Daniel Craigs Einstand als 007 in „Casino Royale“ hat eine neue Ära von Bondfilmen eingeleitet, die endgültig die schwache Phase, in deren Mittelpunkt Pierce Brosnan stand, vergessen macht. „Ein Quantum Trost“ führt diese Linie weiter, ein neuer Bond für eine neue Generation von Filmfans. Auch wenn Puristen der Verzicht auf diverse markante Ingredizien sauer aufstoßen könnte – Marc Foster macht hier nahezu alles richtig und liefert einen astreinen Event-Movie allererster Güte. Die Hauptfigur hat keinen Sex mit seinem Bondgirl, die obligatorische Vorstellung („Bond. James Bond“) fehlt ebenso wie der Einsatz technischer Gimmicks und als Gentleman tritt der bekannteste Agent der Welt hier kaum auf. All diese Brüche mit jahrzehntelang etablierten Normen stehen dem Film sichtlich gut, vor allem weil es sich im Kern immer noch um einen echten Bond handelt. Nur eben nicht auf den ersten Blick.
Tatsächlich bietet „Ein Quantum Trost“ viele exotische Schauplätze, allesamt hervorragend gefilmt und Ironie, so trocken wie ein guter Martini. Darüber hinaus erinnert die Story um einen persönlichen Rachefeldzug nicht zufällig an „Lizenz zum Töten“, bis heute einer der untypischsten und härtesten Vertreter der Reihe. Das es sich um den letzten Film vor der unheilvollen Brosnan-Dekade handelt, zeigt ebenfalls (wenn auch vielleicht nicht beabsichtigt) die Abkehr von den direkten Vorgängern und eine Hinwendung zu alten Werten, sowie den Mut zur Innovation. Der wurde „Lizenz zum Töten“ keineswegs gedankt, der Film ging unter an den Kinokassen – ein Schicksal, welches dem Quantum Trost sicher nicht ereilen wird.
Die Action-Szenen sind von realistischer Härte und wirken nur selten so unglaubwürdig überhöht, wie es in den 90er Jahren nur allzu typisch gewesen ist. Craig zeigt Körpereinsatz und eine physische Präsenz, die so noch kein Bond-Darsteller beweisen musste und dazu ein einnehmendes Charisma. Für mich persönlich ist Craig schon jetzt der beste Bond der traditionsreichen Film-Reihe, da er ein sehr differenziertes und glaubwürdiges Spiel abliefert, das die gesamte Figur neu definiert. Schon jetzt ist der Schauspieler mit seiner Rolle verwachsen und es bleibt zu hoffen, das noch viele Filme mit diesem großartigen Hauptdarsteller folgen werden.
Schon seit jeher verstanden es die Bondfilme, die Zeichen der Zeit zu erkennen, was sowohl die stärksten („Liebesgrüße aus Moskau“ und der Kalte Krieg) als auch die schwächsten Bondfilme („Der Morgen stirbt nie“ und die manipulativen Massenmedien) auszeichnete. „Ein Quantum Trost“ ist ebenfalls auf der Höhe seiner Zeit indem er zunächst die Aufmerksamkeit der Handlung auf die Gier nach Öl forciert, letztlich aber einen Haken schlägt und diesen Verdacht als alten Hut entlarvt. Eigentliches Objekt der Begierde ist schlicht und einfach Wasser, der Quell des Lebens. Die skrupellose wirtschaftliche Handhabung der Ressourcen der wichtigsten Flüssigkeit des Planeten Erde ist hochaktuell und in ihrer politischen Bedeutung auch sehr brisant. Eventuell ist die Tiefenwirkung der Thematik Paul Haggis zu verdanken, der als ambitionierter Autor komplexer Problematiken bekannt ist. Auch wenn ihm ein Hang zu Vereinfachung und Verkitschung nicht ganz abzusprechen ist: Haggis hat ein Händchen für Gedankenanstöße und ist weit von einem gewöhnlichen Trivialautor entfernt.
Bezüge zur Realität birgt die Handlung mehr als genug, was traurig genug erscheint: In Bolivien sorgte die Privatisierung der Wasservorräte wirklich für eine Verdoppelung des Preises, was nahezu so im Film verarbeitet wird. Überdies verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse sichtlich, das wird deutlich wenn M. (unterkühlt und doch sehr einfühlend: Judi Dench) sich vom Premierminister anhören muss, das man sich nicht immer moralisch entscheiden kann bei der Wahl seiner Partner. Wenn man mit Schurken keine Geschäfte macht, wer bleibt dann überhaupt noch übrig?
Als erste richtige Fortsetzung der Bond-Reihe markiert „Ein Quantum Trost“ einen Wendepunkt, steht aber auch für sich gesehen als inhaltlich geschlossen da. Zwingend notwendig ist die Kenntnis des Vorgängers nicht, da alle Bezüge ausreichend angedeutet und erklärt werden, sodass keineswegs ein Seriencharakter aufkommt – auch wenn die Story recht dünn ausgefallen ist, ignoriert man „Casino Royale“. Im Hinblick auf Craigs ersten Ausflug als Doppelnull ist die hier präsentierte Hatz nur konsequent und stilgerecht umgesetzt. Trotz bemerkenswert hohen Tempos wirkt die Story nicht gehetzt oder überladen, was vor allem der vorher geleisteten Einführungsarbeit zu verdanken ist.
