Review

From Russia with Love (1963, Terence Young)

"From Russia with love I fly to you. Much wiser since my goodbye to you. I've travelled the world to learn I must return from Russia with love"
- Matt Monro

Nachdem Sean Connerys Einstand als mittlerweile berühmtester und beliebtester Agent der Filmgeschichte in DN anno 1962 zum Mega-Hit avancierte liess die Fortsetzung aus dem Hause EON der Produzenten Harry Saltzman und Albert R. Broccoli nicht lange auf sich warten. Mit FRWL, der Verfilmung von einem der populärsten Teile aus Flemings Romanreihe, verlegte Regisseur Terence Young das Spektakel von den idyllischen Stränden der Karibik an den Eisernen Vorhang und damit an den (damaligen) Puls der Zeit.

Bemerkenswert am zweiten Teil der langlebigen Filmreihe ist vor allem, dass Schauwerte und Spektakel im Vergleich zum fantasievollen Abenteuerreisser DN erheblich zurückgefahren und einer noch stringenteren und fokussierteren Inszenierung untergeordnet werden. Mit der exotischen Metropole Istanbul und einigen aufwändigen und charmanten Setbauten, darunter ein malerisches Zigeunerlager, muss sich FRWL zwar keineswegs vor den oftmals an "Sightseeing-Touren" erinnernden Serienkollegen verstecken, allerdings werden diese Schauplätze dennoch um Einiges nüchterner und dreckiger bebildert als noch die prachtvollen Landschaften Jamaikas im Vorgänger. Womit sich auch der Bogen zur Handlung schlagen lässt. Mit den fantastischen und bunten Abenteuerelementen von DN hat FRWL nur noch wenig gemein, die erfindungsreichen Over-the-top-Ingredienzen äussern sich lediglich im Detail. So zum Beispiel im ersten von Tüftler Q entwickelten Gadget der 007-Reihe, einem Aktenkoffer mit Tränengas-Sicherung und verstecktem Dolch. Über weite Strecken aber präsentiert Young seinen zweiten Beitrag zur Serie als straffen und geerdeten Agentenfilm. Hier bespitzeln sich Briten, Russen, Türken und Bulgaren während dem Höhepunkt des Kalten Krieges in den Strassen Istanbuls gegenseitig, hier werden ausgeklügelte Spionagepläne geschmiedet und jeder versucht, eine wertvolle Maschine zur Dechiffrierung von Geheimdienstcodes an sich zu reissen. Erstmals eingeführt wird als Dreh- und Angelpunkt der Handlung die geheimnisvolle Untergrundorganisation SPECTRE, die die verschiedenen Nachrichtendienste zu manipulieren versucht um ihre eigenen Ziele zu erreichen.

Sean Connery fährt genau dort fort, wo er in DN aufgehört hat und prägt seinen Bond wie gewohnt mit weltmännischer Eleganz, physischer Präsenz und herber Männlichkeit. Es macht den Anschein, als wäre der Schotte geboren worden nur um James Bond zu spielen. Allerdings scheinen die Konturen seiner Darstellung in FRWL etwas weicher gezeichnet zu sein, und er setzt nicht mehr ganz so viele prägnante Akzente wie noch in DN. Co-Star Daniela Bianchi als Bond-Girl Tatiana Romanova leistet quasi Pionierarbeit als die klassische unschuldige Blondine, die leicht und schnell dem Charme Bonds verfällt, jedoch ist ihr Charakter wesentlich essentieller und greifbarer ins Geschehen mit eingebunden als bei späteren Gespielinnen des Helden. Und Bianchi ist auch einfach nur bezaubernd. Den wohl stärksten Part des gesamten Films hat aber Pedro Armendáriz als türkischer Kontaktmann Ali Kerim Bey abgekriegt, den er mit solch einer starken Mischung aus kultivierter Weisheit und jovialem, spitzbübischem Charme verkörpert, dass es eine wahre Freude ist. Ali Kerim Bey und Bond nimmt man den gegenseitigen Respekt und die rasch entstehende Freundschaft jederzeit ab. Besonders beeindruckend ist seine fröhliche Darstellung, wenn man die damaligen gesundheitlichen Zustände des Darsteller kennt: Armendáriz litt an Krebs und setzte seinem Leben kurz nach Beendigung der Dreharbeiten ein Ende.

