Wie sieht die perfekte Familie aus? Fragen wir doch mal Hollywood und die Kirche: Also da wären Vater und Mutter, natürlich im verheirateten Zustand, dazu Sohn und Tochter, natürlich beide in den einzigen Geschlechtsakten gezeugt, die Vater und Mutter je hatten. Und Vater hat eine ordentliche und geldbringende Arbeit, während sich Mutter zu Hause an den Herd stellt und sich um die braven Kinder kümmert. Ja und wenn Weihnachten naht, dann kommen möglichst noch die genauso funktionierenden Großeltern zu Besuch und perfekt ist es, das ideale Familienbild. Ja, wäre das Leben doch schön, wenn alles so wäre, wie in Hollywood. Das dieses Bild aber in Wirklichkeit schon mächtig eingestaubt ist, merkt Hollywood nur selten. Mit "Mein Schatz, unsere Familie und ich" lieferte die Traumfabrik im letzten jedoch eine Festtagskomödie ab, die durchaus den Mut hat zum Anderssein.
Und damit meine gar nicht, dass der Film sich grundsätzlich gegen alle Regeln des Weihnachtsfilm stellt, denn dass tut er sicher nicht. Aber schon in der Story merkt man, dass hier nicht alles so konventionell und üblich abläuft, wie im X-Mas-Film 08/15. Das glücklich unverheiratete Paar Brad und Kate will, wie jedes Jahr, den Familienfesten ihrer jeweils geschiedenen Eltern entgehen, in dem sie sich auf den Weg nach Fidji machen und den Eltern vorgauckeln, wegen Charity-Aktionen das Land zu verlassen. Doch dieses Mal wird ihr Flug leider, aufgrund von Nebel, gecancelt und das Fernsehen ist, unglücklicherweise, gleich vor Ort und filmt die Unglücksraben, was nun bedeutet, dass alle wissen, dass die Beiden noch im Land sind, so dass sie nun doch alle 4 Weihnachtsfeste der getrennt lebenden Elternteile besuchen müssen. Und das Chaos ist vorprogrammiert... Auch wenn einem schon beim Lesen der Inhaltsangabe klar wird, dass sich vieles auf den üblichen Bahnen einer X-Mas-Klamotte bewegen wird, fällt einem auch auf: das heillige Familienbild, welches uns Hollywood so gerne vorgaukelt, scheint es hier nicht zu geben. Chaos, Weihnachtsglitter und allerhand skurrile Situationen sicherlich, aber sonst? Es könnte zwar zum Schluss ein wenig heikel werden, ist ja schließlich ein Weihnachtsfilm, aber ansonsten scheint hier wohl doch eher die moderne Art des Familienlebens vorzuherrschen: Die Patchwork-Familie.
Und so ist es auch: denn wer bei "Four Christmases" wirklich glaubt, dass unser Pärchen durch 4 glückliche Familien geschleusst wird, um am Ende eines Besseren belehrt zu werden, der täuscht sich. Denn nicht nur unser Pärchen hat "Pech", auch ihre Eltern haben alles andere als abgerundete, katholische Familien. Der Vater von Brad ist ein alter Griesgram, der zwar ganz glücklich ist, dass Brads Brüder, zwei Raufbolde wie sie im Buche stehen, zu Besuch sind, auf das Weichei in seiner Familie, welches nicht einmal ordnungsgemäß eine Satellitenschüssel auf dem Dach befestigen kann, kann er aber durchaus verzichten, zumal der reiche Schnössel sich auch nicht an die 10 €-Regel gehalten hat, wofür er schon mal ordentlich Prügel von seinen Brüdern bekommt.
Weiter gehts mit Marilyn, der Mutter von Kate. Diese ist nun mit dem Pastor einer sektenartigen Kirche verbandelt und hat sowohl die Tante, als auch ihre sexgeile und mit dreckigen Worten nicht gerade zimperliche Granny zu Hause. Und da wäre noch Courtney, die eifersüchtige Schwester von Kate, welche es sich nicht nehmen lässt, ihre ehemals pumelige Schwester nach Strich und Faden zu blamieren. Dann gehts zur Hippie-Mutter von Brad, welche seit neustem mit seinem bestem Freund schläft und zu Kates Vater, der zwar auch nicht verheiratet ist, aber wohl der Einzige in der ganzen Patchwork-Familiensippe ist, der wenigstens einen gewissen Funken von dem zu verstehen weiß, was es heißt als Familie Weihnachten zu feiern.
