Review

"Kids are united
and they will never be divided!"
 
Sham69

So, das ist er also - der "ultimative" Punkfilm über das "ultimative" Punkevent. Es begab sich also zu der Zeit da ein großer Haufen Jugendlicher mit gefärbten Haaren und Vorliebe für Dosenbier sich aufmachte in eine große deutsche Stadt mit Namen Hannover um sich mit grüngewandeten Ordnungshütern und haarlosen Rabauken der politischen Gegenseite Straßenschlachten zu liefern, die ein wenig ´68er-Flair in unser geliebtes Heimatland zurückbrachten. Da nun Punk eher als Jugendbewegung zu verstehen ist und die großen Helden von ´77 entweder tot (so ziemlich alle Ramones), politisch konservativ (die Misfits-Bush-Sympathie) geworden sind oder sich in englischen Dschungelshows zum Affen machen (Sex Pisol Johnny Rotten), sah sich die deutsche Punk-(Avant)Garde genötigt den alten Hauch von Anarchie wieder aufleben zu lassen und Menschen wie mir, die damals einfach noch zu jung waren um das alles mitzubekommen, ihre Version der berühmt-berüchtigten Chaostage zu erzählen.

Herausgekommen ist dabei eine im Laufe der Produktion immer aufwendiger gewordene Low-Budget-Produktion von Punks mit Punks für Punks...über Punk. Jeder andere, der mit der Subkultur noch nicht allzuviel Berührung hatte sollte sich diesem Werk eher vorsichtig nähern. Denn das Bild das hier von den wilden Anarchos gezeichnet wird ist - vorsichtig ausgedrückt - eher abschreckend. Im Gegensatz zu meinen bisherigen Erfahrungen werden diese nämlich als gewaltbereite, dauersaufende (na gut, dieses Bild habe ich auch vermittelt bekommen) Prekariatskinder dargestellt. Dabei setzt sich Chaostage aus (nicht wirklich geschichtstreuen) Interview- und Spielfilmsequenzen zusammen. Beide erzählen von den Anfängen der Krawalltage - nur der an den wirklichen Fakten interessierte Zuschauer wird hier nichts erleuchtendes finden. Denn die Geschichte des liebeskranken Punks der zum Mörder und schließlich Outlaw wird hat nichts mit den realen Ereignissen zu tun. Die Interviews mit alten Punklegenden (Mitglieder von Slime, Toxoplasma oder den Kassierern) verkaufen diese Geschichte als Wahrheit - und vielleicht wissen sie es - getreu dem Falco-Motto "Wer sich an die 90er erinnern kann, ist nicht dabei gewesen" - tatsächlich nicht mehr besser. Dabei reichen die Aussagen von Ironie bis zur Selbstbeweihräucherung, von Kritik bis hin zu beinahe traurigen Aussagen (etwa des Punks der sich zu alt für Konzertbesuche hält).

Löst man sich von der Vorstellung das es sich bei Chaostage um einen wirklichen Film handelt (mit richtigem Drehbuch, nachvollziehbarer Story und sympathischen Helden) kann man mit dem Film wirklich Spaß haben. Die Produktion ist für Low-Budget wirklich gut, einige Szenen sind famos gelungen, der Soundtrack ist von Atari Teenage Riot-Mastermind Alec Empire superb ausgewählt (wenn man denn Punk mag) und ab und zu werden tatsächlich reale Dokuszenen angekarrt. Nichtsdestotrotz wird allerdings ein für Aussenstehende der Szene eher wenig schmeichelndes Bild der Subkultur gezeichnet - und wie es auf der Hülle so schön heißt: Wer Punk nicht mag, der wird nach Genuss des Films erst Recht davon Abstand nehmen. Etwas inkonsequent, schließlich wird hin und wieder versucht klarzustellen, ältere, konservativere Menschen (oder Polizei) sollen doch nicht nur nach dem Aussehen beurteilen - was nach "Chaostage" erst recht schwer wird. Ansonsten ist der Film eine Ansammlung von Musik, ein wenig Gewalt, seltsamen Sexszenen (wer auf pinkelnde Frauen steht wird sich freuen) und wieder Musik. Einige meiner Lieblingsstars aus deutschen Landen haben Kurzauftritte die von entäuschend (zu kurz, zu unmotiviert: Martin Semmelrogge und Ralf Richter) bis hin zu "ich will seine Aussage als Klingelton ("Wenn das meine Kinder wären, die würd´ ich kaputt machen"-Helge Schneider) reichen. Achja Wolfgang Wendland lässt es sich ebensowenig nehmen in den Interviews seine Meinung zum Besten zu geben, als auch eine kleine aber feine Rolle zu übernehmen.

Als reiner Hirn-aus-und-Spaß-dabei Film recht gelungen, als Portrait einer Subkulturgeneration eher unglücklich, als klassischer Film unbrauchbar. Spaß hats trotzdem gemacht (auch den Punks die sich am Premiereabend Straßenschlachten mit der Polizei lieferten). Daher verbelibt für mich ein insgesamt positiver Eindruck. Für echte Asselpunks ein Muß, für Trashfreunde eine Überlegung wert.

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