"Bond ist tot - es lebe James Bond!"
...oder doch lieber John McLane ? - In seiner zunehmend verschlisseneren Kleidung und den diversen Beschädigungen an Körper und Seele, die den Tod eines geliebten Menschen verkraften muss und dem er auch einmal kurzentschlossen den Arm abbindet, ähnelt Daniel Craig mehr dem Einzelkämpfer, der gegen sämtliche Fronten kämpfen muss, als einem elegant überlegenen Agenten, der auch in den kritischsten Momenten immer auf den korrekten Sitz seiner Fliege achtet.
In "Casino Royale" waren noch Spuren vom "alten Bond" zu erkennen mit schönen Frauen, luxuriösen Locations und einem Bond, der im Smoking seiner Arbeit nachgeht. Doch in "Ein Quantum Trost" hat Bond weder Zeit für den Palio in Siena, noch für die Dramatik in der Bregenzer "Tosca"-Inszenierung, da er ständig damit beschäftigt ist, Menschen und Informationen hinterher zu jagen. Für einen Schluck seines Lieblingsgetränks oder gar einem Flirt mit einer aus der Riege der Bondgirls, bleibt da natürlich kaum noch Zeit. Wer das vermisst, wird am neuesten Bond-Film wenig Freude haben, aber im Gegensatz zu seinem gerührten Vorgänger, an den "Ein Quantum Trost" chronologisch unmittelbar anschliesst, ist dieser Film von frappanter Konsequenz.
Das beginnt schon mit dem ersten Bild, das anstatt aus einer Totalen ins Detail zu gehen - wie es bei den Bond-Filmen lange Zeit üblich war - so nah ins Geschehen eindringt, dass der Überblick gänzlich abhanden kommt. Wäre da nicht das vertraute Gesicht von Daniel Craig und das zwischendurch aufblitzende "Aston Martin" Emblem, man wüsste nicht, wer hier, weshalb, hinter wem herfährt. Diese an die "Bourne" Trilogie erinnernde Schnitttechnik, die es dort zu erheblicher Reife brachte, wirkt im ersten Moment deplaziert, verdeutlicht aber zunehmend die innere Haltung des Films.
Im Gegensatz zum klassischen Bond-Film, der eine von männlichen Wunschträumen geprägte Agententätigkeit beinhaltete (und damit viel Vergnügen bereitete), ist Craig in einer Realität angekommen, der jede klare Orientierung fehlt. "Ein Quantum Trost" beschreibt optisch wie inhaltlich ein Chaos, dass nicht deutlich werden lässt, ob Craig aus Rachsucht oder Professionalität handelt, ob er von M (Judy Dench), der er persönlich immer näher kommt, unterstützt wird oder nicht, wem er vertrauen kann und letztlich, wer seine Feinde sind. So wie im Verlauf des Films die Konturen klarer werden, verlieren auch die Actionszenen ihre Hektik.
Kongenial passen in diese Szenerie auch die beiden wichtigsten Nebenfiguren eines Bondfilms - die Frau an seiner Seite und der Bösewicht, den er bekämpfen muss. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass der "alte Bond" tot ist, dann spätestens an der Gestaltung dieser beiden Charaktere. Mathieu Amalric als Dominic Greene fehlt die überlegene mentale Stärke der früheren Bondgegner, die sich zudem einer bewaffneten Armada und einer technischen Ausstattung erfreuten, für die jeder Staat die Hälfte seines Bruttosozialprodukts hätte opfern müssen.
Es wäre allerdings auch Niemand auf die Idee gekommen, in solchen Charakteren den menschlichen Wohltäter zu sehen, als welcher Greene in der Öffentlichkeit auftritt. Als er einmal feststellt, dass Camille (Olga Kurylenko) nur aus Berechnung mit ihm geschlafen hat, schwingt so etwas wie Enttäuschung in seinem weichen Gesicht mit. Dominic Greene ist kein Frauenheld und wenn er sprachlich den harten Kerl rauslässt, dann wirkt das immer so, als wenn er sich selbst davon überzeugen müsste. Die Plakativität früherer Bondfilme, die jede Bedrohung auf eine Person konzentrierte, die nur beseitigt werden musste, um das Problem zu lösen, wäre in "Ein Quantum Trost" schlicht fehl am Platz.
Genauso wie ein Bondgirl, dass sich neben überragender Kampftechnik und Gerissenheit, vor allem dem alltäglichen Flirt widmet. Schon Eva Green in "Casino Royale" passte nicht in dieses Klischee, aber Olga Kurylenko nimmt diesem Charakter-Typ fast jeglichen Flair. Während die sonstigen Bond-Gespielinnen immer irgendeiner Organisation angehörten, ist sie hier alleine auf sich gestellt. Sie will sich an dem Diktatoren General Medrano (Joaquín Cosio) rächen, der ihre Eltern und Schwester umbrachte und ihr hässliche Narben zufügte. Sie wirkt sympathisch und ist von natürlicher Schönheit, aber ihre stetige Ernsthaftigkeit lässt keinen Raum für Sex und schnelle Vergnügungen. Einzig eine Beziehung wäre zwischen ihr und Bond vorstellbar, aber dafür fehlen die geordneten Verhältnisse.
Vielleicht liegt es an Paul Haggis, der für das Drehbuch verantwortlich ist, dass James Bond politisch realer geworden ist. Man könnte ihm vorwerfen, dass er den "alten Bond" für eine kritische Weltsicht über Bord geworfen hat, aber viel offensichtlicher beginnt die inhaltliche Wendung mit der Wahl eines Daniel Craig für die Hauptfigur, der mehr noch als in "Casino Royle" hier voll in seinem Element agiert. Ihn nicht mehr mit den Insignien seiner Vorgänger zu belegen ist folgerichtig, denn Craigs Stärke liegt in der Härte gegen sich selbst und der Direktheit, mit der er seiner Umgebung begegnet. Obwohl Engländer entspricht Craig gerade nicht dem beliebten englischen Klischee.
James Bond Filme waren nie bekannt für eine innere Logik in der Story, aber sie waren immer klar strukturiert. "Ein Quantum Trost" bricht mit dieser Vorgehensweise und fordert deutlich mehr die Aufmerksamkeit des Betrachters, dem Geschehen zu folgen.Tatsächlich ist der Film in sich schlüssiger in der Konsequenz, keine einfachen Lösungen anzubieten. Letztlich ist keiner der Protagonisten - egal auf welcher Seite er steht - in der Lage, das Geschehen zu kontrollieren.
Damit propagiert der Film die individuelle Stärke des Einzelnen, dem das Chaos zugute kommt. Ordnung - auch in optischer Hinsicht - unterstützt im Endeffekt nur die Intrige, wodurch sich dieser James Bond Film - wenn man ihn noch so nennen will - von seinen Vorgängern absetzt. Er ist dreckig, chaotisch, spannend und überraschend, aber er stellt die Ordnung nicht wieder her (8/10).