„Let's make money“ ist eine Stoffsammlung, aus vielen Bildern und Interviews. Entsprechend erscheinen auch meine Bemerkungen als eine zusammengewürfelte Menge von Eindrücken.
„Etwa frei assoziiert?! Etwa wie Michael Moore?!“ Heutzutage ist das „Michael-Moore-Bashing“ beliebt: Der Mann, der Dokumentarfilme im Kino populär machte, dem ich jeder Zeit ans Ende der Welt folgen würde, wird gern von Pharisäern des guten Geschmacks an Kreuz genagelt. Obwohl sie ihn ohne seine populären Mittel wahrscheinlich nie wahrgenommen hätten und Dokumentarfilme mit Hilfe von „Unsere Erde“ oder „Buena Vista Social Club“ definiert hätten. Übrigens, Sie wissen sicherlich: Guter Geschmack ist der Feind der Kreativität.
Aber zum Glück ist Erwin Wagenhofer nicht so angreifbar. In „Let's make money“ tritt kein beleibter Filmemacher vor die Kamera. Zu lachen gibt es auch nichts.
Der Film ist sehr lehrreich und mir wurde sehr schlecht. „Let's make money“ läßt viele Menschen reden (meist Männer) und zeigt viele Bilder, die wunderbar komponiert sind. Er beginnt mit der Idee: „Geld arbeitet“. Er geht der Frage nach: „Wie sieht diese Arbeit aus?“
Man sieht auch die tatsächlichen „Arbeiter“. Die, welche morgens mit dem Satz aufstehen: „Let's make some money“ (Laß uns etwas Geld „machen“). Sie „machen“ aus Geld: Mehr Geld. Die sehen wir. Und wir sehen ihr Tun. Und wir sehen viele Arbeiter, die kein Geld machen. Aber sie „tun“ auch etwas.
Wir kennen das Bild aus Hollywoodfilmen: Karge Felsengegend. Sengende Hitze. Ausgemergelte Menschen klopfen Steine. Gemeine Aufseher peitschen die Gepeinigten zur Arbeit. Wir alle wissen: Diese Bilder stehen für Sklaverei, Gefangenenlager, Strafhaft in undemokratischer Zeit.
Die gleichen Bilder gibt es in „Let's make money“. Mit kleinen Unterschieden: 1.) Sie stehen für neoliberale, „freie“ Marktwirtschaft. 2.) Die Sklaven brauchen keine Aufseher, die sie zur Arbeit treiben. Sie arbeiten freiwillig, um nicht sofort zu verhungern. 3.) Sie haben kleine Kinder dabei, die mitarbeiten oder im Rücken der Sklaven „spielen“. 4.) „Let's make money“ ist keine Fiktion, sondern Realität.
Wir lernen auch Sklaventreiber kennen: Sie haben keine Peitschen, sondern lesen das „Wall Street Journal“ oder die „Neue Zürcher Zeitung“ (einer schreibt diese Zeitung sogar!), sie fahren BMW und schwingen Handys statt Peitschen. Sie sind auch nicht gemein oder brutal, sondern kultiviert, gebildet, freundlich, offenherzig, entgegenkommend. Wir vertrauen ihnen tagtäglich unser Geld an. Und unsere Weltanschauung.
Sie sind mitteilsam. Wenn sie z.B. von „Eintrittspreisen“ sprechen. Die sollen die Armen an die Reichen zahlen, um an dem teilhaben zu dürfen, was ihnen zuvor die Reichen geraubt haben. Die Reichen nennen diesen Raub: „Investieren“.
Einer investiert in „Emerging Markets“. Mit ihnen „macht“ er Geld. Er erklärt uns, daß diese "aufstrebenden Märkte" bisher „Entwicklungsländer“ genannt wurden, daß der neue Name aber profitabler sei.
Ein anderer sieht aus wie der Weihnachtsmann, gütig und rundbäckig. Er hilft den Räubern, ihren Raub in sog. „Steueroasen“ zu verstecken (wie in den Hollywoodfilmen die Piratenschätze vergraben werden). Er nennt das „moderne Finanzdienstleistungen“. Dafür schmückt sich sein verschlafenes Fischerdörfchen jetzt mit modernen Bürogebäuden.
Der Mann, der für die Zeitung schreibt (passenderweise für den Wirtschaftsteil!), erklärt, daß dieses Vergraben zwar ein „Vergehen“ sei, daß aber für die Schweiz dieses Vergehen (andere Interviewpartner nennen es: „Diebstahl“) noch längst kein Grund sei, das (Bank-) Geheimnis, das die Namen der Diebe geheim hält, zu enthüllen.
Minutenlang fliegt die Kamera über unbewohnte Reißbrettstädte, die dem Land das Süßwasser aussaugen, um Golfplätze zu wässern, die den Wert der Immobilien steigern. Das Ganze ist eine „Immobilienblase“, die gerade am Platzen ist. Die Unkosten trägt der spanische Staat.
Andernorts machen riesige Reklametafeln Werbung für die "Deutsche Bank" und den "Millionaires Club". Unter der Reklametafel leben Menschen in verrottenden Hütten aus Pappe und Plastikfolie, am Ufer eines Flusses, der von Müll bedeckt ist. Auf der Reklametafel sitzen die Geier.