäre“ ist in diesem Film nichts zu erkennen.
Während der Film dieses Szenario in seiner ersten Hälfte, in der Beyoncé zudem nur sporadisch auftritt, noch offen hält, entwickelt er in der zweiten Hälfte einen pseudo-religiösen Ansatz. Die heile Familie wird von der allein stehenden Frau bedroht, die den Ernährer in Versuchung bringt und das Kind der Frau bedroht, was deren Selbstverteidigung wiederum rechtfertigt. Da hilft es dem Film auch nicht, dass er ein Szenario unabhängig der Hautfarbe entwickelt, wenn er gleichzeitig ein reaktionäres Familien- und Frauenbild propagiert.
Man bräuchte den Film prinzipiell nicht ernst nehmen und in der besseren ersten Hälfte entstehen angesichts des klischeehaften Aufbaus einige unfreiwillig komische Momente, aber man sollte sich die Intention der Macher vor Augen führen, die aus Vermarktungsgründen eine Story um ihre Sängerin Beyoncé stricken, die sich einerseits keine Mühe gibt, eine logische Story aufzubauen, andererseits eine moralische Sauberkeit in Glanzoptik um ihre Protagonistin entwirft, die in ihrer unterschwelligen Botschaft ernsthaft verärgert (1/10).