„Den Toten ist Rache gleichgültig“ lässt Bond verlauten und mit dieser Einstellung umgeht der Film jegliche Plakativität eines zynischen Selbstjustizfilms und verklärt Bonds persönliche Vendetta damit nicht im mindesten. Auch wenn die hübsche Camille zu ihrer eigenen, lang erträumten, Abrechnung gekommen ist bleibt ihr nicht viel außer emotionaler Leere. Befriedigung oder Befreiung verspricht der Film nicht. Auch nicht dem Charakter Bond, der von nun an endgültig zu einem traumatisierten und innerlich gebrochenen Helden wird. Damit gehört „Ein Quantum Trost“ sicher zu den menschlichsten Interpretationen des Agenten, auch wenn im Getöse der Action nicht viel Raum bleibt um die emotionalen Konflikte zu behandeln. Gerade deshalb bleibt es aber umso erstaunlicher, das die Zwischentöne dennoch kaum zu überhören sind und nachhaltig Wirkung auf den Zuschauer erreichen.
Die Ukrainerin Olga Kurylenko („Hitman“, „Max Payne“)erweist sich als gute Wahl für das neue Bondgirl und teilt mit den meisten ihrer Kolleginnen offensichtlich bestimmte Eigenschaften: Sie ist keine große Schauspielerin (zumindest hat sie das bisher nicht unter Beweis stellen können), geht in ihrer Rolle aber auf und besitzt eine atemberaubende erotische Ausstrahlung, ohne vulgär zu erscheinen. Nicht mal im Bett landet sie mit Mr. Bond, der dafür ersatzweise eine Kollegin ins Bett ziehen darf.
Neben dem kritischen Potential, das die Wasser-Thematik in sich birgt, handelt es sich selbstverständlich in erster Linie um einen Unterhaltungsfilm. Hier macht man alles richtig: Ohne viel Zeit zum Durchatmen hangelt sich der Film von einer spektakulären Action-Sequenz zur anderen, begeistert durch exzellente und authentische Kampf-Choreographie und bietet eben jene Abwechslung, die einen Bondfilm letztlich vom Einheitsbrei absetzen sollte. Keine Minute Langweile kommt auf in der perfekt arrangierten Balance zwischen übersichtlichen und leicht überstilisierten Verfolgungen sowie naturalistischen, blitzschnell geschnittenen Faustkämpfen.
Als Antagonisten werden Bond hier zwar durchaus interessante Typen entgegen gestellt, auf schillernde Persönlichkeiten wie Blofeld oder Goldfinger muss aber leider verzichtet werden. Mathieu Amalric („Schmetterling und Taucherglocke“) gibt einen gewissenlosen Kapitalisten, der aus dem Elend der Menschen achselzuckend ein Geschäft macht, offensichtlich ohne ein moralisches Gefüge zu besitzen. Im Hinblick auf aktuelle Weltpolitik verkörpert Amalric jenen Vampirismus, der es großindustriellen Lobbys ermöglicht, ihre Macht zu festigen und die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter zu vergrößern. Joaquín Cosio als General Medrano dagegen ist ein Nutznießer der Umstände und einer jener Diktatoren, deren Macht viel größeren Organisationen untergeordnet ist. Beide Figuren sind mit soliden Darstellern besetzt, besitzen aber kaum das ikonische Flair, um sie als Individuen in der Filmgeschichte zu verankern.
Echtes Oldschool-Bondfeeling kommt aber im Vorspann auf, der sehr edel in Szene gesetzt ist und augenzwinkernd und zunächst unmerklich das Thema Wasserknappheit umreißt und auf das Finale in heißem, trockenen Wüstensand hindeutet. Unterstützt wird dieser Einstieg durch einen atmosphärischen, ungewöhnlich komponierten Titelsong, der das Gefühls-Crossover innerhalb der Handlung musikalisch verarbeitet: Alicia Keys singt mit kraftvoller Soul-Stimme zu rockigen Klängen von James White (Kopf der Schmuddel-Rocker White Stripes). Die tiefe Verzweiflung in Kombination mit blinder Wut, welche im Film zum Tragen kommt, kündigt sich schon deutlich an im Titelsong „Another way to Die“ - bestimmt nicht der beste Bond-Song aller Zeiten aber dennoch sehr stimmig als Einleitung. Der eigentliche Score von David Arnold (der auch schon „Casino Royale“ vertonte) kann zwar kaum eigene Akzente setzen, fängt die wirbelnde Action aber ebenso gut ein wie die wenigen Ruhepole und kann durchaus als routiniert gelten, ohne austauschbar zu werden.
Fazit: Der neue Bond hält, was er verspricht. Knackige Action, temporeich inszeniert und mit gehörigem Thrill versehen. Bond wird endgültig neu definiert, weit weg vom charmanten Gentleman der Frühzeit und noch weiter entfernt vom aalglatten Übermenschen der Brosnan-Periode. Ein heißes Bondgirl und wunderbar gefilmte Locations lassen die fehlenden Bond-Zutaten vergessen und unterm Strich klärt „Ein Quantum Trost“ den Blick auf die Zukunft von 007: „Casino Royale“ war kein Glückstreffer sondern der Beginn eines neuen Zeitalters, das den alten Bond-Stil hinter sich lässt doch gerade deshalb das Flair des Ursprungs zurückerobert. Auch wenn das den Hardcore-Fans nicht unbedingt schmecken mag.
08 / 10