Review

PHANTOM, die führende Verbrecherorganisation der Welt, macht wieder mal Stunk: Kronsteen, einer ihrer führenden Köpfe, hat einen Plan ausgetüftelt, mit dem man sich eine sowjetische Dechiffriermaschine beschaffen kann, indem man die Russen und die Engländer gegeneinander ausspielt, und sich gleichzeitig an James Bond zu rächen vermag, der ja schliesslich Dr. No auf dem Gewissen hat. Eminent wichtig für den Plan: Tatiana Romanova, die an der erwähnten Maschine im russischen Konsulat von Istanbul arbeitet und glaubt, ihm Auftrag des KGB (die Chefin dieses Geheimdienstes ist zu PHANTOM übergelaufen) mit den Engländern Kontakt aufzunehmen und ihnen die Maschine zu versprechen, falls James Bond höchstpersönlich ihr in den Westen hilft.
Der Geheimagent ihrer Majestät reist also in die Türkei (obwohl es eine Falle der Russen zu sein scheint), wo er von Nachrichtendienstler Ali Kerim Bey empfangen wird, aber sich auch sowohl Bulgaren im Dienst der Sowjets als auch Donovan Grant von PHANTOM an seine Fährte heften. Grant tötet die Bulgaren und verübt einen Anschlag auf Bey. Dieser versteckt sich zusammen mit Bond in einem Zigeunerlager, als sie herausfinden, dass die Russen den Profikiller Krilencu haben einfliegen lassen. Der spürt sie aber auf und greift an, bleibt allerdings erfolglos (auch dank Grant, der Bond den Rücken freihält) und stirbt später durch die Hand von Bey. Wie auch immer: Tatiana nimmt endlich Kontakt auf mit Bond. Mit einer gezielten kleinen Explosion und einem unterirdischen Fluchtweg klaut man die Dechiffriermaschine aus dem russischen Konsulat und steigt in einen Zug Richtung Balkan. Doch auch hier sind ihnen die sowjetischen Agenten und Grant auf den Fersen...

Nachdem JAMES BOND JAGT DR. NO, der Auftakt der erfolgreichen Filmreihe, ein eher abgehobener Streifen war, bleibt LIEBESGRÜSSE AUS MOSKAU auf dem Teppich und nimmt sich im Vergleich geradezu unspektakulär aus: Keine Weltraumstationen, keine geheimen Raketenbasen, noch nicht mal eine Atombombe, nein, das Ziel des Begehrens ist eine simple kleine Maschine zum knacken von Geheimcodes (und was ist mit der Weltherrschaft? Naja, jeder fängst mal klein an). Der Film beschränkt sich auch weitgehend auf die Ränkespiele der Spione und zieht seine Spannung aus der Frage, ob es James Bond gelingen wird, den Plan von PHANTOM aufzudecken, bevor es zu spät ist. Wobei vor allem Richard Maibaum schon Drehbücher für Bondfilme abgeliefert hat, die überraschender, twistreicher und raffinierter waren (siehe z.B. GOLDFINGER, THE MAN WITH THE GOLDEN GUN oder THE LIVING DAYLIGHTS). Die grösste Schwäche des Skripts dürfte wohl sein, dass der Plan von PHANTOM dem Zuschauer schon von Anfang an klar ist und zu keinem Zeitpunkt für Verblüffung sorgt (teilweise wird es arg vorhersehbar); das versetzt dem Spannungsaufbau dann doch einen empfindlichen Schlag.

Sensationelle Actionszenen findet man wenige: Es gibt einen ausführlichen Shootout (der Angriff Krilencus auf die Zigeuner) und eine recht ruppige Prügelszene im Zug, ferner werden Bond und Tatiana mal von einem Helikopter verfolgt (die Szene erinnert mich ein klein wenig an die Flugzeug-jagt-Mann-Sequenz aus Hitchcocks DER UNSICHTBARE DRITTE), dessen Besatzung Handgranaten abwirft, und liefern sich ein Bootsrennen mit den Bösbuben (da gibt's dann auch mal eine schöne, grosse Explosion). Diese Gefechte sind aber relativ spärlich über den Film verteilt.

