Ein bedrückendes Kammerspiel
Wie ist es, jemanden zu verlieren, den man wirklich liebt, durch ein Verbrechen? -Um diese Frage geht es in "In the Bedroom".
Ganz plötzlich bricht die schreckliche Tat in das Leben eines Arztes in einer Landgemeinde in Maine, und seiner Frau, einer Musiklehrerin ein. Das glückliche, harmonische Idyll ist auf Einmal vernichtet, als der Eifersuchtsmord die Gemeinde erschüttert. Während der Täter bis zum Prozess, welcher frühestens 1 Jahr später stattfindet, auf Kaution freigelassen wird, versinkt das ältere Ehepaar in Apathie und Trauer. Nur schwer ist es für sie, darüber hinwegzukommen, da auch der Täter, sowie das Motiv nicht weit entfernt frei leben, und ihre eheliche Beziehung an der Tragödie zu Grunde zu gehen scheint. Geplagt von Wut und dem Gefühl der Ungerechtigkeit, scheint nur noch ein Ausweg offen...
Der Film beginnt mit wohligen, weiten, frischen Naturaufnahmen und Panoramen aus der Umgebung und offenbart uns sanft eine Welt der Harmonie, wo nur die üblichen kleinen Beziehungskrisen scheinbar leicht überwunden werden. Das Ehepaar scheint einen zweiten Frühling zu erleben, fühlt sich frisch und jung. Doch knallhart, unspektakulär und unerwartet reißt der Film ein schwarzes Loch in die schöne Welt, lässt einen unschuldigen Menschen sterben. Wie ein bedrückend schwerer Klotz hängt die schockierende Tat dem Rest des Filmes nach. Schlagartig scheinen Matt und seine Frau um Jahre zu altern, sie ziehen sich zurück, aber jeder in sich selbst, und Egoismus, Apathie und Traurigkeit machen sich breit. Doch die Kamera bleibt unangenehm intim an den Protagonisten, an ihren wortlosen, reglosen, faltig alten und strapazierten Gesichtern. Vorwürfe entstehen bei der Hinterfragung der Tat, die beiden sehen sich kaum mehr in die Augen oder reden miteinander. Ähnlich distanziert auch ihr Bekanntenkreis. Man versucht, sie in Ruhe zu lassen, man behandelt sie mit äußerster Vorsicht, wie "rohe Eier", aus Mitleid und "Verständnis".
Im Grunde geht es also darum, wie das Ehepaar mit der Situation (nicht) fertig wird, was für Auswirkungen solche Verbrechen auf den Menschen haben, aus einer sehr persönlichen, intimen Perspektive eindringlich geschildert.
Dazu kommt der brisante Aspekt der Gerechtigkeit: Darf der Mörder bis zum Urteil frei herumlaufen, auch wenn keine Fluchtgefahr besteht? Darf man ihm mildernde Umstände anhängen, nur weil man sich ein wenig über den Tatverlauf unsicher ist? Oder ist es nicht besser, ihn für immer wegzusperren, oder gar zu töten? Der Film macht es dem Zuschauer nicht leicht, rückt er ihn doch in die Betroffenensicht und zeigt ganz klar die Schuld und Skrupellosigkeit des Täters, sowie die erschütternden Auswirkungen und Leiden für die Hinterbliebenen. Eine objektive Beurteilung scheint nicht möglich, auch wenn im weiteren Verlauf die Situation und Beweggründe des Täters etwas nähergebracht werden.
Der Film schließt mit einer möglichen Konsequenz aus all der Erschütterung und Verbitterung, wenn die Gefühle die Vernunft besiegen. Eine Beurteilung dessen bleibt jedem selbst überlassen, denn viele Andeutungen von Abgründen und Konflikten zwischen den Beteiligten lassen weitere unlösbare Fragen aufkommen und regen zum Weiterdenken an. Doch ein engerer Bezug zur brisanten Gerechtigkeitsthematik (ausgleichende Gerechtigkeit, Todesstrafe) in den USA ist nicht von der Hand zu weisen. Die Problematik, die alles so kompliziert macht, ist nämlich die Unmöglichkeit einer Objetivität, die man in "In the Bedroom" wirklich intensiv zu spüren bekommt. Grundsätzlich lässt sich ja über alles vernünftig und klug argumentieren, wenn es einem nicht selbst widerfährt...
Sehr gute, polarisierende, einfühlsame Psychostudie über Trauer, Verbitterung, Reaktion, Schuld und Gerechtigkeit. Sehr eindringlich, aber keinesfalls übermelodramatisiert gespielt, und zugleich auch ein hintergründig-scharfer Blick in die Bürgerhäuser 8/10.