Review

"Es ist also gar nicht so wichtig, was ich sage, sondern wie ich es sage?" 


       Zitat aus der Anfangsszene von "Nixon" (1995)



Oliver Stones Ruf bewegt sich irgendwo zwischen Enfant Terrible Hollywoods, Regisseur für großes Mainstreamkino und politisch ambitioniertem Filmmacher mit einem sehr kritischen aber subjektiven Blick auf das Verhältnis zwischen Gesellschaften und ihren rechtlichen und moralischen Systemen.

Beispiele für diese unterschiedlichen Tendenzen in seinem Schaffen wären „Natural Born Killers" (1994), „JFK - Tatort Dallas" (1991) und „Platoon" (1987). 

Dabei fing Stone eigentlich mit dem Horrorfilm an, wobei sein „Die Hand" von 1981 der erste bekanntere seiner eigenen Filme war. Und auch zwischendurch widmete sich Stone immer wieder dem Genrekino, wobei der Horror dem Thriller weichen musste. 

Im Fall von „U-Turn - Kein Weg zurück" von 1997 wirkt es fast so, als müsse sich der Regisseur einfach mal eine Auszeit von den großen politischen und ethischen Fragen nehmen und sich leidenschaftlich und hingebungsvoll dem Genrefilm als Thema widmen, ohne jedoch so etwas wie einen Meta-Film abliefern zu wollen. „U-Turn" ist ein Mix aus Road-Movie, Neo-Western, Neo-Noir und Hard-Boiled-Kleingangsterfilm geworden, der zu jeder Sekunde droht, an seiner überbordenden Formalität zu ersticken, es aber zu keiner Sekunde tut, womit Stone schon ein kleines Kunststück gelingt. 

Denn der dauernde Wechsel von Brennweiten, Perspektiven, Farbfiltern, Bildmaterial und der Hingabe an die Seduktion durch kurzfristige Brüche der zeitlichen und narrativen Struktur, wenn beispielsweise bei einem hinterlistigen Automechaniker während seines Dialogs ein Bild im selben Setting eingeblendet wird, in dem er einfach fies und seinen Charakter entlarvend grinst, während wir ihn aber noch gleichzeitig seinen Text in der eigentlichen Szene sprechen hören, für ein ziemliches Wirrwarr sorgt. Genau wie dieser lange Satz... 

Die Machart erinnert stilistisch klar an „Natural Born Killers" und Stone nutzt die gleichen Waffen, um einen intensiven Angriff auf die Sinne des Zuschauers zu starten. Während in dem Skandalfilm von 1994 jedoch eine allegorische Auseinandersetzung mit dem Thema der Gewalt in den Medien im Mittelpunkt stand, spielt Stone hier mit Elementen aus den verschiedenen Genres und Subgenres, ohne tiefere Botschaften an die Motive und Versatzstücke zu heften. Zumindest wären sie mir entgangen, sollten sie vorhanden sein. 

So liest sich der Plot auch recht schlicht:  

Der abgehalfterte Taugenichts Bobby, dem wegen Schulden schon zwei Finger an einer Hand fehlen, landet durch eine Panne in einem abgelegenen Kaff irgendwo in Arizona. Dort gerät er an eine junge, attraktive Frau und deren raubeinigen Ehemann. Beide wollen Bobby zur Ermordung ihres Gegenübers anstiften, er lockt mit Geld, sie mit Sex, und da für Bobby wirklich alles schiefläuft, gerät er in ein undurchsichtiges Spiel, an dessen Ende es viele Tote gibt. 

Das kommt einem freilich nicht neu vor und obwohl der Plot doch eventuell die ein oder andere Überraschung bereithält, ist er doch recht simpel. Es war ganz offensichtlich nicht Stones Absicht, unbedingt diese Geschichte erzählen zu wollen. Vielmehr ging es ihm und das Wie und hier legt er eben mächtig los. 

