James Bond ist zurück, und zwar schnell, hart und kompromisslos wie selten zuvor. Dennoch ist 'Ein Quantum Trost' mehr Bond als viele meinen. Storymäßig gibt es (endlich) wieder eine echte Bedrohung für ein Land, was auch Auswirkungen auf die ganze Welt hat. Dabei werden aktuelle Themen angesprochen und auf die gefährliche Situation vieler Regierungen Südamerikas hingewiesen.
So ist der Haupt-Bösewicht - neben Dominic Greene von "Quantum" - der bolivianische General Medrano, der die neue Militärregierung übernimmt, ermöglicht durch "Quantum", im Gegenzug aber einen gefährlichen Vertrag unterschreibt: Denn nun kontrolliert "Quantum" 60 % der bolivianischen Wasserreserven und droht, das Land verdorren zu lassen.
Wie kommt nun James Bond in diese Kreise? Er ist auf der Suche nach dem, der Vesper in den Tod getrieben hat. An dieser Stelle sei ausdrücklich erwähnt, dass man die Story von 'Casino Royale' (2006) zumindest grob im Kopf haben sollte, um nicht sofort den Anschluss zu verlieren. Bond hat sich nun Mr White geschnappt, von dem er zum ersten Mal von der Organisation "Quantum" erfährt und - auch durch Bondgirl Camille - an Greene herankommt und seine Pläne aufdeckt.
Wiederkehrend ist, dass sich James Bond in M's (Judi Dench) Augen immer noch wie ein "Half monk, half hitman" (Casino Royale) benimmt und die Vertrauensbasis zur eigenen Firma erneut nicht vorherrscht. Dies macht James Bond aber nicht gleich zu einem x-beliebigen Actioncharakter, wie ihn viele in 'Ein Quantum Trost' beschreiben. Im Gegenteil: 'Quantum of Solace' ist "bondiger" als Casino Royale. Zwar nicht auf den ersten Blick; dennoch gibt es viele Aspekte im Film, die dafür sprechen.
Zum einen ist da Daniel Craig. Er ist unzweifelhaft der ideale Bond unserer Zeit, weil er ein bisschen von Jedem ist und doch erfrischend er selbst. Sarkastisch-Charmant wie ein Sean Connery, knallhart wie ein Timothy Dalton und gleichzeitig elegant wie ein Pierce Brosnan. Muntere One-Liner findet man viele, genauso wie unverwechselbare - in der Masse der Action schon fast untergehende - Bond-Stunts. Zu erwähnen wäre da unter anderem die Szene, wo er dem Verfolger von Camille das Motorrad unter Hosenboden wegreißt. Auch der Martini fehlt nicht, er ist sogar des Guten zuviel genossen worden. Dass er nicht mit "Shaken, not stirred" bestellt wird, fällt im Kontext der Szene nicht weiter auf und ist daher auch nicht zwingend nötig, um den Film als einen Bondfilm zu identifizieren.
Ebenso findet man mehrere Hommagen an frühere Bondfilme, wie "Goldfinger" (Leiche) und "Stirb an einem anderen Tag" (Party).
Zudem sind die Locations so stimmig gewählt wie lange nicht mehr in einem Bondfilm. Die Wüste ist ein absolut eindrucksvoller Handlungsort und ist so wohl noch nie in einem derartigen Film gesehen worden. Die staubige Luft wechselt sich mit der Eleganz der Bregenzer Seebühne, dem verregneten Großstadtlondon, dem historisch-malerischen Siena und dem verschneiten Russland ab. Innovativ auch die Idee, die Locationwechsel mit einem der Landschaft angepassten Schrifttyp anzukündigen.
So beinhaltet beinahe jede Location eine halsbrecherische Actionszene. Der erste Shot des Filmes zeigt eine romantische Heli-Kamerafahrt über den Gardasee, bis einem mit dem unmittelbar folgenden Schusswechsel auf der Küstenstraße der eigentliche Ton des Filmes direkt "eingeballert" wird. Extrem schnell und explosiv gecuttet, rasant in der Durchführung, gefährlich bei den Stunts - direkt Action, wie man sie bei Bond erwartet. Ein wahre Bilderflut bricht über den Zuschauer herein, dem man es nicht übel nehmen kann, wenn er kurzzeitig nicht mehr weiß, wo vorne, hinten, oben und unten ist.