Jede Episode für sich stellt dabei einen netten Fundus von Gags dar, welche mal mehr und mal weniger zünden. Wenn sich Brad mit seinen IQ-losen Rüpel-Brüdern prügelt oder das ganze Haus ins Chaos stürzt, bei dem Versuch die Satelittenschüssel zu installieren; wenn Kate in einer Hüpfburg sich mit 6-jährigen Gören um ihren Schwangerschaftstest prügelt oder Brads Hippie-Mutter das Spiel "Tabu" ein wenig zu ernst nimmt, dann kann man sich doch immer wieder einmal auf die Schenkel klopfen oder zumindest den ein oder anderen Schmunzler abdrücken. Auch wenn sicher nicht jeder Gag sitzt, alles in allem kann man mit den gebotenen Jokes zu frieden sein.
Zumal dem Ganzen eben auch die Tatsache, dass mal nicht die heilige Familie präsentiert und hochgelobt wird, sehr positiv zum Vorteil gereicht. Eine wirklich "typische Familie" gibt es hier zu keinem Zeitpunkt zu sehen, von Anfang bis Ende wirkt das Patchwork-Gen, welches nicht einmal zum Schluss veraten wird. Wo viele Komödien dieser Art spätestens zum Happy End hin einknicken, bleibt "Mein Schatz..." konstant bei dem Standpunkt, dass man nicht verheiratet, geschweige denn nach konventionellen Regeln Leben muss, um wirklich glücklich zu sein. Auch wenn manch einer die Geburt eines Kindes vielleicht als einen solchen Bruch ansehen kann, mit den abschließenden Worten "Es ist einfach so passiert" dürfte eigentlich auch dem Letzten klar werden, dass hier eben nicht eingeknickt wird. Da kann man manch übliches Weihnachtsfilmklischee, wie das kurze Beziehungsproblem, welches sich recht schnell in Wohlgefallen auflöst und die Tatsache, dass zumindest eines der beiden Eltern-Ehepaare am Schluss, als Freunde nicht als Paar, am Festtagstisch zusammen sitzt, locker übersehen. Es ist halt irgendwo trotzdem ein Weihnachtsfilm.
Für besonders viel Spaß sorgen zudem die Darsteller. Nachdem Vince Vaughn und Jon Favreau einem vor kurzem mit "All Inclusive" mächtig enttäuscht haben, so zeigen sie uns hier, dass sie die Komik eigentlich doch recht gut beherrschen. Vince Vaughn ist schon immer eine Naturgewalt des schnellen Wortes gewesen und zeigt hier einmal mehr sein Talent als Mensch, der ganz viele Worte auf einmal loßblubbern kann, ohne dass sie einem auf den Zeiger gehen. Seine Dialoge sind teilweise richtig bissig und können einmal mehr überzeugen. Seine Filmpartnerin Reese Witherspoon ergänzt ihn dahingehend wunderbar und zeigt hier ihre wunderbar komische Seite. Dazu eben Jon Favreau als prügelgeiler Bruder, sowie vier Stars im gehobenen Alter, die beweisen, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören: Mary Steenburgen, Robert Duvall, Jon Voight und Sissy Spacek. Kurzum, mit dem Cast kann man mehr als zufrieden sein.
Fazit: Ein Weihnachtsspaß der etwas anderen Art, auch wenn er eigentlich nicht mehr als die übliche X-Maß-Klamotte sein will. "Mein Schatz..." bietet Familienchaos, streitende Familienmitglieder, Glitter, Glanz und Gloria und doch bürgt die Tatsache, dass wir hier zu keinem Zeitpunkt eine typische Familie vor die Nase gesetzt bekommen, sondern eine Patchwork-Familie nach der Anderen ihr Weihnachtsfest präsentiert, irgendwie befreiend. Zumal das Ganze bis zum Schluss durchgezogen wird und nicht einmal im vorhandenen Happy End so etwas wie das Beugen vor der üblichen "heiligen Familie" zu finden ist. Wer also auf Weihnachtsklamotten steht, dabei aber zum Schluss mal nicht mit Vater, Mutter und Kind am gedeckten Tisch sitzen will, der sollte sich mit der Patchwork-Version des Weihnachtsfamilienfilms einen amüsanten Abend machen.
Wertung: 7,5/10 Punkte