Kaum ein anderer Film der Serie hat eine derartig eigenständige Konstellation an Gegenspielern zu bieten. Bonds spätere Nemesis Ernst Stavro Blofeld tritt in FRWL zum ersten Mal in Erscheinung, hier noch als eiskalte, gesichtslose Graue Eminenz, die im Hintergrund alle Fäden in der Hand hält. Ausgeführt werden seine Befehle von der rüstigen Sowjetoffizierin Rosa Klebb, eine Rolle, die Darstellerin Lotte Lenya mit einer widerwärtigen Kratzbürstigkeit zum Besten gibt. Ganz vollständig will die Figur aber leider nie zünden, dafür wirkt sie trotz oder gerade wegen ihres rustikalen und groben Auftretens manchmal ein bisschen zu bieder. Bonds wahrer Erzfeind in diesem Film ist aber kein Geringerer als Red Grant, ein stoischer, blonder Muskelberg, der aber auch clever und gerissen vorgeht, und zunächst unerkannt im Schatten operiert, bevor er im richtigen Moment zuschlägt. Die Figur kann nicht nur als Vorreiter einer ganzen Armee von 007 nach dem Leben trachtenden Auftragskillern gewertet werden, sondern gehört in diesen Belangen auch problemlos zu den denkwürdigsten und besten Charakteren der Serie.

Terence Young inszeniert seine Agentengeschichte stilsicher und mit einer simplen Eleganz. Bei der Filmmontage arbeitet er mit einer straffen Schnittfrequenz und geschmacksvollen Kamerawinkeln, welche die Handlungen der Akteure besonders im Zusammenspiel mit der eindringlichen Ton- und Musikgestaltung dezent aber effektvoll akzentuieren. Was spektakuläre Actionsequenzen anbelangt hält sich FRWL auffallend stark zurück und ist von den über zwanzig Filmen der Reihe wohl derjenige, der sie inhaltlich und dramaturgisch am allerwenigsten nötig hat. Young macht den Fehler, dieses angebliche Manko kompensieren zu wollen und lädt die Erzählung mit zwei weitgehend redundanten Actionszenen unnötig auf. Wobei die grosse Zigeunercamp-Schiesserei im Kontext der Handlung zwar noch nicht unbedingt redundant erscheint, es durch die unpassende und auch etwas uninspirierte Inszenierung aber wird. Vollständig wegfallen sollte hingegen die reichlich schale Bootsverfolgung kurz vor dem Ende, die sich an dieser Stelle rhythmisch mir der wesentlich stimmigeren und besser inszenierten Helikopterattacke beisst. Dafür entschädigt aber die wahnsinnig intensive Keilerei zwischen Bond und Red Grant im Zug, deren wuchtige Choreographie und stramme filmische Umsetzung heute noch Ihresgleichen sucht.

FRWL ist nach DN eine weitere Perle der frühen Bondfilme. Obwohl er auch den ikonographischen Auftakt zur langlebigen Filmreihe inszeniert hat wagt Terence Young zumindest in Teilen einen völlig neuen Ansatz und treibt dieses Mal statt eines abenteuerlichen und bunten Detektivkrimis ein komprimiertes Katz-und-Maus-Spiel in den Ausläufen des Kalten Krieges, gespickt mit stringenten und wirkungsvollen Einzelszenen, die für die Bondreihe ungewöhnlich bodenständig und aufs Wesentliche fokussiert in Szene gesetzt werden. Der übergeordnete dramaturgische Rahmen der Geschichte hätte aber an manchen Stellen etwas mehr Feinschliff vertragen können und zögert das Ende im späteren Verlauf unnötig hinaus. Den damit verlorenen Boden macht FRWL mit den gut gespielten und denkwürdigen Charakteren und der gebündelten Atmosphäre zwar weitgehend wieder wett, zu einem Highlight der Reihe oder gar des Genres reicht es aber dennoch nicht ganz.

Wertung: 7,5 / 10

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