Wie manipuliert man möglichst gewinnbringend seine Mitbürger? Diese knifflige Frage beschäftigt den Menschen seit er sich vor Jahrtausenden in größeren Gesellschaften organisiert hat. Nur ein von seiner Mission überzeugtes Individuum ist dazu bereit, für seine Ideale an die physischen und psychischen Grenzen zu gehen und womöglich beizeiten auch das Gewissen hintanzustellen. Ein Überzeugungstäter desertiert nicht. Wie bringt man aber nun andere dazu, sich freiwillig für die eigenen Zwecke in Fetzen reissen zu lassen? Das ist nicht schwer. Man bedient sich der CIA, die, wie jeder Pro 7 Geschädigte weiß, nicht nur so manche Leiche im Keller hat, sondern sich genüßlich an perversen Experimenten zur Gedankenmanipulation delektiert, um den amerikanischen Imperialisten endgültig zur Weltherrschaft zu verhelfen.
So oder so ähnlich gebärden sich in ihrer Weltsicht nicht selten Produktionen aus dem Independentbereich, denen es nämlich in pekuniärer Hinsicht gleich ist, ob die breite Masse die Botschaft des Films goutiert, da das fertige Produkt sowieso nie den Weg ins Kino findet. Von dieser Prämisse ausgehend kann also unter dem Deckmäntelchen des alternativen Filmerlebnisses vorgeblich anspruchsvoll jede beliebige Zielgruppe abgegrast werden. Und da die staatlichen oder semistaatlichen Institutionen der US-Amerikaner - das weiß der kundige Filmfreund aus jedem zweitbesten Agentenfilm - uns weltweit unbemerkt ausspionieren, indoktrinieren und unser Bemühen um eine friedliche Welt konterkarieren, darf man hier ungeniert um sich schlagen. Das ganze beklebt man mit dem Etikett "provokativ" und siehe da, man hat einen "mutigen" Film.
Der Filmfreund wird also ein weiteres Mal mit den Machenschaften der irren Amerikaner konfrontiert, diesmal in Form von verwerflichen Experimenten zur Schaffung willfähriger menschlicher Waffen. Dazu werden nichts ahnende Zivilpersonen von der Straße in einen fluchtsicheren Bau geschafft und der Auflage gegenübergestellt, dass nur eine Person der Gruppe das nun stattfindende Experiment als Gewinner und damit lebend verlassen kann. Gelegenheit sich gegenseitig zu beseitigen erhalten die menschlichen Versuchskaninchen natürlich in der Folge reichlich. Das sich überraschend in einer Situation auf Leben und Tod wiederfindene Trio aus einem jungen Schwarzen, einem Ex-Knacki und einem Durchschnittstypen muss - erwartungsgemäß - bald die bittere Erfahrung machen, dass Menschen in Notsituationen meist nur an sich selbst denken und das Hobbsche homo homini lupus durchaus nicht inzwischen von Darwins Evolution getilgt wurde.
Der Grund, warum unbescholtene Amerikaner von einem heimischen Geheimdienst derart malträtiert werden, ist diesmal allerdings ein ganz besonders hanebüchener: *Spoiler* Man möchte den islamistischen Gegner mit den eigenen Waffen schlagen und eine Art menschliche Bombe bauen. Da zeigen die Amis dem Teufel aber mal wieder, wer der Fiesere ist! Über die Frage, warum die unfreiwilligen Versuchsteilnehmer nicht einmal entfernt wie Menschen aus dem Mittleren Osten aussehen, sollte man, um den Film unbeschwert genießen zu können, ebenso hinwegsehen, wie über seine plakative Botschaft, die den Menschen der westlichen Welt rumpelnd latenten Hass auf Moslems zuschreibt und ihn als manisch intolerant diskreditiert. *Spoiler Ende*.
Aber auch die Pluspunkte des von Jonathan Liebesman ("Texas Chainsaw Massacre: The Beginning") inszenierten Streifens verdienen Erwähnung. Darsteller, Score und Kulisse heben "Experiment Killing Room" aus der Masse der Genrebeiträge heraus. Wäre nicht das wieder einmal jeglicher Logik spottende Ende des knapp hundertminütigen Films, ließe sich auch ohne zu zögern von fein justierter Charakterzeichnung sprechen. Hier wird nämlich nicht nach dem Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip ein Haufen dem Zuschauer gleichgültiger Nichtsnutze oder Unsympathen ausgemerzt, sondern Figuren mit Profil, Charakter und Tiefe. Auch gelingt es Liebesman, die Bedrohung der Delinquenten und ihre Notsituation authentisch darzustellen, was auf der Habenseite der durchaus gekonnten Inszenierung zu verbuchen ist. Oberschlawiner Dr. Phillips, der Leiter des Experiments, wird Adolf-mäßig böse von Dauergauner Peter Stromare verkörpert, dessen Physiognomie seinen völlig teilnahmslosen Gesichtsausdruck unterstreicht und damit ganz besonders fiese Gewissenlosigkeit verbreitet.
Ankreiden möchte man "Experiment Killing Room" aber besonders das Ende, das wenig Einfallsreichtum versprüht, geschweige denn, einen erfrischenden Plottwist vorzuweisen hat. *Spoiler* Die von Anfang an unsympathischen CIA-Bösewichter sind natürlich genau das, was sie von Filmbeginn an waren und bleiben - wenig überraschend - schlimmste Spitzbuben, die nichts anderes im Kopf haben, als anderen möglichst Böses anzutun. *Spoiler Ende* Eine Prise weniger "Cube" (1997) hätte hier gut getan und dem Film einen eigenen Charakter verpasst, der gerne etwas wagemutiger die ausgelatschten Genrepfade hätte verlassen dürfen, denn mit den ersten fünf Minuten kennt man bereits die fertige Geschichte.
Jonathan Liebesmans "Experiment Killing Room" ist ein ansich solide inszenierter Film, der sich aber mit seiner hanebüchenen Story und plakativen politischen Botschaft etwas zu ernst nimmt und sich dabei zu einfallslos in Genrekonventionen einfügt. Doch wenigstens wissen wir beim nächsten Mal, wenn irgendwo auf der Welt ein Amerikaner als lebende Bombe zerplatzt, wer schuld ist. Auch schön.