Zu den Locations: Am meisten Zeit verbringen wir in Istanbul, was uns ein paar schöne Einstellungen der Stadt insgesamt, des Basars, einer alten Moschee und eines (von den vielen Ratten abgesehen) eindrücklichen unterirdischen antiken Wasserreservoirs (apropos: Das Periskop im russischen Konsulat rockt) einbringt. Die Zug- und anschliessende Bootsreise führt dann durch den ganzen Balkan (von dem wir allerdings nicht allzu viel zu Gesicht bekommen) bis zum wunderschönen Venedig, wo der Film dann ausklingt. Das sorgt zumindest für einige Schauwerte. Ähnlich geniale Kulissen wie von Ken Adam (der zu der Zeit übrigens an Kubricks DR. STRANGELOVE arbeitete) in DR. NO finden sich aber leider nicht (und das, obwohl der Teil hier doppelt so viel gekostet hat wie der Vorgänger).

Terence Young (der auch beim ersten Bondfilm sowie bei THUNDERBALL Regie führte) inszeniert den Film solide, jedoch in einem relativ gemächlichen Tempo und kann nicht verhindern, dass sich die eine oder andere Länge einschleicht, aber wirklich langweilig wird es zum Glück auch nicht. LIEBESGRÜSSE AUS MOSKAU ist im Übrigen der erste Bond-Film, der vor dem Vorspann einen Teaser hat.

John Barry liefert einen ansprechenden Score ab, wobei ich aber das Musik-Thema des Filmes nicht gerade für besonders bemerkenswert halte. Der Titelsong von Matt Monro ertönt hier nicht in der Titelsequenz (interessante Idee: Die Credits werden auf leicht bekleidete Frauenkörper projiziert) zu Anfang, sondern erst am Schluss. Gehört eh nicht zu meinen Lieblings-Bondsongs.

Sean Connery wird auf ewig mein favorisierter Bonddarsteller bleiben und gibt auch hier den harten Hund mit trockenem Humor, ein Chauvinist, der nicht davor zurückschreckt, Frauen auf den Hintern zu klatschen oder sie zu schlagen, wenn sie nicht reden wollen. Ein Mann von Welt.

Tatiana, das hiesige Bondgirl, wird gegeben von der Italienerin Daniela Bianchi, die auf mich einen etwas zu naiven Eindruck macht (allerdings ist sie ja auch nichts als ein Spielball der verschiedenen Parteien und sogar einfältig genug, sich tatsächlich in Bond zu verlieben).

Robert Shaw (Quint in DER WEISSE HAI, ausserdem zu sehen in THE STING und DER RICHTER UND SEIN HENKER) ist (in Anbetracht der Entstehungszeit des Filmes) ein hübsch fieser und sadistischer, aber kein herausragender Bösewicht. Die Österreicherin Lotte Lenya dürfte noch ein klein wenig härter sein, Vladek Sheybal (SHOGUN, THE APPLE) macht als Kronsteen einen schön abgehärteten Eindruck. (Hm, der Typ erinnert mich irgendwie an den russischen Präsidenten Putin.)

Ali Kerim Bey wirkt schön freundlich und sympathisch (naja, dass er ein Anhänger der Vetternwirtschaft ist - alle Führungspositionen in seiner Behörde besetzt er mit seinen Söhnen - kann man ihm durchaus ankreiden), dargestellt wird er von Pedro Armendáriz, der hier (bereits todkrank) in seiner letzten Rolle zu sehen war und 1963 Selbstmord beging.

Desmond Llewelyn spielt hier übrigens zum ersten Mal den Q (etwas, das er in den nächsten 36 Jahren noch 16mal wiederholen sollte). In einer kleinen Rolle ist auch Walter Gotell zu sehen, der später in der Reihe öfters mal in der Rolle des Gogol auftauchte.

Fazit: LIEBESGRÜSSE AUS MOSKAU ist ein unspektakulärer Bondfilm. Er ist solide produziert, unterhaltsam und allein schon wegen Sean Connery sehenswert, aber irgendwie fehlt ihm das gewisse etwas, um ihn wirklich herauszuheben.

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