Hier haben Kameraarbeit und Schneideraum ganze Arbeit geleistet, die wohl beide ein Extralob für den gesamten Film verdienen. Ich bin gespannt, ob sie bei den Oscars 2009 womöglich berücksichtigt werden, ich trau es dem Team zu. Der rasende Stil zieht sich durch die ganze Action der ersten Filmhälfte. Auch bei dem brillanten Kampf in den Seilen vergeht einem Hören und Sehen, weil das Geschehen auf der Leinwand geradezu explodiert. Mund auf und Staunen.
Wie man es geschafft hat, die Szenen beim traditionellen Pferderennen hinzubekommen, bleibt wohl auch nur schwer zu erklären. Jedenfalls unterstützen die wilde Menge und die donnernden Pferde die Handlung und zeigen, wie bei Bond "nur" eine von vielen Actionszenen aussehen. Noch stylisher wird das ganze Spektakel durch die vielen sich in Kontrast befindenden Farben des Films, was den Abwechslungsreichtum des Filmes unterstreicht.
Ab der ersten Hälfte macht sich ein leichter Bruch in der ultra-staccato Bildkomposition bemerkbar. Dies stört aber nicht weiterhin, da nun intensiver Wert auf die Hintergründe der Story und Charakterzeichnungen gelegt werden. Diese Aspekte gehen trotz der unglaublichen Menge an Action nicht verloren, wie das häufig in den späten 90er-Jahren der Fall war. Marc Forster macht dies besser und vermittelt die "Bösewicht unbekannter Organisation reißt weltweit die wichtigsten Ressourcen an sich-Story" weitaus realistischer als man dies für möglich gehalten hätte. Der zweite Handlungsstrang beläuft sich auf die Rachefeldzüge der beiden Hauptpersonen. Mit Hilfe von Top-Class-Autor und -Regisseur Paul Haggis hat man es geschafft, beide Plots miteinander logisch in Zusammenhang zu bringen und die Gesamtstory plausibel zu gestalten. Dabei wird die Balance zwischen Dialog und Action - wenn auch manchmal auf schmalen Grat - gehalten. Wie schon angekündigt, geschieht dies vor allem in der zweiten Filmhälfte. Siedend heiß erbricht sich dann das Finale im Wüstenhotel mit reichlichen Brandherden und Fights, die durchaus nicht ohne sind. Klasse auch der Abgang von Dominic Greene - ein Paradebeispiel des knallharten, aber immer noch zynischen Bond. Das Ende lässt dann auch keine Fragen mehr offen, unter anderem auch die nicht, dass wir schon bald einen neuen wunderbaren James Bond-Streifen sehen werden.
Eröffnungssequenz und Finale können sich direkt bei den besten der vergangenen 46 Jahre einreihen. Bereits beim Opening sieht der letztens fälschlich so häufig mit dem "neuen" Bond verglichene Jason Bourne nur noch die rote Laterne des Aston Martins und auch im weiteren Verlauf des Films wäre ihm sehr schnell die Spucke ausgegangen, auf wundersame Weise womöglich in der Wüste. Vielleicht hätte er auch eher Motoröl geschluckt....
Daniel Craig kann nahtlos an seine überragende Performance aus 'Casino Royale' anknüpfen. Schwer auszumalen, wie man diesen James Bond mit einem anderen Hauptdarsteller hätte besetzen können, denn mittlerweile erfordert die Rolle auch höchstniveauvolles Schauspielen, wie es Daniel Craig kein anderer der damals zu Wahl stehenden Kandidaten nachmacht. Keiner würde den verletzten Rächer so balanciert mit dem gleichzeitigen Superagenten präsentieren. Allerletzte Zweifel an seiner Person sollten spätestens jetzt ausgeräumt sein, er hat sich sogar schon mehr als nur etabliert und in meinen Augen das Potenzial, ein Inbegriff der Rolle zu werden. Einen Film hat er noch im Vertrag, mal sehen ob's dann noch weitergeht. Im Moment kann man sich nichts anderes vorstellen.
