Ein Mann der Freund und Feind nicht mehr unterscheiden kann, ist für den Geheimdienst nicht zu gebrauchen.
Der mittlerweile 22. offizielle Bond geht, wie bereits sein Vorgänger "Casino Royale (2006)", eigene Wege und löst sich noch mehr von den Konventionen üblicher 007 Filme.
James Bond (Daniel Craig) will antworten. Mit Mr. White (Jesper Christensen) im Gepäck befindet er sich auf dem Weg zu seiner Vorgesetzten M (Judi Dench), in der Hoffnung etwas von der Organisation „Quantum“ zu erfahren, die Vesper Lynd vor ihrem Tod erpresst hatte. Doch das Verhör wird urplötzlich unterbrochen als sich ein Leibwächter M's als Verräter heraus stellt, Mr. White zur Flucht verhilft von Bond aber zur Strecke gebracht wird.
Durch eine Spur des Verräters gelangt Bond nach Haiti, wo er durch die schöne Camille (Olga Kurylenko) auf den ominösen Geschäftsmann Dominic Greene (Mathieu Amalric) stößt. Dieser erweist sich als treibende Kraft hinter „Quantum“ und verfügt über Kontakte bei verschiedenen Staatsmännern, sowie dem CIA. Mit diesen plant er ein Komplott in Bolivien bei dem es scheinbar um Erdöl geht. Durch Rachsucht macht Bond diesen Gegner zu seiner persönlichen Vendetta, wodurch M seinen Handlungsrahmen deutlich eingrenzt.
"Ein Quantum Trost" setzt am Ende von "Casino Royale" an und erzählt erstmals eine Bond Geschichte direkt weiter. Vorkenntnisse sind somit wünschenswert und von Vorteil, insbesondere zu Beginn und zum Schluss, wo Charaktere des Vorgängers Verwendung finden. Ohne Vorkenntnisse, oder Auffrischung der alten Materie, stellt sich der zugehörige "Aha-Effekt" nicht ein.
Um seinem Vorgänger gerecht zu werden hat es der deutsche Regisseur Marc Forster ("Drachenläufer", "Schräger als Fiktion", "Wenn Träume fliegen lernen") nicht sonderlich leicht, muss er doch einerseits den Bond Fans gerecht werden und darf andererseits die neue Interpretation des Geheimagenten nicht vernachlässigen.
Als erstes stellen sich die Fragen: Was ist von typischen 007 Merkmalen noch übrig geblieben und wie werden diese angewendet?
Das Bond Girl ist wohl kaum weg zu denken und in zweifacher Form vorhanden. In erster Hinsicht durch Olga Kurylenko ("Hitman") die durchgehend Verwendung findet allerdings im gesamten Film kein Lächeln zustande bringt. Ein wenig mehr Abwechslung als der ständig bockige Gesichtsausdruck wäre hier sicher ganz passend gewesen. Dies kann dann die ebenfalls ansehliche Gemma Arterton als Fields. Für mehr als ein Dauergrinsen gab ihr das Drehbuch aber wohl keine Gelegenheit.
Waghalsige Stunts jenseits der physikalischen Möglichkeiten sind ebenso vorhanden, diese lassen aber das "Typisch Bond" Feeling missen. Es geht wesentlich bodenständiger und ernster zur Sache als man es von früher gewohnt ist. Dies tut dem Franchise einerseits gut und bietet eine neue Ansicht des Agententhrillers, zerstört allerdings den gewohnten Charme. Mal davon abgesehen ist die Kameraführung derart hektisch, dass man von den Stunts nicht sonderlich viel zu Gesicht bekommt oder das Geschehen kaum wahr nimmt.
Dies betrifft auch die Verfolgungsjagden die nicht im mindesten innovativ wirken, weder die zum Beginn im Auto noch die später folgende auf einem Boot.
Schade ist, dass erneut technische Spielereien außen vor gelassen werden. Es finden sich keinerlei "Gadgets" im neuen Bond, auch der Wagen hat keinerlei zusätzliche Funktionalitäten.
Mit Superschurken verhält es sich ähnlich. Einen bzw. mehrer Gegenspieler gibt es natürlich, diese haben aber keinerlei spezielle Begabung oder Ausrüstung. Gesamt gesehen überwiegt der realistische Look, auf surreale Elemente wurde völligst verzichtet.
Zumindest hat man sich in der Schauplatzwahl bemüht. Diese strecken sich von einem verregneten London, über ein sonniges Italien bis hin zu einer Wüste in Bolivien (gefilmt in Australien und Chile).