Hilfreich sind dabei die vollkommen überzogenen Figuren, die jede für sich zwar wie eine übersteigerte Form ihrer selbst wirken, aber trotzdem kaum satirischen Elemente in den Film einfügen, wenngleich man doch häufiger über die Überzogenheit lachen muss. Lächerlich ist aber nichts und hier liegt meines Erachtens das große Kunststücks Stones, denn im Zuge der Tarantino-Welle der zweiten Hälfte der 1990er gab es genug Filme, die durch schräge Figuren, schräge Dialoge und den Willen zu einer erzählerischen Coolnis punkten wollten, aber so gewollt waren, dass es eben schnell lächerlich wurde.

Davon hält sich „U-Turn" frei und er wirkt trotz seiner Rekonstruktion filmischer Motive in seinem Konzept eigenständig und geschlossen. Heute würde man aufgrund der starken Visualität des Films vermuten, es handle sich um die Verfilmung einer furiosen Graphic Novel, die sich wiederum auf filmische Vorbilder seit den 1940ern bezieht. 

Statt einen großen allegorischen Bogen zu spannen, spielt Stone mit allerlei klar identifizierbaren Metaphern, die die Bildfläche teils schon fast überladen und die Fiebrigkeit und grundsätzliche Nervosität des Films auch in ruhigeren Momenten permanent aufrecht halten. Auf diese Art entsteht kaum Leerlauf und lediglich gegen Ende erlaubt sich der Film, etwas mehr Ruhe aufkommen zu lassen, die man aber bereits bei der Erstsichtung allenfalls als die bekannte Ruhe vor dem Sturm wahrnimmt. 

Was bei alledem den Film aber nochmals in andere Qualitätssphären katapultiert ist der Score des Films, den Ennio Morricone hier auffährt. Er gehört für mich mit zum Besten, was der vielleicht größte Filmkomponist aller Zeiten je an Arbeit abgeliefert hat. Denn letztlich bringt Morricone hier kaum etwas wirklich Neues ein und er macht das, was dieser Film letztlich von ihm verlangt: Er zitiert. Und zwar sich selbst. Und dies tut er so gelungen, dass die Komposition aus Bildrausch und Musik stellenweise die maximal mögliche Vermischung eingeht und man sich fühlt, als liege man in einer warmen Badewanne aus gutem Filmgefühl. Die Verdichtung von Bild und Musik zu einem Strom von Motiven hat in einigen Sequenzen schon etwas Rauschartiges. Musik aus „Two Mules for Sister Sarah", „The Untouchables" oder „Once Upon a Time in America" wird hier aufgegriffen und variiert. Dazwischen gibt es ganz eigene Kompositionen, die sehr nah am Bild und der Szene sind und den Abwärtsstrudel der Figuren so genießbar machen als wäre es Apfelstrudel und die Musik die Schlagsahne. Dazu noch einen Kaffee und der Nachmittag ist perfekt.


Fazit 

„U-Turn" ist ein beschämend vergessener Film, den ich in der einzig erhältlichen DVD-Version lediglich antiquarisch beschaffen konnte, nachdem er mir seit der Erstsichtung auf VHS 1998 sehr positiv in Erinnerung geblieben ist. Nur mal so: Darsteller: Sean Penn, Nick Nolte, Jennifer Lopez, Billy Bob Thornton, Joaquin Phonix, Claire Danes, Powers Boothe, Jon Voight, Regie: Oliver Stone, Musik: Ennio Morricone. Geht's noch? 

Auch wenn die nervöse und oft auch durchgeknallte Machart des Films nicht jedermanns Sache sein mag: Ein Film mit diesem Cast muss doch schon fast deswegen die bestmögliche Veröffentlichung erhalten. Und dann ist er auch noch gut gespielt, gut gemacht, gut vertont und ein Fest für alle Filmkonsument*innen mit einem Faible für klassische Genrefilme. Ich bin schon lange nicht mehr so intensiv und gut unterhalten worden.  

Wegen der teils vollkommen unterschiedlichen Ansätze ist es schwer, ein Ranking von Stones Filmen zu machen, aber „U-Turn“ steht als eher kurzes Intermezzo zwischen den ganzen Schwergewichten dennoch für mich auf dem Siegertreppchen.

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