Die Flut von Torture-Porn-Filmen schlägt eine riesige Welle. Während es nur vereinzelt leidlich kreative Werke gibt, welche sich im Ersinnen sadistischer Folterungen einen Namen machen, ist der Großteil der Nachahmer nicht wirklich eine Sichtung wert. Den selben Eindruck schien auch 'Train' von Gideon Raff, der als eine Neuverfilmung des 80er-Horrorfilms 'Terror Train' von Roger Spottiswoode gedacht war. Erfreulicherweise entwickelt sich die Story in eine komplett andere Richtung und weiß mitunter auch zu fesseln, wobei vor allem die Folterszenen stark an 'Hostel' erinnern mögen. So einiges vermag an jenen Film zu erinnern, der Eli Roth damals Groß raus brachte.
Eine Ringer-Truppe hat in einem osteuropäischen Land ein Turnier, welches sie gewinnen und infolgedessen nach Odessa müssen. Bevor die Reise jedoch losgeht, feiern die vier Freunde Alex, Sheldon, Todd und Claire mitsamt dem Co-Coach (?) Willy in einer angesagten, leicht abgelegten Disco, die mit einer Schlägerei endet. Tags darauf beginnt auch schon die Reise in einem Zug, der für viele die letzte Reise darstellen soll. Denn wie es in solch Filmen nun mal üblich ist, sind Osteuropäer prinzipiell immer diabolischer (vor allem die Russen), was die Truppe auch bald zu Gesicht bekommen - oder eben ins Gesicht. Nachdem der Coach Harris nach einem Tag nicht mehr auffindbar ist, entschließen sie sich, ihn aufzusuchen, doch vergebens - bis einer in den eigenen Reihen nicht mehr auftaucht. Dass in diesem Zug die Menschen bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet werden, werden auch sie bald am eigenen Leib zu spüren bekommen - doch dahinter steckt ein Prinzip. Nicht der Befriedigung wegen, sondern zum Wohle anderer gabelt dieser Zug seine Passagiere auf - um sie dann zu foltern.
Gideon Raffs Film erinnert vor allem in den ersten Minuten sehr stark an 'Hostel'. Ähnliches Setting, Jugendliche in Osteuropa und Sex. Dieses Rezept scheint angeblich sehr gut zu funktionieren, denn 'Train' ist entgegen aller Erwartungen kein sinnentbehrter Folterfilm, der ohne Rücksicht auf Verluste sein ganzes Personal abschlachtet, ohne Variationen zu zeigen. 'Train' entwickelt in der ersten Hälfte ein feines Gespür für den Spannungsaufbau und dem Einsatz von Atmosphäre; gerade weil es in einem Zug abspielt, wirkt es der schmalen Gänge wegen leicht bedrückend. Die Charaktere sind fürwahr nicht aus einem Shakespeare-Roman entliehen, aber sie verhalten sich den Situationen entsprechend, ohne nun dem Teenie-Slasher-Klischee zum Opfer zu fallen. Vor allem Thora Birch macht trotz der anfänglichen Zurückhaltung eine gute Figur und verhält sich Gott sei Dank nicht allzu dumm. Generell sind die meisten Aktionen plausibel, wenn auch nicht immer der Logik entsprechend.
Nachdem das Personal in der ersten Hälfte mehr als Genüge eingeführt wurden und die ersten Unsicherheiten die Runde machen, drückt der Film mächtig auf die Tube. Die eigentliche Folterszenen sind zwar nicht in Überzahl, aber in ihrer Inszenierung nicht zu Verachten. Dort werden Brustkörbe aufgesägt, Augen am lebenden Leib entfernt und Körper in schicken Nahaufnahmen entstellt. Das ist harte Kost und wird den Puls des ein oder anderen Torture-Porn-Liebhabers relativ schnell in die Höhe steigen. Trotz der widerlichen, aber nicht minder kreativen Entstellungen bleibt dennoch Platz für ernst zunehmenden Emotionen. Nachdem das Geschehen jedem Beteiligten bewusst geworden ist, flaut die Spannung etwas ab, aber die dreckigen, düsteren Locations des Zuges vermögen weiterhin eine atmosphärische Brisanz auszustrahlen. Durch zwei dumm agierenden Gehilfen versucht der Film noch eine komödiantische Note einzubringen, versagt daran aber, da es sein Thema verfehlt, den Film aber nicht allzu sehr schadet. Immerhin segnen die Beiden schnell das Zeitliche.
Im Laufe der Geschehnisse nimmt Thora Birch eine immer zentralere Rolle ein, bleibt von dem Massaker im Großen und Ganzen verschont, bis der Zug einen Zwischenstopp macht und es ihr die Möglichkeit gibt, die Beweggründe zu erfahren, weswegen das Personal seine Passagiere malträtiert. Normalerweise sind Folterer in solchen Filmen gewissenlos und handeln ohne jeglichen Gründen. Nicht aber Raffs Film. Seine Intentionen liegen zwar auf der Hand, dennoch ist der Grund und die Auflösung etwas abstrus und platt, es scheint das Grauen nicht zu entschuldigen, auch wird es dem Zuschauer nicht wirklich gerecht. Gerade die ca. letzten 20 Minuten sind sehr gedehnt, der Film verliert an Tempo und Spannung, und auch die Atmosphäre verabschiedet sich so langsam. Abgesehen davon hat Birch in den letzten Minute wohl mehrere Friseurbesuche hinter sich, weswegen ändert sich ihre Haarfarbe denn sonst stetig zwischen purem Schwarz und leichtem Braun? Oder habe ich mir das nur eingebildet? Wie auch immer.
Das eigentliche Finale ist abzusehen, die obligatorische Wendung auch, dennoch ist der Film ein netter Beitrag zum Torture-Porn-Genre, der dem zwar nichts Neues bietet, aber Ideen kreativ erwartet und die eigenen Grenzen austestet, ohne zu geschmacklos zu werden. Wem 'Hostel' schon in puncto Gewalt ein schweres Pflaster, sollte diesen Film meiden, da er nicht mit Nahaufnahmen geizt. Spannung, Atmosphäre und die relativ gut aufspielenden Protagonisten machen aus dem Ganzen einen unterhaltsamen, nicht wirklich besonderen, aber doch leicht fesselnden Film, dem durchaus Beachtung zu schenken ist.