Nicht unerwähnt bleiben sollen aber auch Mathieu Almaric, der bei Dominic Greene das Lächeln als Waffe perfektioniert hat. Er wirkt immer überlegen und doch als ganz normaler Mensch, ein weinendes Auge oder gar andere physikalischen Abnormitäten sind nicht nötig. Sehr ambitioniert ist auch die Leistung der Ukrainerin Olga Kurylenko, welche vor allem im Finale restlos überzeugt. Rein äußerlich betrachtet gibt sie als Bondgirl die beste Figur seit langem ab. Ihr traurig-wütender Blick kann einen umhauen. Frech, fröhlich und frivol kommt auch Agent Fields daher. Schade, dass ihr Part im Film nicht größer ist, man hätte Gemma Arterton gerne länger in Aktion gesehen. Judi Dench spielt als M souverän wie immer und auch Mathis, wiederum Giancarlo Giannini, ist eine Bank. Einzig Felix Leiter kommt insgesamt etwas zu kurz. Ein kurzer richtiger Dialog mit Bond ist für Jeffrey Wright einfach zu wenig, um den Charakter zu etablieren. Man könnte meinen, er sei überflüssig.
Was nicht mit der hohen Qualität des Films mithalten kann, ist die Musik von David Arnold. Seit 'Der Morgen stirbt nie' (1997) bis jetzt bei jedem Film im Einsatz, liefert er hier seine schwächste Leistung ab. Ihm fehlt es einfach an Variabilität, und wenn die mal versucht wird, kommt eine unglaublich nervtötende Sologitarre heraus, so in der Szene, wo Bond und Camille zusammen aus der Wüste kommen. Man erwartet hier zwar kein zweites 'Lawrence of Arabia', aber ein bisschen stimmiger sollte das Ganze dann schon in Szene gesetzt werden. Auch die Actioncues haben keinerlei Wiedererkennungswert, wie dies bei "Backseat Driver" (Der Morgen stirbt nie) oder "Come in 007, Your Time is Up" (Die Welt ist nicht genug) noch der Fall war. Schade, denn hierdurch lässt der Film einiges an Überzeugung auf der Strecke.
Einher mit dieser Schwäche geht, dass teilweise der Actionszenen voller Spielraum nicht ausgenutzt wird. Der Kampf der Flugzeuge (DC3) wirkt zwar authentisch, jedoch hätte hier noch mehr rausgeholt werden können; die super Idee wurde in meinen Augen nicht voll ausgespielt. Ansatzweise ähnlich gehts mir da bei der Motorbootjagd, auch wenn diese schon rasant und eindrucksvoll gemacht ist.
An Anfang (Aston Martin-Verfolgung und Siena) und Ende (Hotel in der Wüste) reichen die Szenen jedoch nicht heran, denn diese sind schlicht und ergreifend perfekt.
'Ein Quantum Trost' beweist, dass James Bond weiterhin die besten Actionfilme liefert - und diesmal zeitweise verlorene, teilweise neu gewonne Charakterzüge miteinschließt. Perfekt ist der Film auch nicht, dazu sind kleinere Abstriche u.a. bei der Ausarbeitung einiger Nebencharaktere zu verzeichnen. Daniel Craig aber kann sich als der James Bond der Gegenwart bezeichnen und Marc Forster und das restliche (teils bewährte) Bondteam haben eine wahre Actionsymphonie geschaffen, bei der mehr James Bond in dem Sinne zu entdecken ist, wie immer wieder kritisiert wird. Fährt man diese Entwicklung fort, so ist kein Ende des Kultes in Sicht. Es ist wieder Zeit für eine Bondmania! Brilliant.