Die Idee war brilliant.
Kreiieren wir eine unserer fast gleichende Filmzukunft und bevölkern wir sie mit genetisch erschaffenen Mutanten erster und zweiter Generation, die wahlweise die Zukunft vorhersagen, Dinge per Geisteskraft bewegen, andere psychisch beeinflußen, abschirmen oder heilen können und lassen wir sie dank einer sinistren Institution namens "Division" und eines seltsamen Mittels (hier haben wir einen probaten McGuffin) aufeinander losgehen.
Das ist wie "X-Men" ohne Lizenzgebühren an Stan Lee oder so, wie die Serie "Heroes" hätte werden können, wenn man nicht nur findige Autoren für eine Staffel gehabt hätte.
Und "Push!!!" ist die neue Franchise im Kasten.
Weil es billiger ist, hat man nicht so namhafte Darsteller engagiert, die aber bekannt genug sind, um eine Masse Teenager anzuziehen und die Chose auch noch in HongKong runtergedreht, vorzugsweise (wegen Realismus und so) im Guerilla-Style und möglichst mit dem ersten Take. Das sollte ein frisches Filmerlebnis werden mit einer aufregenden Prämisse und nicht ganz so effektgesteuert, wie eine typische Blockbusterproduktion neueren Datums.
Man vergaß dabei nur: man kann auch mittelgroße Budgets (knapp unter 40 Mio. Dollar) unspektakulär in den Sand setzen.
Der Vorteil: die Abschreibungen kann man besser in den Büchern verstecken.
Ja, es ist wirklich so: "Push" hat Potential, ist aber ein großer Käse, der mit seinem Budget raffiniert abzocken will, aber deswegen auch keine großen Trümpfe auf der Hand hat.
Und wenn schon die Ausgangslage vielversprechend ist, dann sollte man auch erzählerisch darauf aufbauen können.
Das allerdings ist die größte Schwäche von Paul McGuigans (der Mittelmäßigkeit seit "Lucky Number Slevin" vertraut) Superheldenkracher für den Hausgebrauch, denn das Skript ist zeitweise von so eklatanter Beliebigkeit und läßt dermaßen echte Höhepunkte vermissen, daß man ihn für den Pilotfilm einer TV-Serie halten könnte.
Im Zentrum stehen eigentlich drei Figuren: der widerborstige Mover (Telekinese) Nick, die Teenager-Seherin Cassie und das geheimnisvolle Mädchen Kira, das sich als Pusherin (Beeinflußer) erweist. Auf der Gegenseite hat man (Farbe muß sein bei so viel weißem Käse) den farbig-finsteren Henry Carver, für den Djimon Hounsou (total verschwendet) mal wieder seinen Agent Laurent aus "Die Insel" recyceln darf. Mit Chris Evans, Dakota Fanning und Camilla Belle sind als clearasilreine US-Urtypen am Start, die von der halben Welt gehetzt werden, vorzugsweise der "Division" und einer Gruppe nicht weniger sinistrer Asiaten und jeder zweite außergewöhnlich begabte Mensch wird gegen sie ins Feld gebracht.
Gibt es also monumentale Battles, irrwitzige Actionszenen, tosende Spezialeffekte?
Nein, denn der Film arbeitet sich die ganze Zeit an seiner vagen Exposition rund um das halb tödliche Heilmittel ab, das alle wollen und schlußendlich nur dazu dient, die Dinge am Laufen zu halten. Und das tun die Figuren dann reichlich: sie marschieren immer munter, einzeln oder in Grüppchen durch die asiatische Metropole, schlängeln sich durch Markhallen und Basare und inszenieren eine irre langsame filmumspannende Verfolgungsjagd, die einfach nicht von der Stelle kommt.
Weils ja so raffiniert ist, fügt man dann zur Halbzeit noch die Vision vom Tode all unserer neuen Helden hinzu und so muß man sich einen irre komplizierten Plan ausdenken, um das Schicksal auszutricksen, nämlich: keinen Plan zu haben, weil der ja von Sehern durchschaut werden kann.
Man kann sich denken, daß so der Plot immer wieder in Einbahnstraßen biegt, zumal die Charaktere niemals richtig entwickelt werden. Dank der Einführung konzentriert man sich zunächst auf Nick, der dann aber zum Punchingball-Nebencharakter wird, um dann zum Showdown aus dem Nichts zu großer Form aufzulaufen. Cassie zieht zwischendurch allein dadurch die Aufmerksamkeit auf sich, weil sie sich als Teenagerin durch eine Erwachsenenwelt hangeln muß und Kira ist ein ständiges Enigma, deren Motivation so unklar wie eingeschränkt bleibt, weil sie gleichzeitig vage Heldin, "Damsel in Distress" und kränkelndes Elend spielen soll. Hunsou ist nur ein paarmal kurz im Bild, während der Plot in 10-Minuten-Abständen - nämlich immer wenn man es gerade braucht oder man verhindern will, daß der Zuschauer einnickt - immer neue "Mutationen" aus dem Handtäschchen zieht. Hier einen Vorgaukler, da eine Schnüfflerin, dort einen Abschirmer, aber wegen ihrer begrenzten Verwendung und eindimensionalen Zeichnung (ihr Charakter ist ihre Funktion, alles weitere ist Camouflage) absolut austauschbar und vergessenswert.
Was als Action-SF-Mystery beginnt, verwandelt sich in eine mittelmäßige Dauerwanderung durch eine überbevölkerte Großstadt mit einzelnen Aufenthalten in billigen bis luxioriösen Hotelzimmern und wenn es gar nicht anders geht, schiebt man einige kleinere Effekte ein, die aber seit "Buffy" wirklich keinen mehr vom Hocker hauen - selbst angesichts einer leichten Steigerung beim Showdown, dessen Größenordnung ein Film wie "Blade" bereits kurz nach den Vortiteln pulverisiert hatte.
Spannung aus dem Mysterium zu destillieren gelingt nie, zu sehr kreist der Plot um sich selbst und bisweilen weiß man als Zuschauer nicht recht, warum dieses und jenes auf der Flucht funktioniert und anderes wieder nicht - alles Storyelemente, die man in einer TV-Serie besser aufgehoben gewußt hätte und die hier uninspiriert und manchmal sogar unlogisch wirken.
Die Darsteller mühen sich infolgedessen redlich, aber relativ hilflos gegen die spektakuläre Beliebigkeit und Reizlosigkeit des ganzen Films, der am Ende in einen vagen Twist und das relative Versprechen einer ungewollten Fortsetzung mündet.
"Push" will neu und aufregend und raffiniert sein, ist aber schlußendlich nur wirr und öde, außer es genügt schon die Exotik des Schauplatzes, um an der Backstory Gefallen zu finden. Verschenkte Liebesmüh, die vom Publikum dann auch nicht recht honoriert wurde, um schließlich als SF-Kuriosum mit jugendlicher Beteiligung im Comicverfilmungslimbus zu landen - obwohl ausgerechnet hier mal keine Bildergeschichte und kein Erfolgsroman am Start waren.(4/10)