In Hollywood führte Kiefer Sutherland trotz einiger Rollen in größeren Filmen ein Randdasein und sollte dann mit „24“ im Fernsehen die Rolle seines Lebens finden.
Schon das Konzept der Serie ist revolutionär, denn jede Staffel umfasst ein 24 Folgen, die einen Tag bilden. Alles läuft in Echtzeit ab, was bedeutet, dass die Handlung in den US-Werbepausen weiterläuft und die Folgen dann in den DVD-Versionen nur etwas mehr als 40 Minuten laufen und die Werbepausen überspringen. Dabei wird auch möglichst strikt auf Logik geachtet (eine Fahrt zu einem entlegenen Ort dauert dann auch wirklich eine halbe Stunde), obwohl sich kleinere Logikfehler nicht ganz vermeiden lassen, aber diese fallen kaum auf.
Im Zentrum der Serie steht Jack Bauer (Kiefer Sutherland), Agent bei der CTU (Counter Terrorist Unit) in Los Angeles, dem in jeder Staffel ein besonders harter Auftrag bevorsteht, egal ob er seine Familie befreien, Anschläge mit Atomwaffen oder Killerviren abwehren oder einen Anschlag auf einen Präsidentschaftskandidaten verhindern muss.
Jack ist (zumindest bisher) der einzige wirklich feste Charakter, andere Figuren können aus verschiedensten Gründen ausscheiden: Haft, Entlassung oder auch Tod. Denn „24“ ist wirklich knallhart und hat auch mit Sympathieträgern kein Erbarmen, wodurch die Serie besonders spannend wird: Keine Figur ist wirklich sicher, selbst von der Stammbelegschaft kann es Leute erwischen, egal wie sympathisch sie dem Zuschauer auch sein mögen.
Das schmerzt natürlich, denn „24“ zeichnet sich gerade durch die sehr gut erdachten Charaktere aus, die einen trotzdem immer wieder überraschen. Freunde können Verräter sein und umgekehrt, Nervensägen können sich zur besten Hilfe für Jack mausern usw. Jack selbst ist sicher die coolste Agentensau der USA, wird jedoch auch kritisch beäugt: Er bricht andauernd die Vorschriften, hat wenig Skrupel und mausert sich nach einem einschneidenden Erlebnis am Ende der ersten Staffel zu einem wirklich fanatischen Terroristenjäger, der Informanten auch foltert oder deren Familien bedroht.
Damit unterscheidet sich „24“ von den ganzen Saubermannserien, denn Jack Bauer und seine Kollegen machen sich oft die Hände schmutzig – doch „24“ nimmt glücklicherweise nie allzu direkt Stellung, sondern lässt den Zuschauer selbst entscheiden, ob er es für angebracht hält, jemanden zu foltern, um z.B. einen Anschlag mit einer Nuklearwaffe zu verhindern. Doch davon mal abgesehen wirkt es auch umso realistischer, denn die USA sind ja in dieser Hinsicht bekanntermaßen nicht gerade zimperlich.
Vor allem zeichnet sich „24“ durch wirklich schweißtreibende Spannung aus. Die Geschichten sind stets sehr gut konstruiert und am Ende von nahezu jeder Episode gibt es einen Cliffhanger, der die nächste Folge noch schmackhafter werden lässt. Natürlich geht es nicht in jeder Folge gleich rund, doch stets ist das Ganze schweißtreibend genug, um zum Weitergucken zu animieren und einige Einzelfolgen sind Adrenalin pur (vor allem wenn Jack mal wieder einen Wettlauf gegen die Zeit bestreiten muss).
Ebenfalls grandios ist die Action, welche diverse Kinoproduktionen alt aussehen lässt. Meist ist sie ziemlich realistisch, auch wenn Jack oft wie ein Übermensch erscheint. Doch wie fasst es ein Soldat in der zweiten Staffel so schön zusammen: „They say that you’re a born killer.“ Staffel zwei ist bisher auch das Highlight, da zwei der Actionszenen (die regelrechte Schlacht in der Gasse und das Finale) selbst erfahrene Genrefans begeistern können, doch nahezu jede Staffel bietet genug wunderbar durchchoreographierte Feuergefechte, Nahkämpfe und Verfolgungsjagden).
So lässt sich nur ein wenig die Überkonstruiertheit kritisieren, die allerdings auch notwendig ist, um 24 Stunden zu füllen. Gerade in den späteren Staffeln werden Unmengen an Handlungssträngen angerissen, in Staffel vier z.B. haben die Terroristen nicht nur einen Plan, sondern auch einen genauso guten Ersatzplan, die beide mit zig spektakulären Ablenkungsmanövern arbeiten. Auch hat „24“ es sich zur Aufgabe gemacht immer ganz besondere Tage im Leben von Jack Bauer zu zeigen, sodass er am Ende einiger Staffeln gar nicht mehr für CTU arbeiten will oder kann (vor allem nach dem Ende von Staffel vier wird es schwer seine Wiederkehr noch mal zu rechtfertigen: *SPOILER* Er wird offiziell für tot erklärt *SPOILER ENDE*). Etwas nervig sind auch ein paar Klischees, z.B. die Gattin von David Palmer (Dennis Haysbert) ist dermaßen karrieregeil, dass es jenseits von gut und böse liegt.
Kiefer Sutherland hat mit Jack Bauer dann auch die Rolle seines Lebens gefunden: Hart, kompromisslos, aber auch sehr cool spielt den Agenten. Auch die Nebendarsteller leisten tolle Arbeit, vor allem Carlos Bernard als Tony Almeida und Reiko Aylesworth als Michelle Dessler sind fantastisch. Hinzu kommen noch zig Gastauftritte bekannter Schauspieler, z.B. „Candyman“ Tony Todd, B-Actionstar Jeff Wincott, Dennis Hopper, Lou Diamond Phillips usw. Einige (z.B. Mia Kirshner) tauchen auch in mehreren Staffeln auf und stets glaubwürdig, da die Autoren wirklich Sorge tragen, dass „24“ im Rahmen des Glaubwürdigen bleibt.
„24“ ist eine der spannendsten Serien überhaupt und kann darüber hinaus noch mit tollen Actionszenen begeistern. Zwar sind die Geschichte teilweise etwas überkonstruiert, damit man ausgerechnet Jack Bauer ins Getümmel schicken kann, doch selbst nach Ende der vierten Staffel lassen wartet man trotz leichter Ermüdungserscheinungen gespannt auf die nächste Staffel. Allerdings sollte man die Folgen möglichst auf DVD sehen und das nicht nur, weil dies einem Wartezeit und geschnittene Episoden spart, denn die deutsche Synchro von „24“ ist leider ziemlich schlecht, was die Sprecherwahl angeht