Etwas Mau sieht es bei den bekannten Charakteren aus. M wird erneut gekonnt von Judi Dench dargestellt, für eine Neueinführung des vom verstorbenen Desmond Llewelyn gespielten Q hat man sich allerdings noch nicht entschieden. Auch der ewig mißlungene Flirt mit Miss Moneypenny lässt sich missen, denn diese gibts ebenso wenig.
Zum Schluss wären da noch die typischen immer wieder kehrenden Zitate "Geschüttelt nicht gerührt" oder "Mein Name ist Bond. James Bond". Beide finden sich nicht, die Anspielung auf ersteres lässt sich zumindest ansatzweise erahnen da der Martini Verwendung findet.
Für einen 007 ist so gesehen, vergleichsweise wenig vorhanden. Bedeutet nicht, dass es ausschließlich schlecht zu bewerten ist, denn der ernstere Look hat durchaus seine Vorteile, so wirkt Bond's Umgang beispielsweise wesentlich drastischer, stellt ihn aber auch als emotional zwiespältige Figur bloß. Das Contra beläuft sich insbesondere auf den fehlenden Charme den die Sean Connery oder Roger Moore Bonds vorweisen konnten.
Ebenfalls negativ beläuft es sich im Bereich der Action. Es kracht und rummst gewaltig, besonders in der ersten halben Stunde. Als Zuschauer schaltet man allerdings recht schnell ab, denn die ständig verwackelte Kameraführung und der schnelle Schnitt lässt den Zugang zum Geschehen kaum zu. Erst im Finale ist der Grad an Zerstörung und wilden Schießereien ansprechend und ohne ständige Verwirrung inszeniert.
Die Behauptung des härtesten Bond aller Zeiten ist sicher ein fachmännisch platzierter Werbespruch. Es gibt keinerlei Szenen in der die Gewalt überdramatisiert wird, keine Einschusslöcher oder aufwendige Bluteffekte. Einzig die Figur des Bond wirkt härter als vielleicht gewohnt. Somit ist das FSK 12 verständlich und auch der in der UK zensierte, harmlose Kopfstoß zu sehen.
Die Handlung selbst ist sehr grob und besonders zu Beginn äußerst undurchsichtig geraten. Worum es eigentlich geht erfährt man erst mit wachsender Laufzeit.
Wenig Gedanken hat man sich um Charakterdesign und deren Wiederverwendung gemacht. Teils lieblos werden Figuren mal nebenbei schnell eliminiert. Eine Hommage an "Goldfinger" ist hierbei zwar gut gemeint, verstärkt aber den Eindruck von wenig Einfallsreichtum.
Glücklicherweise wurde nicht völligst auf witzige Einlagen verzichtet, so ist zumindest der ein und andere zynische Spruch vorhanden, der für Auflockerung sorgt.
Etwas zurückhaltend kommt der Soundtrack daher, der die Atmosphäre nur selten verdichten kann. Der Song "Another way to die" von Alicia Keys als Opener ist etwas gewöhnungsbedürtig und beschreibt eindeutig den Weg zur modernen Zeit.
Daniel Craig zeigt, dass er den bekanntesten Geheimagenten der Welt tatsächlich in einer Neuinterpretation fortführen kann und präsentiert ihn ebenso athletisch wie auch von einer bisher unbekannten, verwundbaren Seite. Hier stehen die weiterführenden Möglichkeiten noch offen. Mathieu Amalric ist weder von Statur noch Gesicht der optimale Gegenspieler, hat aber seine Momente die er ausspielen kann. Ein paar mehr Wutausbrüche wären aber wünschenswert gewesen, hier geht noch was. Judi Dench behält die konstant gekonte Leistung der letzten Filme bei. Die Models sind schön anzusehen, schauspielerisch ist Olga Kurylenko aber sicher zu mehr imstande. In den Nebenrollen sind mir Jeffrey Wright, Jesper Christensen und Stana Katic zu zurückhaltend. Letztere hat hoffentlich demnächst bei "The Spirit" mehr zu bieten.
Noch mit "Casino Royale" ging der neue Werdegang des Geheimagenten voll auf, aber schon der Nachfolger zeigt Schwächen in etlichen Bereichen. Insbesonders die sperrige Kameraführung und die schlichte Handlung stoßen negativ auf. Hier muss mehr kommen, auch was das Bond-Feeling betrifft. Für den nächsten Film wünsche ich mir mehr Abwechslung durch technische Spielereien und mehr Mut zu weiteren Innovationen ohne die Bond Konventionen völlig zu überrennen. Übrigens: Nicht vorzeitig schreiend aus dem Kino rennen! Die Gunbarrel-Sequenz kommt erst zum Schluss, somit verbleibt ein Quantum Bond. Knappe...
6 / 10