Review

Direkt nach "Eins,zwei,drei" mit Cagney und Wilder fällt Lilo Pulver wieder in die Niederungen der deutschen Klamotte ?

Diesen Eindruck könnte man bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht bekommen, aber "Kohlhiesel's Töchter" ist wahrscheinlich das respektloseste Werk, daß ich kenne und das dabei im Gewand des deutschen Heimatfilms daherkommt.

Wenn man genau hinsieht erkennt man schon erste Spuren der kommenden 68er Generation. Dietmar Schönherr gibt schon mal den Studenten Günter, der zwar noch solide aussieht, aber schon genau weiß, wie er sich durchlavieren kann.

Um kostenlos an ein Essen zu kommen, schleicht er sich als Prüfer bei einer Abschlußprüfung der Hotelfachschule ein und haut ordentlich rein. Damit das nicht auffällt, gibt er sich besonders kritisch und eckt dabei prompt bei Liesel (Liselotte Pulver) an, die das Opfer seiner Tiraden wird.

Da Liesel aber sehr hübsch ist, entsteht sofort ein völlig anderes Interesse bei ihm und er bemüht sich um sie. Leider ist sie schon am nächsten Tag aus München verschwunden und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als ihr auf die Schweizer Alm nachzureisen.

Dort wurde sie inzwischen von ihrem Verlobten Toni empfangen, der ihr extra ein besonders kitschiges Ständchen am Bahnhof vorträgt. Dieser Gesang ist die reinste Persiflage. Wenn sich Toni in die höchsten Höhen seines Tenors hinauf schwingt, kann Liesel sich kaum vor Lachen halten....

Überhaupt ist ihr Toni recht fremd geworden und Helmut Schmid gibt ihn als besonders krachlederne, männlich etwas einfach gestrickte Variante eines Bergbauern. Natürlich fällt ihm diese Entfremdung nicht auf und so will er "seine" Liesel so schnell wie möglich heiraten.

Doch frei nach Shakespeare steht diesem Wunsch das Testament der Mutter entgegen. Denn diese hat auf dem Sterbebett erwirkt, daß erst ihre Zwillingsschwester Susi heiraten soll.

Während "Liesel" dem damals gängigen Schönheitsideal entsprach und auch in ihrem angenehmen Wesen recht üblich ist, ermöglicht die Figur der "Susi" Liselotte Pulver in ihrer zweiten Rolle eine Tour de Force. Hier kann sie so richtig schön die Sau rauslassen und macht das nach Herzenslust.

Witzigerweise sieht Susi nach heutigem Gesichtspunkt keineswegs häßlich aus - ihre Kleidung hat etwas punkiges und insgesamt wirkt sie einfach nicht spießig - damals muß das eine regelrechte Konfrontation gewesen sein.

Es macht jedenfalls ungeheuer Spaß, dabei zuzusehen, wie sie sich auslebt und schon mal die Emanzipation vorwegnimmt. Dabei verfällt das nie in einen Klamauk ,sondern es ist teilweise sogar tragisch mit anzusehen, wie sich die gesamte Umgebung über Susi lustig macht.

Axel von Ambesser gelingt dabei immer genau der schmale Grat zwischen nicht zu traurig und nicht zu blöd. Dazu trägt natürlich auch der Schachzug bei, Lilo Pulver beide Rollen spielen zu lassen. Dadurch entsteht keine eindeutige Parteinahme und -im Gegenteil - mit der Zeit wächst einem Susi immer mehr ans Herz.

Auch wenn solche Begriffe in irgendwelchen Beschreibungen manchmal fallen, es handelt sich hier keineswegs um eine Verwechslungskomödie. Zu Beginn gibt es ein kleines Mißverständnis, das aber schnell aufgeklärt wird.

Tatsächlich leistet sich der Film gerade in seiner komplexen und abwechslungsreichen Nebenhandlung eine Menge gesellschaftliche Seitenhiebe. Gerade die neureiche deutsche Gesellschaft, die dort mit ihren dicken Autos vorfährt, kommt keineswegs gut weg.

Insgesamt ein sehr witziger, temporeicher und gut erzählter Film mit nur wenigen Konzessionen an die Zeit. Klar eines der 3 Lieder ist ein bißchen typisch, aber dafür ist das dritte ("nimm du sie, die Susi") richtig schön fies. Und natürlich gibt es zum Schluß auch ein wenig Anpassung an das damals in Deutschland noch vorherrschende Frauenbild, aber die Männer geben insgesamt die deutlich lächerlicheren Figuren ab.

Ehrlich gemeinte, echte (9/10).

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